Aurora oder Morgenröte im Aufgang

(Text von Jacob Böhme von 1612, deutsche Überarbeitung 2021)

10. Kapitel - Die sechste Qualität des göttlichen Schalls

Vom sechsten Quellgeist in der göttlichen Kraft.

10.1. Der sechste Quellgeist in der göttlichen Kraft ist der Schall oder Ton, so daß alles darin erschallt und ertönt, daraus die Sprache und Unterscheidung aller Dinge folgt, dazu der Klang und Gesang der heiligen Engel. Und so besteht darin die Formung aller Farben und Schönheit und dazu das himmlische Freudenreich.

10.2. Nun fragst du vielleicht: „Was ist der Ton und Schall? Wie nimmt dieser Geist seinen Quell und Ursprung?“ Hier erkenne: Es werden alle sieben Geister Gottes ineinander geboren, denn einer gebiert immer den anderen. Es ist keiner der erste und auch keiner der letzte, denn der letzte gebiert sowohl den ersten, wie der erste den zweiten, dritten, vierten und so weiter bis zum letzten.

10.3. Daß aber einer der Erste, Zweite und so weiter genannt wird, das kommt von der Betrachtungsweise, welcher als Erster bei der Formung und Bildung einer Kreatur erscheint. Denn sie sind alle sieben gleichewig, und keiner hat einen Anfang und ein Ende. Und daraus, daß in den sieben Qualitäten immer eine die andere gebiert und keine ohne der anderen besteht, folgt, daß da ein einiger, ewiger und allmächtiger Gott ist.

10.4. Denn wenn etwas aus und im göttlichen Wesen geboren wird, dann wird dasselbe nicht durch einen Geist allein formiert, sondern durch alle sieben. Und wenn sich eine Kreatur, die im Grunde wie das ganze Wesen Gottes ist, in einem Quellgeist verdirbt, erhebt und anzündet, dann zündet sie nicht nur einen Geist an, sondern alle sieben.

10.5. Dadurch wird diese Kreatur ein Ekel vor dem ganzheitlichen Gott und allen seinen Kreaturen und muß in ewiger Feindschaft und Schande vor Gott und allen Kreaturen stehen.

10.6. Nun erkenne: Der Ton oder Mercurius nimmt seinen Ursprung in der ersten, das heißt, in der herben und harten Qualität.

10.7. Und erkenne in der Tiefe: Die Härtigkeit ist der Quellbrunn des Tones. Sie kann ihn aber allein nicht gebären, sondern ist der Vater dazu, und der ganze Salpeter (bzw. Kristallisationsprozeß) ist die Mutter. Denn wenn die Härtigkeit allein Vater und auch Mutter des Tones wäre, dann müßte ein harter Stein auch (von selbst) erklingen. Doch er schallt und pocht nur, wie ein Samen oder Anfang des Tones, und das ist er auch gewiß.

10.8. Der Klang oder die Stimme steigt aber im mittleren Zentrum im Blitz auf, wo das Licht aus der Hitze geboren wird und der Blitz des Lebens aufgeht.

10.9. Erkenne, wie dies geschieht: Wenn sich die herbe Qualität mit der bitteren reibt, so daß im süßen Quellwasser die Hitze entsteht, dann zündet die Hitze das süße Quellwasser wie ein Blitz an, und dieser Blitz ist das Licht (des Bewußtseins). Der fährt in der Hitze in die bittere Qualität, wo der Blitz nach allen Kräften unterschieden wird.

10.10. Denn in der bitteren Qualität werden alle Kräfte unterschieden, und die bittere empfängt den Blitz des Lichtes, als ob sie grausam erschrickt, und fährt mit ihrem Zittern und Erschrecken in die herbe und harte Qualität, wo sie körperlich gefangen wird. Und die bittere Qualität ist nun des Lichtes schwanger und zittert in der herben und harten Qualität, und regt (bzw. bewegt) sich darin, aber ist in der herben Qualität wie in einem Körper gefangen.

10.11. Und wenn sich nun die Geister bewegen und reden wollen, dann muß sich die harte Qualität auftun, denn der bittere Geist sprengt sie mit seinem Blitz auf, und dann kommt der Ton heraus und ist mit allen sieben Geistern schwanger. Diese unterscheiden das Wort, wie es im Zentrum, das im mittleren Kreis ist, wo es noch im Rat der sieben Geister war, beschlossen wurde.

