Aurora oder Morgenröte im Aufgang

(Text von Jacob Böhme von 1612, deutsche Überarbeitung 2021)

13. Kapitel - Der klägliche Fall Luzifers

Vom schrecklichen, kläglichen und elenden Fall des Königreichs von Luzifer.

13.1. Vor diesen Spiegel will ich alle überheblich stolzen, geizigen, neidischen und zornigen Menschen geladen haben. Hier werden sie den Ursprung ihres überheblichen Stolzes, Geizes, Neides und Zornes sehen sowie den Ausgang und die abschließende Belohnung.

13.2. Die Gelehrten haben viele und mancherlei Theorien vom Anfang der Sünde und dem Ursprung des Teufels hervorbracht und sich damit gekratzt. Ein jeder meinte, er habe die Axt am Stil, doch ist es ihnen wohl bis heute verborgen geblieben.

13.3. Weil es sich aber nun gänzlich offenbaren will, wie in einem klaren Spiegel, so ist wohl zu vermuten, daß nunmehr der große Tag der Offenbarung Gottes bevorsteht, an dem sich die Grimmigkeit und das angezündete Feuer vom Licht scheiden wird.

13.4. Darum soll sich keiner selbst stockblind machen, denn die Zeit der Wiederbringung von dem, was der Mensch verloren hat, steht nunmehr bevor und die Morgenröte bricht an, so daß es Zeit ist, vom Schlaf aufzuwachen.

13.5. So fragt man sich nun: „Was war denn der Quell der ersten Sünde im Königreich Luzifers?“ Hier muß man die höchste Tiefe der Gottheit wieder zur Hand nehmen und besehen, woraus König Luzifer zu einer Kreatur geworden ist, oder was der erste Quell der Bosheit in ihm gewesen war.

13.6. Denn noch immer beschweren sich der Teufel und seine Rotten, wie auch alle gottlosen Menschen, die in der Verderbnis gezeugt werden, daß Gott ihnen unrecht tue, wenn er sie verstößt.

13.7. Und so darf wohl in der heutigen Welt auch jeder sagen, Gott habe es in seinem vorsätzlichen Rat so beschlossen, daß manche Menschen selig sein sollen und manche verdammt. Dazu habe Gott auch Fürst Luzifer verstoßen, damit er ein Spektakel des Zorns Gottes sein soll.

13.8. Gleichsam, als ob die Hölle oder das Böse seit Ewigkeit gewesen wäre und Gott in seinem Vorsatz gewollt hätte, daß darin Kreaturen sein sollen und müssen. Und sie kratzen und dehnen sich so (oberflächlich) mit den Schriften, um dies zu beweisen, weil sie weder Erkenntnis des wahren Gottes noch ein wahres Verständnis der Schrift haben, so daß auch etliche irrige Dinge in die Schrift gebraut wurden.

13.9. Christus sagt: »Der Teufel sei von Anfang an ein Mörder und Lügner gewesen und stand nie in der Wahrheit. (Joh. 8.44)« Weil ihm aber diese Rechtsprecher und Disputierer so treulich beistehen und Gottes Wahrheit in Lügen verkehren, indem sie aus Gott einen durstigen und grimmigen Teufel machen, der das Böse geschaffen habe und immer noch schaffen wolle, so sind sie mitsamt dem Teufel allzumal Mörder und Lügner.

13.10. Denn gleichwie der Teufel ein Anstifter und Vater der Hölle und Verdammnis ist, und sich die höllische Qualität selber erbaut und zu seinem königlichen Sitz zugerichtet hat, so sind auch solche Schreiberlinge der Lüge und Verdammnis Baumeister, die dem Teufel helfen, seine Lügen zu bestätigen, und aus dem barmherzigen, lieblichen, freundlichen Gott einen Mörder und eifrigen Verderber machen und Gottes Wahrheit in Lügen verkehren.

13.11. Denn im Propheten spricht Gott: »So wahr ich lebe, ich habe keine Lust am Tod des Sünders, sondern daß er sich bekehre und lebe. (Hes. 33.11)« Und in den Psalmen steht: »Du bist kein Gott, der das Böse will. (Psalm 5.5)«

13.12. Dazu hat Gott den Menschen Gesetze gegeben, das Böse verboten und das Gute geboten. Denn wenn Gott das Böse und auch das Gute wollte, dann müßte er mit sich selbst uneins sein, und daraus würde folgen, daß in der Gottheit eine Zerstörung sei, so daß eines gegen das andere laufe und eines das andere verderbe.

13.13. Wie dies alles beschaffen sei und wie die Bosheit seinen ersten Quell, Ursprung und Anfang genommen habe, will ich nun in höchster Einfalt in der größten Tiefe erklären.

13.14. Dazu lädt und zitiert der Geist alle verirrten und vom Teufel verführten Menschen in die Schule vor diesen Spiegel, wo sie dem Mordteufel ins Herz sehen können. Wer sich aber vor seiner Lüge nicht behüten will, obwohl er es kann, dem ist kein Rat, weder hier noch dort. Wer mit dem Teufel säen will, der wird auch mit ihm ernten. Und im Zentrum des Blitzes zeigt es sich, daß die Ernte schon fast reif ist, so daß ein jeder ernten wird, was er ausgesät hat.

13.15. Hier will ich mein überantwortetes Pfund auf Zins ausleihen, wie mir auch befohlen wurde (Matth. 25.14). Wer nun mit mir gewinnen und handeln will, dem soll es freistehen, sei er ein Christ, Jude, Türke oder Heide. Sie gelten mir alles gleich. Mein Kaufhaus soll einem jeden offenstehen, und keiner soll beraubt oder betrogen werden, sondern es soll ihm Recht geschehen.

13.16. Da mag nun ein jeder zusehen, daß er handle, damit er seinem Herrn einen Gewinn erwerbe. Denn ich fürchte wohl, es werde sich nicht ein jeder Kaufmann in meine Ware schicken können, zumal sie manchem gar unbekannt sein wird. Dazu wird auch nicht ein jeder meine Sprache verstehen.

13.17. Deswegen will ich einen jeden gewarnt haben, daß er vorsichtig handle und sich nicht bedünken lasse, er sei reich und könne niemals arm werden. Wahrlich ich habe wunderbarste Ware anzubieten, aber es wird sie nicht jeder verstehen.

13.18. Und wenn einer in seiner überfüllten Weise hineinplumpste und ins Verderben gerät, der mag sich selber die Schuld geben. Er bedarf wohl eines Lichtes in seinem Herzen, damit sein Verstand und Gemüt regiert werden kann.

