Aurora oder Morgenröte im Aufgang

(Text von Jacob Böhme von 1612, deutsche Überarbeitung 2021)

8. Kapitel - Die fünf Qualitäten des Engelreichs

Das große Geheimnis vom ganzheitlichen Körper eines englischen Königreichs.

8.1. Die englischen Königreiche sind durchaus nach dem göttlichen Wesen formiert und haben keine andere Gestalt als das göttliche Wesen in seiner Dreiheit hat. Der Unterschied liegt nur darin, daß ihre Leiber Kreaturen sind, die einen Anfang und ein Ende haben und daß das Reich, in dem sie ihr Revier haben, nicht ihr körperliches Eigentum ist, das sie aus Naturrecht besitzen, wie sie ihren Körper aus Naturrecht besitzen. Sondern das Reich gehört Gott, dem Vater, der sie aus seinen Kräften gemacht hat und sie hinsetzen kann, wohin er will, denn auch ihr Leib ist nach allen und aus allen Kräften des Vaters gemacht. Und ihre Kraft gebiert das Licht und die Erkenntnis in ihnen, wie Gott seinen Sohn aus allen seinen Kräften gebiert und wie der Heilige Geist aus allen Kräften des Vaters und des Sohnes ausgeht. So geht auch in einem Engel sein Geist aus seinem Herzen, aus seinem Licht und aus all seinen Kräften heraus.

8.2. Nun erkenne: Gleichwie ein Engel in seinem körperlichen Leib mit allen Gliedern beschaffen ist, so ist auch sein ganzes Königreich beschaffen, und das ist zusammen wie ein Engel.

8.3. Wenn man alle Umstände recht betrachtet, dann findet man, daß das ganze Regiment in seinem Revier des Königreichs wie ein Körper eines Engels oder wie die Heilige Dreifaltigkeit beschaffen ist.

8.4. Hier erkenne die Tiefe: In Gott dem Vater ist alle Kraft, und er ist der Quellbrunn aller Kräfte in seiner Tiefe. In ihm ist Licht und Finsternis, Luft und Wasser, Hitze und Kälte, Hart und Weich, Dick und Dünn, Schall und Ton, Süß und Sauer, Bitter und Herb und auch alles, was ich nicht aufzählen kann. Allein an meinem Leib nehme ich es ab (bzw. erkenne ich es), denn der ist anfänglich von Adam her aus allen Kräften und nach dem Bild Gottes gemacht.

8.5. Du solltest aber hier nicht denken, daß die Kräfte in Gott dem Vater auf eine solche Weise sind oder in solcher verdorbenen Art qualifizieren wie in einem Menschen, den Herr Luzifer so zugerichtet hat, sondern es ist alles fein lieblich und wonnereich, ganz sanft.

8.6. Erstlich gleicht das Licht dem der Sonne, wenn ich es natürlich vergleichen möchte, aber nicht so unerträglich, wie das Sonnenlicht in unseren verdorbenen Augen unerträglich ist, sondern ganz lieblich und wonnevoll, ein Anblick der Liebe.

8.7. Die Finsternis aber ist im Zentrum (bzw. Wesen) des Lichtes verborgen, das heißt, wenn eine Kreatur aus der Kraft des Lichtes gemacht würde und in diesem Licht höher und mehr wallen wollte als Gott selbst, dann verlischt in ihm dieses Licht, und sie hat anstatt des Lichtes die Finsternis. So erfährt eine Kreatur, daß im Zentrum eine Finsternis verborgen ist.

8.8. Gleich, als wenn man eine Wachskerze anzündet, dann leuchtet sie. Wenn man sie aber auslöscht, dann ist der Wurzelstock oder die Kerze eine Finsternis. So leuchtet auch das Licht aus allen Kräften des Vaters. Wenn aber die Kräfte verdorben werden, dann erlischt das Licht und die Kräfte bleiben eine Finsternis, wie bei Luzifer zu sehen ist.

8.9. Auch die Luft ist nicht auf eine solche Art in Gott, sondern es ist ein lieblich stilles Sausen oder Wallen. Das heißt, der Ausgang oder das Wallen der Kräfte ist der Ursprung der Luft, in welcher der Heilige Geist aufsteigt.