10.12. Und darum haben die sieben Geister Gottes den Kreaturen einen Mund geschaffen, damit sie sich nicht erst zerreißen müssen, wenn sie reden oder schallen wollen. Und darum gehen auch alle Adern und Kräfte oder Quellgeister in die Zunge, so daß der Schall oder Ton fein sanft herausgeht.

10.13. Hier erkenne den wesentlichen Sinn und das Geheimnis: Wenn der Blitz in der Hitze aufgeht, dann fängt ihn zuerst das süße Wasser, denn darin wird er scheinend. Wenn nun das Wasser den Blitz fängt, was die Geburt des Lichtes ist, dann erschrickt es. Und weil es so dünn und weich ist, so weicht es ganz zitternd aus, denn in diesem Licht steigt auch die Hitze auf.

10.14. Wenn nun die herbe Qualität, die da ganz kalt ist, die Hitze und den Blitz fängt, dann erschrickt sie, als wenn es wetterleuchtet. Denn wenn die Hitze mit dem Licht in die harte Kälte kommt, dann gibt es einen grimmigen Blitz, ganz aus Feuer- und Licht-Farbe. Dieser Blitz fährt zurück, und das süße Wasser fängt ihn und fährt in dieser Grimmigkeit auf. Und im Auffahren und Erschrecken verwandelt es sich in grüne oder himmelblaue Farbe und zittert wegen des grimmigen Blitzes. Doch der Blitz in sich selbst behält seine Grimmigkeit, davon die bittere Qualität oder der bittere Geist entsteht. Der fährt nun in der herben Qualität auf und entzündet die Härtigkeit mit seinem grimmigen Quell. Und das Licht oder der Blitz trocknet sich in der Härtigkeit und scheint hell, viel lichter als der Sonne Glanz.

10.15. Es wird aber in der harten Qualität gefangen, so daß es körperlicherweise besteht, und muß ewig so leuchten. Und der Blitz zittert im Körper wie ein grimmiges Aufsteigen, mit dem immer und ewiglich alle Qualitäten angeregt werden. Und der Blitz des Feuers im Licht zittert und triumphiert immer so. Und das süße Wasser besänftigt es immer so. Und die Härtigkeit ist immer der Leib, der es behält und austrocknet. Und dieses Regen in der Härtigkeit ist der Ton, so daß es schallt. Und das Licht oder der Blitz macht den Klang (bewußt). Und das süße Wasser macht den Klang sanft, so daß man ihn zum Unterschied der Rede gebrauchen kann.

10.16. Hier erkenne die Geburt der bitteren Qualität noch besser: Der Ursprung der bitteren Qualität ist, wenn der Blitz des Lebens in der Hitze in die herbe Qualität aufgeht. Und wenn dann der Blitz des Feuers in Vermischung des Wassers in die herbe Qualität kommt, dann empfängt der Geist des feurigen Blitzes den herben und harten Geist. Und das beides zusammen ist ein eifriger, strenger und grimmiger Quell, der da wütet und streng reißt, gleich einer feurigen und strengen Grimmigkeit. Ich kann es mit nichts vergleichen, als nur mit einem Donnerschlag, nachdem zuvor das grimmige Feuer herniederfahren ist, daß einem das Hören und Sehen vergeht. Ähnlich grimmig ist das Feuer in der Verbindung dieser beiden.

10.17. Nun erkenne: Wenn dieser Feuergeist und der herbe Geist sich miteinander würgen, dann bewirkt der herbe eine gestrenge, harte und kalte Herbigkeit und der feurige eine schreckliche und grimmige Hitzigkeit. Damit bewirkt das Aufsteigen der Hitze und der Herbigkeit einen zitternden, grimmigen und schrecklichen Geist, der da wütet und tobt, als wollte er die Gottheit zertrennen.

10.18. Du solltest dies aber wesentlich verstehen, denn dies geschieht so im Ursprung der Qualität in sich selbst. Aber mitten im Aufsteigen dieses grimmigen Geistes wird dieser Geist im süßen Wasser gefangen und besänftigt. Da wandelt sich sein grimmiger Quell in eine zitternde, bittere und grünliche Farbe gleich der grünlichen Dunkelheit, aber behält in sich die Art und Eigenschaft aller drei Qualitäten, nämlich der feurigen, herben und süßen, und so entsteht aus diesen dreien die vierte Qualität, nämlich die bittere.

10.19. Denn von der feurigen Qualität wird der Geist zitternd und hitzig. Von der herben wird er streng, herb, hart und körperlich, so daß es ein Geist ist, der immer besteht. Und von der süßen wird er sanft, und die Grimmigkeit verwandelt sich in eine sanfte Bitterkeit. Der steht nun im Quellbrunnen der sieben Geister Gottes und hilft immer, die anderen sechs Geister zu gebären.