13.19. Anders komme er nicht in mein Kaufhaus, oder er betrügt sich nur selber, denn die Ware, die ich anzubieten habe, die ist gar edel und teuer und bedarf gar scharfen Verstand (bzw. klarer Vernunft). Darum siehe dich vor und steig nicht in die Höhe, wo du keine Leiter siehst, oder du fällst.

13.20. Mir aber wurde die Leiter Jakobs gezeigt, auf der ich bis in den Himmel gestiegen bin und meine Ware empfangen habe, die ich hier anbiete. Will mir nun jemand nachsteigen, der sehe zu, daß er nicht betrunken sei, sondern mit dem scharfen Schwert des Geistes umgürtet.

13.21. Denn er muß durch eine grausame Tiefe gehen, so daß ihm der Schwindel oft in den Kopf kommen wird. Dazu muß er mitten durch das Reich der Hölle steigen, und was er dort für Verhöhnung und Spott erleiden muß, das wird er wohl erfahren.

13.22. Auch ich habe es in diesem Kampf oft mit traurigem Herzen erfahren müssen. Die Sonne ist mir oft verloschen, aber immer wieder aufgegangen. Und je öfter sie verloschen war, desto heller und schöner ist sie wieder aufgegangen.

13.23. Dies schreibe ich mir nicht zum Lob, sondern daß du daran nicht völlig verzweifelst, wenn es dir ähnlich ergeht. Denn es gehört wirklich harte Arbeit dazu, wenn du zwischen Himmel und Hölle mit dem Teufel fechten willst, denn er ist ein mächtiger Fürst.

13.24. Darum schau zu, daß du den Panzer (bzw. die Rüstung) des (sehenden) Geistes anhast! Anders komme nur nicht in mein Kaufhaus, oder du wirst mit dieser Ware übel handeln. Du mußt dem Teufel und der Welt entsagen, wenn du kämpfen willst, sonst siegst du nicht. Wenn du aber nicht siegst, dann laß mein Buch in Frieden und bleibe beim alten, oder du wirst bösen Lohn empfangen. Irre dich nicht, denn Gott läßt sich nicht verspotten. (Gal. 6.7)

13.25. Es ist fürwahr ein enger Steg. Wer da durch die Pforte der Hölle zu Gott dringen will, der muß manchen Druck und Quetsch des Teufels erleiden. Denn das menschliche Fleisch ist jung und zart, aber der Teufel rauh und hart, dazu finster, hitzig, bitter, herb und kalt. Diese beiden fügen sich übel zusammen.

13.26. Darum will ich den Leser treulich gewarnt haben, wie mit einer Vorrede zu diesem großen Geheimnis, wenn er dies nicht versteht, aber doch gern verstehen wollte, daß er Gott um seinen Heiligen Geist bitten soll, daß er ihn mit demselben erleuchten möge.

13.27. Ohne diese Erleuchtung wirst du dieses Geheimnis nicht verstehen, denn im Geist des Menschen ist ein festes Schloß davor, das zuvor aufgeschlossen werden muß. Und das kann kein Mensch (mit seinem Eigenwillen) tun, denn nur der Heilige Geist ist der Schlüssel dazu.

13.28. Willst du also eine offene Pforte in die Gottheit haben, dann mußt du in Gottes Liebe wallen. Das habe ich dir zur Benachrichtigung hierhergesetzt.

13.29. Nun erkenne: Ein jeder Engel ist im siebenten Quellgeist geschaffen, der die Natur ist. Daraus ist sein Leib zusammenverkörpert, und so wurde ihm sein Leib zum Eigentum gegeben, und dieser ist für sich frei, gleichwie der ganze Gott frei ist.

13.30. Er hat außer sich selbst keinen Antrieb. Sein Antrieb und seine Beweglichkeit stehen in seinem Körper. Dieser besteht auf Art und Weise wie der ganze Gott ist. Und sein Licht und seine Erkenntnis sowie sein Leben werden auf Art und Weise geboren, wie das ganze göttliche Wesen geboren wird. Denn der Leib ist der zusammenverkörperte Naturgeist und umschließt die anderen sechs Geister, die sich in diesem Leib gebären, wie in der Gottheit selbst.

13.31. So hat nun Luzifer den allerschönsten und kräftigsten Leib im Himmel unter allen Fürsten gehabt. Und sein Licht, das er in seinem Leib immerfort geboren hat, das arbeitete mit dem Herzen oder Sohn Gottes zusammen, als wäre es ein Wesen.

13.32. Als er aber gesehen hatte, daß er so schöne war, und seine innerliche Geburt und große Gewalt empfand, da begann sein Geist, den er in seinem Körper als seinen Seelengeist, Sohn oder Herz geboren hatte, sich zu erheben, um über die göttliche Geburt zu triumphieren und sich über das Herz Gottes zu setzen.

13.33. Hier erkenne die Tiefe: Im mittleren Quellbrunnen, der das Herz ist, geht die Geburt auf. Die herbe Qualität reibt sich mit der bitteren und der Hitze. Damit zündet sich das Licht (des Bewußtseins) an, und das ist der Sohn, dessen er in seinem Leib immer schwanger ist, und das ihn erleuchtet und lebendig macht.

13.34. Nun war dieses Licht in Luzifer so schön gewesen, daß es die ganze Gestaltung des Himmels übertroffen hatte, und in diesem Licht war der vollkommene Verstand (mit ganzheitlicher Vernunft), denn dieses Licht wurde von alle sieben Quellgeistern geboren.

13.35. Denn die sieben Quellgeister sind der Vater des Lichtes und können von der Geburt des Lichtes so viel zulassen, soviel sie wollen. Doch das Licht kann sich nicht höher erheben als es die Quellgeister zulassen.

13.36. Wenn aber das Licht geboren ist, dann erleuchtet es alle sieben Quellgeister, so daß sie alle sieben verständig sind und alle sieben ihren Willen zur Geburt des Lichtes geben.

13.37. Nun hat aber ein jeder die Macht, seinen Willen in der Geburt des Lichtes zu ändern, je nachdem es vonnöten ist. Wenn das nun geschieht, dann kann der Geist nicht so triumphieren, sondern muß seine Pracht mäßigen. Und darum haben alle sieben Geister die volle Gewalt, denn ein jeder hat einen Zügel in der Hand, so daß er innehalten kann und den geborenen Geist nicht höher triumphieren läßt, als ihm gebührt.

13.38. Die sieben Geister aber, die in einem Engel sind, die das Licht und den Verstand gebären, die sind mit dem ganzen Gott verbunden, damit sie nicht anders, höher oder mehr qualifizieren sollen als Gott selbst. Denn Gott hat sie darum aus sich geschaffen, daß sie in solcher Form und Weise qualifizieren sollen wie Gott selbst.

13.39. So verhielten sich aber die Quellgeister in Luzifer nicht. Sondern als sie erkannten, daß sie in der höchsten Herrschaft saßen, da bewegten sie sich so übermäßig, daß der Geist, den sie geboren hatten, ganz feurig wurde und im Quellbrunnen des Herzens wie eine stolze Jungfrau aufstieg.

13.40. Wenn die Quellgeister sanft qualifiziert hätten, wie sie wirkten, bevor sie kreatürlich wurden und vor der Schöpfung noch allgemein in Gott waren, dann hätten sie auch einen lieblichen und sanften Sohn in sich geboren. Der wäre dem Sohn Gottes gleich gewesen, und so wären das Licht in Luzifer und der Sohn Gottes ein Wesen gewesen, eine Inqualierung oder Infizierung, ein liebliches Umarmen, Herzen und Ringen.

13.41. Denn das große Licht, welches das Herz Gottes ist, hätte fein sanft und lieblich mit dem kleinen Licht in Luzifer wie mit einem jungen Sohn gespielt. Denn der kleine Sohn in Luzifer sollte das liebe Brüderlein des Herzens Gottes sein.

13.42. Mit diesem Ziel hat Gott der Vater die Engel geschaffen. Wie er in seinem Liebe-Spiel durch seine Qualitäten vielfältig und in seiner Veränderung unbegreiflich ist, so sollten auch die Geisterlein oder Lichterlein der Engel, die wie der Sohn Gottes sind, vor dem Herzen Gottes im großen Licht fein sanft spielen, damit hier die Freude im Herzen Gottes vermehrt werde und so in Gott ein heiliges Spiel sein könne.

13.43. Die sieben Geister der Natur sollten im Engel fein lieblich in Gott ihrem Vater spielen und aufsteigen, wie sie es vor ihrem kreatürlichen Wesen getan hatten, und sich in ihrem neugeborenen Sohn erfreuen, den sie aus sich selbst geboren hatten, welcher das Licht und der Verstand ihres Leibes ist.

13.44. Und dieses Licht sollte fein sanft im Herzen Gottes aufsteigen und sich im Licht Gottes erfreuen, wie ein Kind bei seiner Mutter. Da sollte ein herzliches Lieben und freundliches Küssen sein, ein ganz sanfter und lieblicher Geschmack.

13.45. In diesem sollte der Ton aufsteigen und mit Singen und Klingen, Loben und Jubilieren schallen, und alle Qualitäten sollten sich darin freuen und ein jeder Geist seine göttliche Arbeit treiben, wie Gott der Vater selbst. Denn solches hatten die sieben Geister in vollkommener Erkenntnis, denn sie waren mit Gott dem Vater inqualiert, so daß sie alles sehen, fühlen, schmecken, riechen und hören konnten, was Gott ihr Vater machte.

13.46. Als sie sich aber in scharfer Anzündung erhoben, da handelten sie ja gegen das Naturrecht, anders als Gott ihr Vater handelte, und das war ein Quell gegen die ganze Gottheit. Denn sie zündeten den Salpeter des Körpers an und gebaren einen hoch (überheblich) triumphierenden Sohn, der in der herben Qualität hart, rauh, finster und kalt war, und in der süßen Qualität brennend, bitter und feurig. Der Ton war ein harter Feuerklang, und die Liebe war eine hochmütige Feindschaft gegen Gott.

13.47. Da stand nun die angezündete Braut im siebenten Naturgeist wie eine stolze Bestie und vermeinte nun, sie wäre über Gott und ihr wäre nichts gleich. Die Liebe war erkaltet, und das Herz Gottes konnte sie nicht mehr berühren, denn es war ein Widerwillen zwischen ihnen. Das Herz Gottes wallte fein sanft und liebreich, aber das Herz des Engels wallte ganz finster, hart, kalt und feurig.

13.48. Nun sollte das Herz Gottes mit dem Herz des Engels inqualieren, doch das konnte nicht mehr sein, denn es standen Hart gegen Weich, Sauer gegen Süß, Finster gegen Licht, grimmiges Feuer gegen liebliche Wärme und hartes Pochen gegen lieblichen Gesang.

13.49. Höre Luzifer, wer ist nun schuld daran, daß du ein Teufel geworden bist? Ist es Gott, wie du lügst? Oh nein, nur du selbst! Die Quellgeister in deinem Körper, der du selber bist, die haben dir ein solches Söhnlein geboren. Du kannst nicht sagen, daß Gott den Salpeter angezündet hat, aus dem er dich machte, sondern deine Quellgeister taten es, nachdem du bereits ein Fürst und König Gottes warst.

13.50. Wenn du darum sagst, Gott habe dich so geschaffen und ohne genügende Ursache aus deinem Reich ausgespien, dann bist du ein Lügner und Mörder, denn das ganze Himmelsheer gibt Zeugnis gegen dich, daß du dir die grimmige Qualität selber zugerichtet hast.

13.51. Wenn das nicht wahr ist, dann gehe vor das Antlitz Gottes und verantworte dich. Aber du siehst es wohl ohnedies, doch willst es nicht anschauen. Lieber, möchtest du nicht einen freundlichen Kuß vom Sohn Gottes haben, damit du dich nur einmal labst? Wenn du Recht hast, dann schau ihn doch einmal an, vielleicht wirst du gesund.

13.52. Oder warte noch ein wenig, denn es sitzt ein anderer auf deinem Thron, der sich küssen läßt und seinem Vater ein gehorsamer Sohn ist, weil er wirkt, wie der Vater wirkt. Warte nur noch eine kleine Weile, dann wird dich das höllische Feuer küssen. Nimm derweil mit dem Latein vorlieb, bis dir mehr daraus wird, dann wirst du bald deine Krone verlieren.

13.53. Nun könnte einer fragen: „Was ist denn eigentlich in Luzifer die Feindschaft gegen Gott, wegen der er aus seinem Reich vertrieben wurde?“ Hier will ich dir den wesentlichen Kern und das Herz Luzifers zeigen. Da wirst du sehen, was ein Teufel ist und wie er ein Teufel geworden ist. Darum schau zu und lade ihn nicht zu Gast, denn er ist Gottes und aller Engel und Menschen angesagter Feind, und das in seiner Ewigkeit.