10.20. Verstehe dies recht: Er gebiert sowohl seinen Vater und seine Mutter, wie ihn sein Vater und seine Mutter gebiert. Denn nachdem er körperlich geboren wurde, gebiert er nun mit der herben Qualität immer wieder das Feuer. Und das Feuer gebiert das Licht, und das Licht ist der Blitz (des Bewußtseins). Das gebiert immer wieder das Leben in allen Quellgeistern, davon die Geister das Leben haben und immer einer den anderen wiedergebiert.

10.21. Hier sollst du aber wissen, daß nicht ein Geist allein einen anderen gebären kann, auch ihrer zwei können es nicht tun, sondern die Geburt eines Geistes besteht in der Wirkung aller sieben Geister, so daß immer sechs den siebenten gebären, und wenn einer nicht wäre, dann wäre auch der andere nicht.

10.22. Daß ich hier aber bisweilen nur zwei oder drei zur Geburt eines Geistes benenne, das geschieht wegen meiner eigenen Schwachheit, denn ich kann sie in meinem verdorbenen Gehirn nicht alle sieben auf einmal in ihrer Vollkommenheit tragen. Ich sehe sie wohl alle sieben, aber wenn ich über sie spekuliere, dann steigt der Geist im mittleren Quellbrunnen auf, wo sich der Geist des Lebens gebiert. Dieser steigt nun über oder unter sich und kann die Geister Gottes nicht alle sieben mit einem Gedanken auf einmal begreifen, sondern nur stückweise.

10.23. Denn ein jeder Geist hat seinen eigenen Quell, auch wenn er von den anderen geboren wurde. So ist auch die (gedankliche) Begreiflichkeit des Menschen. Er hat wohl den Quellbrunnen aller sieben Geister in sich, aber in welchem Quell der Geist aufsteigt, dessen Quellgeister, darin dieser Geist am stärksten gebildet wird, begreifen in diesem Aufsteigen am schärfsten. Denn auch in der göttlichen Kraft durchfährt ein Geist in seinem Aufsteigen nicht auf einmal alle sieben Geister zugleich. Wenn er aufsteigt, dann erregt er sie zwar alle sieben auf einmal, aber er wird in seinem Aufsteigen gefangen, so daß er seine Pracht ablegen muß und nicht über alle sieben triumphieren kann. (Das ist das Wesen der Sinne und Gedanken: Wenn so ein Gedanke durch das Zentrum der Natur und alle Gestaltungen hindurchgehen könnte, dann wäre er vom Band der Natur frei.)

10.24. So ist es auch im Menschen: Wenn ein Quellgeist aufsteigt, dann erregt er die anderen alle und sieht die anderen alle, denn er steigt im mittleren Quellbrunnen des Herzens auf, wo sich in der Hitze der Blitz des Lichtes anzündet, darin der Geist in seinem Aufsteigen in diesem Blitz durch alle Geister sieht. Das ist aber in unserem verdorbenen Fleisch nur wie ein Wetterleuchten. Denn wenn ich den Blitz, den ich gar wohl sehe und erkenne, wie er ist, in meinem Fleisch wahrhaft ergreifen könnte, dann würde ich damit meinen Leib verklären (bzw. erleuchten). Und dann würde er nicht mehr dem tierischen Leib ähnlich sehen, sondern den Engeln Gottes.

10.25. Aber höre, Fritz, warte noch eine Weile und gib (dann beruhigt) den tierischen Leib den Würmern zur Speise. Wenn der ganzheitliche Gott die sieben Geister Gottes in der verdorbenen Erde anzünden wird, dann wird dieser Salpeter, den du in die Erde säst, des Feuers nicht mehr fähig sein, und dann werden deine Quellgeister in deinem Von-Hinnen-Abscheiden in diesem Salpeter, den du gesät hast, wieder aufgehen und darin triumphieren und wieder ein (englischer) Körper werden. Welcher aber des angezündeten Feuers der sieben Geister Gottes fähig sein wird, der wird darin bleiben, und seine Quellgeister werden in höllischer Qual aufsteigen, welches ich an passender Stelle noch klar beweisen will.