13.54. Wirst du dies richtig verstehen und begreifen, dann wirst du aus Gott keinen Teufel machen, wie es etliche tun, die da sagen, Gott habe das Böse geschaffen und wolle auch, daß manche Menschen verloren sein sollen. Sie helfen dem Teufel, seine Lügen zu vermehren, und führen über sich selbst das strenge Urteil, indem sie Gottes Wahrheit in Lügen verkehren.

13.55. So erkenne nun: Die ganze Gottheit hat in ihrer innerlichsten oder ursprünglichsten Geburt im Kern eine ganz scharfe und schreckliche Schärfe, indem die herbe Qualität ein ganz schreckliches, herbes, hartes, finsteres und kaltes Zusammenziehen ist, gleich dem Winter, wenn es so grimmig und unerträglich kalt ist, daß alles Wasser zu Eis erstarrt.

13.56. Stell dir vor, wenn im Winter, der so kalt ist, die Sonne weggenommen wird, was dann für eine Kälte und ganz rauhe und harte Finsternis sein würde. Da könnte kein Leben bestehen.

13.57. Auf eine solche Art ist die herbe Qualität im innersten Kern in sich selbst und für sich allein ohne die anderen Qualitäten in Gott, denn die Strenge bewirkt die Zusammenziehung und -haltung eines Körpers, und die Härtigkeit vertrocknet es, so daß es kreatürlich besteht.

13.58. Und die bittere Qualität ist ein reißender, durchdringender und schneidender bitterer Quell, denn sie zerteilt und zertreibt die harte und herbe Qualität und bewirkt die Beweglichkeit. Und zwischen diesen beiden Qualitäten wird durch ihr hartes und grimmig-bitteres Reiben, Reißen und Toben die Hitze geboren, die in der bitteren und harten Qualität wie eine grimmige Anzündung aufsteigt und wie ein harter Feuerklang hindurchfährt, davon der harte Ton entsteht. Und in solchem Aufsteigen wird in der herben Qualität das Aufgestiegene umschlossen und verfestigt, so daß es ein Körper wird, der besteht.

13.59. Wenn nun in diesem Körper keine Qualität mehr wäre, welche die Grimmigkeit dieser vier Qualitäten löschen könnte, dann wäre ja eine stetige Feindschaft darin, denn die bittere wäre gegen die herbe, indem sie darin so stürmt und reißt und die herbe zersprengt.

13.60. So wäre die herbe auch gegen die bittere, indem sie die bittere so zusammenzieht und gefangenhält, daß sie ihren eigenen Gang nicht haben könnte.

13.61. Und die Hitze wäre gegen alle beide, indem sie mit ihrem grimmigen Anzünden und Aufsteigen alles hitzig und wütend macht und ganz gegen die Kälte ist.

13.62. Dann wäre auch der Ton eine große Feindschaft in all den anderen, indem er wie ein Wüterich mit Gewalt durch alles fährt.

13.63. Dies ist also die allertiefste und innerlichste verborgene Geburt Gottes, nach der er sich einen zornigen und eifrigen Gott nennt, wie bei den Zehn Geboten vom Berg Sinai zu erkennen ist. (2.Mose 20.5; 5.Mose 5.9) Und in solcher Qualität steht die Hölle und ewige Verderbnis, dazu die ewige Feindschaft und Mordgrube, und eine solche Kreatur ist der Teufel geworden.

13.64. Weil er aber nun ein angesagter Feind Gottes ist und auch die Disputierer und Teufelshelfer erzwingen wollen, daß Gott das Gute und auch das Böse wollte und daß Gott etliche Menschen zur Verdammnis geschaffen habe, so lädt sie der Geist Gottes angesichts dieser Qual ewiger Feindschaft vor diesen Spiegel. Damit soll ihr Herz aufgeschlossen werden, und sie sollen sehen, was Gott ist, wer der Teufel ist und wie er ein Teufel geworden ist.

13.65. Falls dein Herz durch deine Mutwilligkeit, Gotteslästerung und ersoffene greuliche Sünde nicht im Tode verriegelt ist und gar nicht davon abgehen will, dann wache auf und siehe!

13.66. Ich nehme Himmel und Erde, dazu Sterne und Elemente sowie alle Kreaturen und den Menschen in seiner ganzen Substanz selbst zum Zeugnis, und will es an passender Stelle auch hell und klar mit allen diesen erzählten Dingen beweisen, besonders bei der Schöpfung aller Kreaturen.

13.67. Genügt es dir an diesen Dingen nicht, dann bitte Gott, daß er dir dein Herz öffnet. Dann wirst du Himmel und Hölle sowie die ganze Gottheit in all ihrer Qualität erkennen und sehen, und dann wirst du wohl aufhören, dem Teufel Recht zu sprechen. Denn ich kann dir dein Herz nicht aufschließen. So erkenne nun:

Die wahre Geburt Gottes

13.68. Siehe, wie ich oben erzählt habe, so geschieht die Geburt Gottes in seinem innersten Wesen durch die (trennende) Schärfe dieser vier Qualitäten.

13.69. Du mußt es aber wesentlich verstehen: Die herbe Qualität ist zwar in ihrer eigenen Qualität so scharf in sich selber, aber sie ist nicht allein oder ohne die anderen, auch nicht von sich oder in sich selber geboren, so daß sie ganz frei wäre, sondern die anderen sechs Geister gebären sie. Und diese haben sie auch beim Zügel und können ihr Gewalt lassen, soviel sie wollen. Denn das süße Quellwasser ist flugs die Peitsche über die herbe Qualität und besänftigt sie, so daß sie ganz dünn, sanft und weich wird, dazu ganz licht.

13.70. Daß sie aber in sich so scharf ist, hat das Ziel, daß durch ihre Zusammenziehung ein Körper gebildet werden kann, denn sonst bestünde die Gottheit nicht, viel weniger eine Kreatur. Und in dieser Schärfe ist Gott ein allbegreiflicher und allfaßlicher scharfer Gott, denn die Geburt und Schärfe Gottes ist überall so.

13.71. Wenn ich dir aber die Gottheit in ihrer Geburt in einem kleinen runden Kreis in der höchsten Tiefe wahrhaftig beschreiben soll, dann ist das so, als würde ein Rad mit sieben Rädern vor dir stehen, wo je eines in das andere gemacht wäre, so daß es in alle Richtungen vorwärts, rückwärts und quer laufen könnte und keine Umkehrung benötigte. Und wenn es so laufen würde, dann würde ein Rad in seiner Umdrehung das andere gebären und doch verginge keines, sondern alle sieben wären immer sichtbar. Und die sieben Räder gebären entsprechend ihrer Umdrehung immer die Naben in der Mitte, daß also die Nabe immer frei und ohne Veränderung bestünde. So liefen diese Räder gleichzeitig vorwärts, rückwärts oder quer sowie über oder unter sich. Und die Nabe würde immer die Speichen gebären, so daß sie im Herumdrehen überall wirken können. Und doch verginge auch keine Speiche, wenn sie sich immer so miteinander umdrehten und liefen, wohin es der Wind drehte, ohne einer Umkehr zu bedürfen.

13.72. Nun erkenne, was ich dir hier erkläre: Die sieben Räder sind die sieben Geister Gottes, die immer einer den anderen gebären, und das ist, wie man ein Rad umdreht, wo sieben Räder ineinander wären und eines drehte sich immer anders als das andere in seinem Ineinanderstehen. Und die sieben Räder wären ineinander gefelgt, wie eine runde Kugel, so daß man gleichwohl alle sieben Räder und den Umgang eines jeden im Besonderen sähe, sowie auch seine ganze Geschicklichkeit mit seiner Felge, den Speichen und seiner Nabe. Und die sieben Naben wären in der Mitte wie eine Nabe, die sich im Umdrehen überall hinschickt, und die Räder gebären immer dieselben Naben, und die Nabe gebiert immer in allen sieben Rädern die Speichen, und doch verginge auch kein Rad, sowie auch keine Nabe, Felge oder Speiche. So hätte dieses Rad sieben Räder und wäre doch nur ein Rad, und ginge immer voran, wo es der Wind hintriebe.

13.73. Nun siehe: Die sieben Räder ineinander, von denen eines immer das andere gebiert, und die nach allen Seiten gehen, ohne daß eines vergeht oder sich umkehrt, das sind die sieben Quellgeister Gottes des Vaters. Die gebären in den sieben Rädern in jedem Rad eine Nabe, und doch sind es nicht sieben Naben, sondern nur eine, die sich in alle sieben Räder schickt.

13.74. Und das ist das Herz oder der innerste Körper der Räder, darin die Räder umlaufen. Und das bedeutet den Sohn Gottes, den alle sieben Geister des göttlichen Vaters in ihrem Umkreis immer gebären. Und er ist der Sohn aller sieben Geister, und sie qualifizieren alle in seinem Licht, und er ist inmitten der Geburt und erhält alle sieben Geister Gottes, die sich in ihrer Geburt mit ihm entsprechend herumdrehen.

13.75. Das heißt, sie gehen nun über, unter, hinter oder vor ihm oder auch quer. So ist das Herz Gottes immer in der Mitte und schickt sich immer zu jedem Quellgeist. Entsprechend ist es nur ein Herz Gottes und nicht sieben, das von allen sieben Geistern immer geboren wird, und es ist das Herz und Leben aller sieben Geister.

13.76. Die Speichen, die von der Nabe und den Rädern immer geboren werden, und sich im Herumdrehen doch in alle Räder schicken, sowie in ihr Wurzel, ihre Halterung oder Einpflockung, darin sie stehen und daraus sie geboren werden, die bedeuten Gott den Heiligen Geist, der vom Vater und Sohn ausgeht, gleichwie die Speichen von der Nabe und dem Rad (bzw. der Felge) ausgehen, und doch auch im Rad bleiben.

13.77. Und wie es viele Speichen gibt, die im Rad immer mit umgehen, so ist der Heilige Geist der Werkmeister im Rad Gottes und formt und bildet alles im ganzen Gott.

13.78. So hat nun das Rad sieben Räder ineinander und eine Nabe, die sich in alle sieben Räder schickt, und alle sieben Räder hängen an der einen Nabe. In gleicher Weise ist Gott ein Einiger Gott mit sieben Quellgeistern ineinander, von denen immer einer den anderen gebiert, aber es ist doch nur ein Gott, gleichwie alle sieben Räder ein Rad sind.

13.79. Hier erkenne: Das Rad in seinem zusammenverkörperten Bau bedeutet die herbe Qualität. Die zieht das ganze körperliche Wesen der Gottheit zusammen und erhält und vertrocknet es, so daß es besteht. Und das süße Quellwasser wird vom Umtreiben oder Aufsteigen der Geister geboren. Denn wenn sich das Licht in der Hitze gebiert, dann erschrickt die herbe Qualität vor großer Freude. Und das ist wie ein Niederlegen oder Dünnwerden, und so sinkt das harte körperliche Wesen wie eine Sanftmut nieder.

13.80. Dieser Schreck im Anblick des Lichtes steigt nun in der herben Qualität fein sanft und zitternd auf und zittert. Dann wird er im Wasser bitter, und das Licht vertrocknet ihn und macht ihn freundlich und süß.

13.81. Darin steht nun das Leben und die Freude, denn der Schreck oder Blitz steigt nun in allen Qualitäten auf, wie sich das oben beschriebene Rad herumdreht. Da steigen alle sieben Geister ineinander auf und gebären sich wie in einem Kreis. Und das Licht wird mitten in den sieben Geistern scheinend und scheint wiederum in alle sieben Geister. Und darin triumphieren alle Geister und freuen sich im Licht.

(Hinweis: Hier ahnt man, wie schwer es ist, eine ganzheitliche Sicht mit gegensätzlichen Begriffen oder Symbolen darzustellen, die nebeneinanderstehen sollen. Das Gleichnis dieses Rades wurde bereits im Kapitel 3, §10 angesprochen und bezieht sich auf eine Vision des Propheten Hesekiel (Hes. 1.15) mit vier Mensch-Tier-Engel-Wesen und vier Rädern, die vermutlich das Spiel der vier Elemente mit den dazugehörigen lebendigen und bewußten Wesen symbolisieren. Böhme beschreibt hier ein ähnliches Rad, das im Titelbild zur Ausgabe von 1682 in dieser Form dargestellt wurde:

Ins Zweidimensionale abgebildet könnte man sich aus geistiger Sicht auch folgendes Ringsystem vorstellen:

Aus körperlicher bzw. materieller Sicht würde sich im Bild alles umkehren, die körperliche Außenwelt wäre außen und Gott wäre der dimensionslose Punkt im Inneren. Die gegensätzlichen Bewegungen müßte man sich nun räumlich vorstellen, ähnlich dem gegensätzlichen Spiel der Spitzen der Dreiecke bzw. des Sterns, wie bereits im Bild von Kapitel 11, §83 dargestellt wurde. Und je nachdem, welche Bewegungen vorherrschend sind, dahin rollt die ganze Kugel. Dafür müssen sich die Speichen zur Nabe natürlich durchdringen und durchwirken, und dieses ganzheitliche Spiel der Kräfte beschreibt Böhme in seinem ganzen Buch.