10.26. Ich kann dir nicht die ganze Gottheit in einem Kreis beschreiben, denn sie ist unermeßlich, aber dem Geist, der in Gottes Liebe ist, nicht unbegreiflich. Er begreift es wohl, aber nur stückweise. Darum fasse eins nach dem anderen, dann wirst du das Ganze sehen. In dieser Verderbnis können wir nicht höher, als mit einer solchen Offenbarung. Und so erschließt sich auch diese Welt nicht höher, sowohl ihr Anfang als auch das Ende.

10.27. Ich habe viele Schriften hoher Meister gelesen, in der Hoffnung den Grund und die rechte Tiefe darin zu finden. Aber ich habe nichts gefunden als einen halbtoten Geist, der sich um seine Gesundheit ängstigt, aber wegen seiner großen Schwachheit nicht zur vollkommenen Kraft kommen kann.

10.28. Also stehe ich noch wie ein ängstliches Weib in der Geburt, suche vollkommenen Labsal (zur Heilung) und finde nur den Geruch im Aufsteigen, darin der Geist prüft, was im wahren Labsal für Kraft steckt, und sich derweil in seiner Krankheit mit dem vollkommenen Geruch labt, bis der wahre Samariter (bzw. Heiler) kommen wird und ihm seine Wunden verbindet und heilt und ihn in die ewige Herberge führt. Dann wird er auch den vollkommenen Geschmack genießen.

10.29. Dieses Heilkraut, das ich hier meine, von dessen Geruch sich mein Geist labt, kennt nicht ein jeder Bauer, auch nicht ein jeder Doktor. Es ist wohl dem einem so unerkenntlich als dem anderen. Es wächst zwar in einem jeden Garten, aber in manchem ist es ganz verdorben und unheilsam, denn die Qualität des Ackers ist schuld daran. Darum kennt man es nicht. Selbst die Kinder (Gottes) kennen dieses Geheimnis kaum noch, obwohl diese Erkenntnis von der Welt her wirklich wertvoll gewesen war.

10.30. Auch wenn in manchem ein Quell aufgegangen war, so wuchs doch danach der überhebliche Stolz und hat alles verdorben. Denn er hat es in seiner Muttersprache nicht einfach beschreiben wollen und meinte, das sei zu kindisch, und er müsse sich in einer höheren Sprache sehen lassen, damit auch die Welt erkenne, daß er ein (hochgelehrter) Mann sei. So hat er es zu seinem Vorteil gleichsam verborgen gehalten und mit hochgelehrten fremden Namen (und Fremdwörtern) verkleistert, damit man es nicht erkennt. Eine solche Bestie ist des Teufels überheblicher Stolz.

10.31. Aber höre, du einfältige Mutter, die du alle Kinder zu dieser Welt gebärst, die sich danach in ihrem (überheblichen) Aufsteigen deiner schämen und dich verachten, obwohl sie doch deine Kinder sind, die du geboren hast. Zu dir spricht der Geist, der in den sieben Geistern Gottes aufsteigt und dein Vater ist: „Verzage nicht! Siehe, ich bin deine Stärke und deine Kraft! Ich will dir einen sanften Trank in deinem Alter einschenken.“

10.32. „Weil dich alle deine Kinder verachten, die du zwar geboren und in ihrer Kindheit gesäugt hast, aber dich in deinem hohen Alter nicht pflegen wollen, so will ich dich trösten und dir in deinem hohen Alter einen jungen Sohn geben, der in deinem Haus bleiben soll, solange du lebst, um dich zu pflegen und zu trösten gegen alles Wüten und Toben deiner stolzen Kinder.“

Nun erkenne hier weiter vom Mercurius, Ton oder Schall

10.33. Alle Qualitäten nehmen in der Mitte ihren anfänglichen Ursprung: So erkenne, wo das Feuer geboren wird, denn dort geht der Blitz des Lebens aller Qualitäten auf und wird im Wasser gefangen, so daß es leuchtend bleibt und in der Herbigkeit trocknet, damit er (der Blitz des Bewußtseins) körperlich bleibt und hell scheinend wird.

10.34. Hier erkenne: Zünde ein Holz an, dann wirst du das Geheimnis sehen. Denn das Feuer zündet sich in der Härtigkeit des Holzes an. Das ist nun der herbe und harte Quell, der Saturnus-Quell, der das Holz hart und derb macht. Hierin besteht aber nicht das Licht, das heißt, der Blitz in der Härtigkeit, sonst würde auch ein Stein brennen, sondern das Licht besteht im Saft des Holzes, das heißt, im Wasser (bzw. Kohlenwasserstoff). Solange dieser Saft im Holz ist, leuchtet das Feuer wie ein scheinendes Licht. Wenn aber der Saft im Holz verzehrt ist, dann verlischt das scheinende Licht, und das Holz wird eine glühende Kohle.