Ähnliche Ring- oder Rädersysteme findet man übrigens auch in den uralten vedischen Puranas, um die sieben natürlichen Prinzipien darzustellen, die dort ebenfalls ineinander entstehen und bestehen. In ihrer Mitte befindet sich auch unsere Erdenwelt, die alle Prinzipien in sich vereint, so daß sich hier alles durchdringt. Siehe zum Beispiel Vayu-Purana 1.4 oder Bhagavatam-Purana 2.5, 3.26.)

13.82. Gleichwie die sieben Räder an der gemeinsamen Nabe umgehen, wie an ihrem Herzen, das sie hält, so halten sie auch die Nabe. Entsprechend gebären die sieben Geister das Herz, und das Herz hält die sieben Geister. Und hier gehen überall die Stimmen und das göttliche Freudenreich auf, ein herzliches Lieben und Küssen.

13.83. Denn wenn die Geister mit ihrem Licht ineinander wallen, sich umdrehen und aufsteigen, dann wird immerfort das Leben geboren, denn ein Geist gibt immer dem anderen seinen Geschmack, das heißt, er infiziert sich mit dem anderen.

13.84. So kostet einer den anderen und fühlt den anderen. Und der Schall oder Ton dringt von allen sieben Geistern zum Herzen und steigt im Herzen mit dem Blitz des Lichtes (im Bewußtsein) auf. Damit gehen die Stimmen und das Freudenreich des Sohnes Gottes auf, und alle sieben Geister triumphieren und freuen sich im Herzen Gottes, ein jeder nach seiner Qualität.

13.85. Denn im Licht wird im süßen Wasser alle Herbigkeit, Härtigkeit, Bitterkeit und Hitze besänftigt und lieblich, und in den sieben Geistern ist nichts, als ein liebliches Ringen und wunderliches Gebären, wie ein heiliges Spiel Gottes.

13.86. Ihre scharfe Geburt aber, davon ich oben geschrieben habe, die bleibt wie ein Kern verborgen, denn sie wird vom Licht und süßen Wasser besänftigt.

13.87. Gleichwie ein saurer und bitterer grüner Apfel von der Sonne gezwungen wird, damit er fein lieblich zu essen ist, und man doch alle seine Qualitäten schmeckt, so behält auch die Gottheit ihre Qualitäten, aber sie ringen fein sanft wie ein liebliches Spiel.

13.88. Wenn sich aber die Quellgeister erheben und geschwind ineinander durchdringen und sich hart reiben und quetschen würden, dann quetschte sich das süße Wasser aus und zündete sich die grimmige Hitze an. Auf diese Weise würde das Feuer aller sieben Geister aufgehen wie in Luzifer.

13.89. Das ist nun die wahrhaftige Geburt der Gottheit, die seit Ewigkeit an allen Enden so gewesen ist und in alle Ewigkeit so bleibt. Aber im Reich von Luzifer, dem Verderber, hat es eine andere Gestaltung, nämlich wie ich oben von der Grimmigkeit geschrieben habe. Und in dieser Welt, welche jetzt auch halb angezündet ist, hat es auch eine andere Gestaltung, und zwar bis zum Tag der Wiederbringung. Davon will ich bei der Schöpfung dieser Welt noch schreiben.

13.90. Nun, in diesem herrlichen, lieblichen und himmlischen Salpeter oder göttlichen Qualitäten wurde auch das Königreich Luzifers geschaffen, ohne eine größere Bewegung als die anderen. Denn als Luzifer geschaffen war, da stand er ganz vollkommen und war der schönste Fürst im Himmel, geschmückt und angetan mit der schönsten Klarheit des Sohnes Gottes.

13.91. Wenn aber Luzifer in der Bewegung der Schöpfung bereits verdorben gewesen wäre, wie er vorgibt, dann hätte er seine Vollkommenheit, Schönheit und Klarheit niemals gehabt, sondern wäre sogleich ein grimmiger finsterer Teufel geworden und kein Cherub.

Von der herrlichen Geburt und Schönheit des Königs Luzifer

13.92. Siehe, du Mord- und Lügengeist, hier will ich deine königliche Geburt beschreiben, wie du in deiner Erschaffung geworden bist, wie dich Gott erschaffen hat, wie du so schön geworden bist und mit welchem Ziel dich Gott erschaffen hat.

13.93. Wenn du etwas anderes sagst, dann lügst du. Denn es zeugen Himmel und Erde sowie alle Kreaturen, ja die ganze Gottheit gegen dich (und sagen), daß dich Gott aus sich selbst zu seinem Lob erschaffen hat, und zwar zu einem Fürsten und König Gottes, wie die Fürsten Michael und Uriel.

13.94. Nun erkenne: Als sich die Gottheit zur Schöpfung bewegte, um die Kreaturen in ihrem Körper zu bilden, da hat sie nicht die Quellgeister angezündet, sonst würden sie wohl ewig brennen, sondern sie hat sich ganz sanft in der herben Qualität bewegt. Diese hat den göttlichen Salpeter zusammengezogen und vertrocknet, so daß es ein Körper wurde, und die ganze göttliche Kraft aller sieben Quellgeister des Ortes oder Raumes, soweit der Engel begriffen ist, wurde im Körper gefangen und zum Eigentum des Körpers, welches in Ewigkeit nicht wieder zerstört werden kann oder soll, sondern in Ewigkeit des Körpers Eigentum bleiben soll.

13.95. So hatte nun diese gefangene oder zusammenverkörperte Kraft aller sieben Quellgeister im Körper ihr Eigentum und ist im Körper aufgestiegen und hat sich nach Art und Weise geboren, wie sich die ganze Gottheit aller sieben Quellgeister gebiert.

13.96. Dabei hat immer eine Qualität die andere geboren, und doch ist auch keine vergangen wie im ganzen Gott. Damit hat sich der ganze Körper gleichzeitig auch in der Dreiheit geboren, gleichwie sich die Gottheit außerhalb des Körpers in der Dreiheit gebiert.

13.97. Hier muß ich aber erklären, daß Luzifer als König aus seinem ganzen Königreich zusammenverkörpert wurde, wie das Herz des ganzen Ortes oder Raumes, soweit sein ganzes englisches Heer geschaffen worden war und soweit das Reich reichte, in welchem er mit seinen Engeln zur Kreatur wurde, und wie es Gott vor der Zeit der Schöpfung als Raum des Königreichs in sich beschlossen hatte.

13.98. Dieses Reich umfaßt den erschaffenen Himmel und diese Welt, sowie die Tiefe (bzw. der Luftraum) der Erde und den ganzen Kreis (der Planeten und Sterne).

13.99. Entsprechend den Qualitäten wurden auch seine Quellfürsten geschaffen, die nun seine königlichen Räte sind, sowie alle seine Engel. Doch du sollst wissen, daß zwar ein jeder Engel alle sieben Geister in sich hat, aber einer unter den sieben ist vorherrschend.

13.100. Nun siehe: Als König Luzifer als ein Begreifender seines ganzen Königreichs so zusammenverkörpert wurde, da geschah alsbald zur selben Stunde und im selben Augenblick der Verkörperung auch die Geburt der Heiligen Dreifaltigkeit Gottes und hat sich wie außerhalb der Kreatur in Gott geboren.

13.101. Denn im Zusammentreiben des Körpers ist sogleich auch diese Geburt mit großem Triumph wie für einen neugeborenen König in Gott aufgestiegen, und alle sieben Quellgeister haben sich ganz freudenreich und triumphierend gezeigt. Und in demselben Augenblick war sogleich das Licht aus den sieben Geistern im Zentrum des Herzens geboren und aufgegangen wie ein neugeborener Sohn des Königs, welcher auch augenblicklich den Körper aller sieben Quellgeister aus dem Zentrum des Herzens verklärte (bzw. erleuchtete). Und von außen hat ihn das Licht des Sohnes Gottes verklärt.

13.102. Denn die Geburt des neuen Sohnes im Herzen Luzifers ist durch den ganzen Körper gedrungen und ist vom Sohn Gottes, welcher außerhalb des Körpers gewesen war, glorifiziert und mit der größten Schönheit des Himmels nach der Schönheit des göttlichen Sohnes freundlich gesegnet worden. Und er ist ihm wie ein liebes Herz oder Eigentum gewesen, mit dem die ganze Gottheit inqualiert hatte.

13.103. So ging auch alsbald der Geist des neugeborenen Sohnes im Herzen vom Licht Luzifers durch seinen Mund aus, inqualierte mit dem Heiligen Geist Gottes und wurde mit höchster Freude empfangen wie ein liebes Brüderlein.

13.104. Da steht nun die schöne Braut. Was soll ich von ihr schreiben? Ist sie nicht ein Fürst Gottes gewesen, dazu der allerschönste, und in Gottes Liebe wie ein lieber Sohn der Kreaturen?

Vom schrecklichen, überheblich stolzen und nunmehr kläglichen Anfang der Sünde, die höchste Tiefe

13.105. Hier erkenne: Als nun König Luzifer so schön, herrlich, hoch und heilig geschaffen war, sollt er anfangen, Gott seinen Schöpfer zu loben, zu preisen und zu ehren, und sollte das tun, was Gott sein Schöpfer tat.

13.106. Denn Gott sein Schöpfer qualifizierte fein sanft, lieblich und freudenreich, denn in Gott liebt ein Quellgeist immer den anderen und infiziert sich mit dem anderen und hilft dem anderen in der himmlischen Pracht, immer zu bilden und zu formen.

13.107. Dadurch gehen in der himmlischen Pracht immer schöne Bildungen und Gewächse auf, dazu vielerlei Farben und Früchte. Das bewirken die Quellgeister Gottes, und das ist in Gott wie ein heiliges Spiel.

13.108. Doch siehe: Als nun Gott ewige Kreaturen aus sich selbst zusammenverkörpert hatte, so sollten diese in der himmlischen Pracht nicht auf solche Weise qualifizieren, wie Gott selbst. Nein, denn dazu waren sie nicht gebildet worden. Denn der Schöpfer hatte den Leib eines Engels aus den Ursachen trockener zusammenverkörpert als er in seiner Gottheit war und blieb, damit die Qualitäten härter und derber werden sollten, auf daß der Ton oder Schall hörbar werden konnte. Wenn also die sieben Qualitäten im Engel im Zentrum des Herzens das Licht und den Geist oder Verstand gebären, dann sollte dieser Geist, der im Licht des Herzens zum Mund des Engels in die göttliche Kraft herausfährt, als ein hörbarer Schall in der Kraft aller Qualitäten Gottes wie eine liebliche Musik singen und klingen und in der Bildung oder Qualifizierung Gottes wie eine liebliche und herzlich liebende Stimme in der Gestaltung Gottes aufgehen.

13.109. Wenn der Heilige Geist die himmlische Frucht bildet, dann sollte der Ton, der im Lob Gottes aus den Engeln aufgehen sollte, mit in der Bildung der Frucht sein, und diese Frucht sollte wiederum eine Speise der Engel sein.

13.110. Darum beten wir auch im Vaterunser: »Gib uns unser tägliches Brot. (Matth. 6.11)« Denn dieser Ton oder das Wort „Gib“, das wir aus unserem Zentrum des Lichtes durch den Seelengeist aus dem Mund von uns in die göttliche Kraft stoßen, soll in der göttlichen Kraft als eine Mitformung oder Mitgebärung helfen, unser tägliches Brot zu bilden, welches uns danach der Vater zur Speise gibt.

13.111. Und wenn dann also unser Ton in Gottes Ton verkörpert wird und die Frucht entsprechend gebildet wird, dann muß es uns ja heilsam sein. Denn wir sind in Gottes Liebe und können die Speise aus Naturrecht gebrauchen, weil unser Geist in Gottes Liebe geholfen hat, sie zu bilden und zu formen. Hierin steckt die innerste und größte Tiefe Gottes. Oh Mensch, bedenke dich! An seinem Ort will ich es noch ausführlicher erklären.

13.112. Mit diesem Ziel hat nun Gott die Engel geschaffen, und entsprechend handeln sie auch. Denn ihr Geist, der im Zentrum oder Herzen aus ihrem Licht durch die Kraft aller sieben Quellgeister aufgeht, der geht zu ihrem Mund heraus, wie Gottes Heiliger Geist vom Vater und Sohn. Und er hilft in Gott, das heißt, in der göttlichen Natur, durch den Mercurius und Gesang sowie das Reden und das Freudenspiel alles zu formen und zu bilden.

13.113. Denn wie Gott in der Natur allerlei Formen, Bildungen, Gewächse, Früchte und Farben wirkt, so wirken auch die Engel ganz einfältig. Und wenn sie auch nicht auf einem Steckenpferd reiten oder sich der schönen Blumen im himmlischen Mai erfreuen (wie die irdischen Kinder), um davon ganz einfältig zu reden, dann steigt dennoch dieser Ton oder diese Rede im göttlichen Salpeter mit auf und hilft mit bilden und formen.