10.35. Nun siehe, die Grimmigkeit, die im Licht auffährt, besteht nicht im Wasser des Holzes, sondern wenn die Hitze in der Härtigkeit aufgeht, dann wird der Blitz geboren. Den fängt zuerst der Saft im Holz, und davon wird das Wasser scheinend (im Feuer). Doch die Grimmigkeit oder Bitterkeit wird inmitten der Härtigkeit und der Hitze im Blitz geboren, und darin besteht sie auch. Und soweit wie der Blitz reicht, das ist des Feuers Flamme, soweit reicht auch die grimmige Bitterkeit, die der Sohn der Härtigkeit und Hitze ist.

10.36. Dieses Geheimnis aber sollst du wissen, daß die Bitterkeit schon vorher im Holz war, sonst würde sich die grimmige Bitterkeit nicht so blitzartig im natürlichen Feuer gebären.

10.37. Denn wie sich der Körper des Feuers gebiert, wenn man Holz anzündet, auf solche Weise wird auch das Holz in der Erde und über der Erde geboren.

10.38. Wenn aber die Grimmigkeit im scheinenden Licht geboren würde, dann würde sie freilich auch soweit reichen wie der Glanz des Lichtes. Das geschieht aber so nicht. Denn der Blitz ist die Mutter des Lichtes, weil der Blitz das Licht aus sich gebiert, und er ist auch der Vater der Grimmigkeit, denn die Grimmigkeit bleibt im Blitz wie ein Samen im Vater, und dieser Blitz gebiert auch den Ton oder Schall.

10.39. Wenn er von der Härtigkeit und Hitze ausgeht, dann pocht die Härtigkeit im Blitz, und die Hitze klingt, und das Licht im Blitz macht den Klang hell, und das Wasser macht ihn sanft, und in der Herbigkeit oder Härtigkeit wird er gefangen und trocknet, so daß es ein körperlicher Geist in allen Qualitäten wird. Denn ein jeder Geist in den sieben Geistern Gottes ist von allen sieben Geistern schwanger, und alle ineinander sind wie ein Geist. Keiner besteht ohne den anderen, nur eine solche Geburt geschieht darin, und so gebiert einer den anderen in und durch sich selber. Und diese Geburt währt so von Ewigkeit zu Ewigkeit.

10.40. Hier will ich den Leser gewarnt haben, daß er die göttliche Geburt richtig betrachte: Du solltest nicht denken, daß ein Geist neben dem anderen steht, wie du die Sterne am Himmel nebeneinanderstehen siehst, sondern sie sind alle sieben ineinander wie ein Geist, wie du das in einem Menschen sehen kannst, der mancherlei Gedanken wegen der Wirkung der sieben Geister Gottes hat, die den menschlichen Körper zusammenhalten. Aber du mußt sagen, wenn du nicht töricht bist, daß ein jedes Glied im ganzen Körper die Kraft jedes anderen hat (bzw. aller Geister?).

10.41. In welcher Qualität du aber den Geist erweckst und qualifizierend machst, nach derselben Qualität steigen auch die Gedanken auf und regieren das Gemüt. Erweckst du den Geist im Feuer, dann quillt in dir der bittere und harte Zorn auf, denn sobald das Feuer angezündet wird, was in der Härtigkeit und Grimmigkeit geschieht, dann quillt die bittere Grimmigkeit im Blitz.

10.42. Denn wenn du dich in deinem Leib gegen etwas erhebst, sei es gegen Liebe oder Zorn, dann zündest du die Qualität von dem an, gegen das du dich erhoben hast, und das brennt in deinem zusammenverkörperten Geist. Derselbe Quellgeist wird auch im Blitz erweckt, denn wenn du etwa ansiehst, was dir nicht gefällt, weil es gegen dich ist, dann erhebst du den Brunnen des Herzens, als wenn du einen Stein nehmen und auf ein Feuereisen schlagen würdest, und wenn der Funke im Herzen fängt, dann zündet sich das Feuer an. Zuerst glimmt es nur, aber wenn du den Brunnen des Herzens noch mehr erhebst, dann ist es, als wenn du ins Feuer bläst, so daß sich die Flamme entzündet. Dann ist es Zeit, zu löschen, oder das Feuer wird zu groß, so daß es brennt und verzehrt und an seinem Nächsten Schaden verursacht.

10.43. Fragst du nun: „Wie kann man das angezündete Feuer löschen?“ Höre! Hast du das süße Quellwasser in dir, dann gieß es ins Feuer, so erlischt es. Läßt du es brennen, dann verzehrt es dir den Saft in allen sieben Quellgeistern, so daß du trocken wirst. Wenn das geschieht, dann bist du ein Höllenbrand und Schüreisen des höllischen Feuers, und es gibt ewig keine Hilfe für dich.

10.44. Wenn du aber etwas ansiehst, das du liebst, und du damit den Geist im Herzen erweckst, dann zündest du das Feuer im Herzen an. Das brennt zuerst im süßen Wasser wie eine glühende Kohle. Solange es nur glimmt, ist es nur eine sanfte Lust in dir und verzehrt dich nicht. Wenn du aber dein Herz noch mehr erhebst (im überheblichen Stolz) und den süßen Quell anzündest, so daß er eine brennende Flamme wird, dann zündest du alle Quellgeister an. Und dann brennt der ganze Leib und greift zu Mund und Händen.

10.45. Dieses Feuer ist das schädlichste, hat von der Welt her am meisten verdorben und ist sehr schwer zu löschen. Denn wenn es angezündet wird, dann brennt es im süßen Wasser, im Blitz des Lebens, und kann nur durch die Bitterkeit gelöscht werden, welches doch ein gar elendes (und leidvolles) Wasser ist, das mehr einem Feuer gleicht. Darum folgt auch ein trauriges Gemüt, wenn man das lassen soll, was im eigenen Liebefeuer im süßen Quellwasser brennt.

10.46. Doch du sollst wissen, daß du in deinem Regiment des Gemüts dein eigener Herr bist. Es geht dir in deinem Kreis des Leibes und Geistes kein Feuer auf, wenn du es nicht selber erweckst. Es ist zwar wahr, daß alle deine Geister in dir aufquellen und aufsteigen, aber natürlich hat ein Geist immer größere Macht und Kraft in dir als in anderen. Denn wenn in einem Menschen das Regiment der Geister wie im anderen wäre, dann hätten wir alle einen Willen und eine Gestaltung. Trotzdem sind sie alle sieben in der Gewalt deines zusammenverkörperten Geistes, der als Geist auch „Seele“ heißt.

10.47. Wenn sich nun ein Feuer in einem Quellgeist erhebt, dann bleibt es der Seele nicht verborgen. So kann sie alsbald die anderen Quellgeister aufwecken, die dem angezündeten Feuer entgegenstehen, um zu löschen. Will aber das Feuer zu groß werden, dafür hat sie ihr Gefängnis. Dort kann sie den angezündeten Geist einschließen, nämlich in die harte und herbe Qualität. Und die anderen Geister müssen ihre Gefängniswärter sein, bis ihm der Zorn vergeht und das Feuer erlischt.

10.48. Erkenne, was das bedeutet: Wenn dich ein Quellgeist zu hart zu einem Ding treibt, was gegen die Gesetze (bzw. Gebote) der Natur ist, dann mußt du deine Augen davon abwenden. Will das nicht helfen, dann nimm diesen Geist und wirf ihn ins Gefängnis. Das heißt, wende dein Herz von zeitlicher Wollust, vom Fressen und Saufen, sowie vom Reichtum dieser Welt ab und denke, daß heute der Tag ist, an dem dein Leib endet. Wende dich von aller Üppigkeit der Welt ab und rufe ernsthaft zu Gott und ergib dich ihm.

10.49. Wenn du das tust, dann spottet die Welt über dich und du mußt ihr Narr sein. Dieses Kreuz trage mit Geduld, und laß den gefangenen Geist nicht wieder aus dem Gefängnis. Vertraue Gott, denn er wird dir die Krone der göttlichen Freude aufsetzen.

10.50. Reißt dir aber der Geist aus dem Gefängnis aus, dann setze ihn immer wieder hinein. Halte ihn zurück, solange du lebst. Wenn du nur so viel gewinnst, daß er dir den Brunnquell des Herzens nicht völlig anzündet, so daß deine Seele ein dürres Feuerholz wird, sondern jeder Quell noch seinen Saft hat, wenn du von hinnen scheidest (und stirbst), dann wird dir das angezündete Feuer am Jüngsten Tag nicht schaden, und du wirst nach dieser ängstlichen Trübsal in der Auferstehung ein triumphierender Engel Gottes sein.