13.114. Dessen hast du auch viele Beispiele in dieser Welt, daß wenn manche Kreatur oder mancher Mensch nur etwas ansieht, dann verdirbt es schon, wegen dem Gift in den Kreaturen. Dagegen können manche Menschen sowie auch Tiere und Kreaturen mit ihrem Ton oder ihren Worten die Bosheit an einem Ding auch verändern und in eine richtige Form bringen.

13.115. Das ist nun die göttliche Kraft, der alle Kreaturen unterworfen sind. Denn alles, was da lebt und schwebt, das ist in Gott, und Gott selbst ist alles, und alles, was gebildet ist, das ist aus ihm gebildet, sei es aus Liebe oder Zorn.

Die Quellader der Sünde

13.116. Als nun Luzifer so königlich gebildet war, daß sein Geist in seiner Formierung oder Bildung in ihm aufstieg und von Gott gar schön und lieblich empfangen und in die Glorifizierung gesetzt wurde, da sollte er nun augenblicklich seinen englischen Gehorsam und Lauf beginnen, und sollte in Gott wallen, wie Gott selbst es täte, als ein lieber Sohn im Haus des Vaters. Aber das tat er nicht.

13.117. Sondern als sein Licht in seinem Herzen geboren war und seine Quellgeister urplötzlich mit dem hohen Licht infiziert oder umfangen wurden, da wurden sie so hoch erfreut, daß sie sich in ihrem Leib über das Naturrecht erhoben und sogleich eine höhere, stolzere und prächtigere Qualifizierung begannen als Gott selbst.

13.118. Indem sich aber die Geister so erhoben und so heftig ineinander triumphierten und über das Naturrecht aufstiegen, dadurch entzündeten sich die Quellgeister so sehr, daß die herbe Qualität den Körper zu hart zusammenzog und das süße Wasser vertrocknete.

13.119. Und der gewaltige und große helle Blitz, der im süßen Wasser in der Hitze aufgegangen war, davon die bittere Qualität im süßen Wasser entsteht, der rieb sich schrecklich hart mit der herben Qualität, als wollt er sie vor großer Freude zersprengen.

13.120. Denn der Blitz war so hell, daß er den Quellgeistern gleichsam unerträglich war. Darum zitterte und rieb sich die bittere Qualität so hart an der herben, daß die Hitze über das Naturrecht hinaus angezündet wurde. Und auch die herbe Qualität vertrocknete das süße Wasser durch ihre harte Zusammenziehung.

13.121. So war nun die Qualität der Hitze so streng und eifrig, daß sie der herben Qualität ihre Macht nahm, denn die Hitze entsteht im Quellbrunnen des süßen Wassers.

13.122. Weil aber das süße Wasser durch die herbe Zusammenziehung vertrocknet war, konnte nun die Hitze zu keiner Flamme und zu keinem Licht mehr kommen (denn das Feuer-Licht entsteht in der Fettigkeit des Wassers), sondern sie glomm wie ein angezündetes hitziges Eisen, das noch nicht recht glühend, sondern ganz dunkel ist. Oder als würdest du einen sehr harten Stein ins Feuer werfen und ließest ihn in der großen Hitze liegen, wie lange du wolltest, so würde er doch nicht glühend (oder brennend), was daran liegt, daß er zu wenig Wasser hat.

13.123. So zündete nun die Hitze das vertrocknete Wasser an, und das Licht konnte sich nicht mehr erheben und anzünden, denn das Wasser war vertrocknet und wurde vom Feuer und der großen Hitze vollends verzehrt.

13.124. Das heißt aber nicht, daß darum der Geist des Wassers aufgefressen worden war, welcher in allen sieben Qualitäten wohnt, sondern seine Qualität oder Oberquelle wurde in eine dunkle, hitzige und saure Qualität verwandelt.

13.125. Und hier an diesem Ort hat die saure Qualität ihren ersten Ursprung und Anfang genommen, welche dann auch auf diese Welt vererbt wurde, und auf solche Weise im Himmel in Gott gar nicht ist und auch in keinem Engel. Denn sie ist und bedeutet das Haus der Trübsal und des Elendes, ein Vergessen des Guten.

13.126. Als dies nun geschah, da rieben sich die Quellgeister ineinander nach Art und Weise, wie ich es oben beim Gleichnis des siebenfachen Rades erklärt habe. Denn so pflegen sie ineinander aufzusteigen und einander zu kosten oder sich miteinander zu infizieren, davon das Leben und die Liebe entstehen.

13.127. So war nun in allen Geistern nichts, als nur hitzige, feurige, kalte und harte Verderbnis. Da kostete ein böser Quell den anderen, und davon wurde der ganze Körper so grimmig, denn die Hitze kämpfte gegen die Kälte und die Kälte gegen die Hitze.

13.128. Weil nun das süße Wasser vertrocknet war, so fuhr die bittere Qualität, die vom ersten Blitz entstanden und geboren wurde, als sich das Licht anzündete, im Körper durch alle Geister auf, als wollte sie den Leib zerstören, und wütete und tobte wie das ärgste Gift.

13.129. Und davon ist das erste Gift entstanden, daran wir armen Menschen nun in dieser Welt zu kauen haben und dadurch der bittere giftige Tod ins Fleisch gekommen ist.

13.130. Auf diese Weise wurde nun in diesem Wüten und Reißen das Leben in Luzifer geboren, und das ist sein liebes Söhnlein im Kreis des Herzens. Was das nun für ein Leben oder liebes Söhnlein gewesen sei, das gebe ich einer vernünftigen Seele zu bedenken.

13.131. Denn wie der Vater war, so wurde nun auch sein Sohn, nämlich ein finsterer, herber, kalter, (harter, bitterer, hitziger, saurer) und stinkender Quellbrunnen, und die Liebe stand in ihrem Durchdringen und Schmecken in der bitteren Qualität, und diese wurde eine Feindschaft aller Quellgeister im Leib des hochmütigen Königs.

13.132. So stieg nun der Ton durch das Durchdringen der bitteren Qualität durch die Hitze und das vertrocknete Wasser sowie die herbe und harte Qualität in das Herz, in das liebe neue Söhnchen.

13.133. Und hier ging nun der Geist aus. Wie er im Herzen geboren war, so ging er nun zum Mund heraus. Was er aber für ein willkommener Gast vor Gott und in Gott gewesen war, sowie auch vor den heiligen Engeln der anderen Königreiche, das gebe ich dir zu bedenken. Er sollte doch mit dem Sohn Gottes inqualieren wie ein Herz und ein Gott. Ach und ewig Ach, wer könnte darüber genügend schreiben oder reden!


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