10.51. Nun könntest du fragen: „Ist dann in Gott auch ein Widerwille zwischen den Geistern Gottes?“ Nein, auch wenn ich hier gleichsam ihre Geburt entsprechend darstelle, wie die Geister Gottes so ernsthaft und streng geboren werden, damit ein jeder den großen Ernst Gottes auf rechte Weise verstehen mag. Aber daraus folgt nicht, daß zwischen ihnen eine Uneinigkeit sei.

10.52. Denn nur so geschieht die allerinnerlichste und tiefste Geburt im Kern, die keine Kreatur im Körper begreifen kann. Nur im Blitz (des Bewußtseins), in dem der verborgene Geist geboren wird, kann es ergriffen werden, weil auch dieser auf eine solche Weise und in solcher Kraft geboren wird.

10.53. Entsprechend wird auch mir die Pforte meines Gemüts eröffnet, so daß ich es sehen und erkennen kann, sonst würde es wohl auch bei mir bis zum Tag der Auferstehung von den Toten verborgen bleiben, wie es von der Welt her allen Menschen verborgen ist, aber ich lasse hier Gott walten.

10.54. Denn in Gott triumphieren alle Geister wie ein Geist. Und ein Geist besänftigt und liebt immer den anderen, und so ist nichts als nur Freude und Wonne. Aber ihre strenge (bzw. notwendige) Geburt, welche im Verborgenen geschieht, die muß so sein. Denn das Leben und die Vernunft sowie die Allwissenheit werden auf diese Weise geboren, und das ist eine ewige Geburt, die niemals anders geschieht.

10.55. Du solltest aber nicht denken, daß im Himmel so etwas wie ein Körper sei, der nur auf diese Weise geboren werde und den man vor allem anderen „Gott“ nennt. Nein, sondern die ganze göttliche Kraft, die selbst Himmel und aller Himmel Himmel ist, wird so geboren. Und das heißt „Gott der Vater“, aus dem alle heiligen Engel geboren worden sind und auch in derselben Kraft leben, und so wird auch der Geist aller Engel in ihrem Körper immer und ewig auf diese Weise geboren, wie auch der Geist aller Menschen.

10.56. Denn diese Welt gehört gleichwohl zum Körper des göttlichen Vaters wie der Himmel. Aber die Geister sind in der Räumlichkeit dieser Welt durch König Luzifer in seiner (überheblichen) Erhebung angezündet worden, so daß alles in dieser Welt wie halb verschmachtet und tot ist. Darum sind wir armen Menschen so sehr verblendet und leben in großer Gefährlichkeit.

10.57. Du solltest darum aber nicht denken, daß das himmlische Licht in dieser Welt in den Quellgeistern Gottes ganz verloschen sei. Nein, es gibt nur eine Dunkelheit, die wir mit unseren verdorbenen Augen nicht durchschauen können. Wenn aber Gott die Dunkelheit wegnimmt, die über dem Licht schwebt und dir deine Augen geöffnet würden, dann sähest du auch hier an der Stelle, wo du in deinem Gemach stehst, sitzt oder liegst, das schöne Angesicht Gottes und die ganze himmlische Pforte. Du müßtest deine Augen nicht erst in den Himmel schwingen, denn es steht geschrieben: »Das Wort ist dir nahe, nämlich auf deinen Lippen und in deinem Herzen. (5.Mose 30.14, Röm. 10.8)«

10.58. So nahe ist dir Gott, daß die Geburt der Heiligen Dreifaltigkeit auch in deinem Herzen geschieht. Es werden alle drei Personen in deinem Herz geboren, Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist.

Der Quellbrunnen Gottes

10.59. Wenn ich nun hier vom Zentrum oder der Mitte schreibe, so daß der Quellbrunnen der göttlichen Geburt in der Mitte sei, so meine ich damit nicht, daß im Himmel ein besonderer Ort oder ein besonderer Körper ist, wo das Feuer des göttlichen Lebens aufgeht, aus dem die sieben Geister Gottes in die ganze Tiefe des Vaters ausgehen. Sondern ich rede auf körperliche, englische oder menschliche Weise, weil es der Leser nicht anders verstehen kann, nämlich auf Art und Weise, wie die englischen Kreaturen gebildet worden sind und wie es in Gott überall geschieht.

10.60. Denn du kannst keinen Ort, weder im Himmel noch in dieser Welt erkennen, wo die göttliche Geburt nicht so geschieht, sei es in einem Engel, heiligen Menschen oder anderen. Wo ein Quellgeist in der göttlichen Kraft erregt wird, die Stätte sei, wo sie wolle, dort ist schon der Quellbrunnen der göttlichen Geburt vorhanden. Dort sind schon alle sieben Quellgeister Gottes, als wenn du einen räumlichen, kreatürlichen Kreis schließen würdest und die ganze Gottheit im Besonderen darin hättest, wie sie in einer Kreatur geboren wird, so geschieht es auch in der ganzen Tiefe des Vaters an allen Enden und in allen Dingen.

10.61. Und auf eine solche Weise ist Gott ein allmächtiger, allwissender, allsehender, allhörender, allriechender, allschmeckender und allfühlender Gott, der überall ist und die Herzen und Nieren der Kreaturen prüft. Und auf solche Weise sind Himmel und Erde sein, und auf eine solche Weise müssen alle Teufel samt allen gottlosen Menschen seine ewigen Gefangenen sein und im Salpeter, den sie in ihrem Reich verdorben und angezündet haben, ewige Qual erleiden und dazu ewige Schmach und Schande.

10.62. Denn das ganze schöne Angesicht Gottes samt allen heiligen Engeln wird über ihnen und unter ihnen und auf allen Seiten neben ihnen schön, herrlich und klar erleuchten. Und alle heiligen Engel mitsamt allen heiligen Menschen werden über ihnen, unter und neben ihnen ewig triumphieren und von großer Freude, Wonne und Lieblichkeit singen, von Gottes Heiligkeit, von ihrem königlichen Regiment, von der holdseligen Frucht des himmlischen Gewächses, und das wird nach der Qualität der sieben Geister Gottes in vielen Stimmen erklingen.

10.63. Dagegen werden die Teufel mit allen gottlosen Menschen in eine Höhle gezwängt werden, wo höllischer Gestank quellen und aufsteigen wird. Und das höllische Feuer sowie höllische Kälte und Bitterkeit werden nach Art und Weise der angezündeten Geister Gottes ewig in ihrem Körper wie auch in ihrem Reich brennen. Ja, wenn sie wenigstens in ein Loch gesperrt werden könnten, damit sie das zornige Angesicht Gottes nicht berührte, dann wären sie schon zufrieden und müßten nicht ewige Schmach und Schande ertragen.

10.64. Aber da ist keine Hilfe, ihre Qual wird nur größer. Je mehr sie es betrauern, je mehr entzündet sich die höllische Grimmigkeit. Sie müssen in der Hölle liegen wie die Totengebeine oder die versengten Schafe im Feuer. Ihr Gestank und Greuel nagt an ihnen, und sie dürfen ihre Augen vor Schande nicht erheben, denn sie sehen in ihrem Reich nichts als nur einen strengen Richter. Und über sich und auf alle Seiten sehen sie die ewige Freude. (Nicht, daß sie diese begreifen oder erkennen, sondern sie haben ein Wissen im Zentrum davon.)

10.65. Da ist Ach und Weh, Jammern und Schreien, aber keine Errettung. Ihnen ist, als wenn es immer donnert und wetterleuchtet, denn so gebären sich die angezündeten Geister Gottes: 1.) Die Härtigkeit gebiert die harte, rauhe, kalte und herbe Qualität. 2.) Die Süßigkeit ist verschmachtet wie eine glühende Kohle, weil kein Saft mehr im Holz ist, und sie lechzt, aber kein Labsal ist da. 3.) Die Bitterkeit schmerzt wie eine hitzige Pestilenz und ist bitter wie Galle. 4.) Das Feuer brennt wie grimmiger Schwefel. 5.) Die Liebe ist eine Feindschaft. 6.) Der Schall ist nichts als ein hartes Pochen gleich einem hohlen Feuerklang, wie ein Donnerschlag, und das Revier des Körpers ist ein Trauerhaus. Ihre Speise ist die Greuel, und aus allen Qualitäten wächst die Grimmigkeit. Ach und Weh, ewig ohne Ende, denn da ist keine Zeit! Ein anderer König sitzt auf ihrem Thron, der ein ewiges Gericht hält, und sie sind nur der Schemel seiner Füße.

10.66. Ach, du Schönheit und Wollust dieser Welt, oh Reichtum und stolze Pracht, oh Macht und Gewalt! Dein ungerechtes Gericht und die große Pracht mit all deiner Wollust liegt alles auf einem Haufen und ist höllisches Feuer geworden. Nun friß und sauf, nun schminke dich damit und herrsche darin! Du schöne Göttin, wie bist du zur Hure geworden, und deine Schande und Schmach währen ewiglich!


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