8.10. Auch das Wasser ist nicht auf eine solche Art in Gott, sondern es ist der Quell in den Kräften, aber nicht auf elementische Art wie in dieser Welt. Wenn ich es mit etwas vergleichen müßte, dann würde ich es mit dem Saft in einem Apfel vergleichen, aber ganz licht, gleich dem Himmel, dem Geist aller Kräfte. Doch Herr Luzifer hat es entsprechend verdorben, daß es in dieser Welt so wütet und tobt, läuft und rennt, und daß es so finster und dick wurde, und dazu auch noch stinkend wird, wenn es nicht läuft (wie in abgestandenem Wasser), was ich noch ausführlich behandeln will, wenn ich von der Schöpfung schreiben werde.

8.11. Auch die Hitze ist in Gott ein liebliches und sanftes Wärmen, ein Ausgang des Lichtes, die aus dem Licht entsteht, darin der Quell der Liebe aufsteigt.

8.12. Auch die Kälte ist nicht auf solche Art in Gott, sondern es ist das Kühlen der Hitze, eine Besänftigung des Geistes, ein Aufsteigen oder Wallen des Geistes.

8.13. Hier erkenne die Tiefe: Gott spricht in Mose, als er den Kindern Israels das Gesetz gab: »Ich bin ein zorniger und eifriger Gott über die, die mich hassen.« Und danach nennt er sich auch wieder einen barmherzigen Gott über die, die ihn fürchten. (2.Mose 20.5-6 / 5.Mose 5.9-10)

8.14. Nun steht die Frage, was denn der Zorn Gottes im Himmel sei? Ob sich dann Gott in sich selbst erzürne, oder wie Gott erzürnt werde?

Von der ersten der sieben Qualitäten, die Herbe

8.15. Siehe, in diesem sind besonders auf siebenerlei Qualitäten oder Umstände zu achten: Zuerst ist in der göttlichen Kraft im Verborgenen die herbe Qualität. Das ist eine Qualität des Kerns oder verborgenen Wesens, eine Schärfe, Zusammenziehung oder Durchdringung im Salpeter (der „Kristallisation“), ganz scharf und herb. Sie gebiert die Härtigkeit und auch die Kälte, und wenn sie entzündet wird, dann gebiert sie die Schärfe gleich dem Salz.

8.16. Das ist eine Art oder ein Zornquell im göttlichen Salpeter. Wenn dieser Quell angezündet wird, welches durch große Bewegung, Erhebung oder Erregung geschehen kann, dann qualifiziert darin die herbe große Kälte, die ganz scharf ist, gleich dem Salz, auch ganz hart zusammenziehend, gleich den Steinen.

8.17. Aber in der himmlischen Pracht ist sie nicht so erheblich (bzw. überheblich), denn sie erhebt sich nicht selbst und zündet sich auch selbst nicht an. Allein König Luzifer hat diese Qualität in seinem Reich durch seine Erhebung im überheblichen Stolz angezündet, davon diese Qualität noch bis zum Jüngsten Tag brennt.

8.18. Dadurch zittern und brennen nun in der Schöpfung dieser Welt die Sterne und Elemente, sowie alle Kreaturen, so daß ein Haus des Todes und der Hölle daraus geworden ist, dem Reich Luzifers und allen gottlosen Menschen eine ewige Schandwohnung.

8.19. Diese Qualität gebiert in der himmlischen Pracht die Schärfe des Geistes, daraus und dadurch das kreatürliche Wesen formiert (bzw. „informiert“) wird, so daß ein himmlischer Körper gebildet werden kann, sowie allerlei Farben, Formen und Gewächse. Denn es ist die Zusammenziehung oder Bildung eines Dinges. Darum ist sie die erste Qualität und ein Anfang der englischen Kreaturen und aller Bildnisse, die da im Himmel und in dieser Welt sind, und alles, was genannt werden kann.

8.20. Wenn sie aber durch Erhebung angezündet wurde (welches allein die Kreaturen in ihrem Reich tun können, die aus dem göttlichen Salpeter geschaffen sind), dann wird sie eine brennende Quellader des Zorns Gottes. Denn sie ist einer der sieben Geister Gottes, in dessen Kraft das göttliche Wesen in der ganzen göttlichen Kraft und himmlischen Pracht steht. Doch wenn sie entzündet wird, dann ist sie ein grimmiger Zornquell und ein Anfang der Hölle und auch eine Marter und Qual des höllischen Feuers und damit eine Qualität der Finsternis, denn die göttliche Liebe und auch das göttliche Licht verlöschen darin. (So wird sie ein Schlüssel, der in die Todes-Kammer einschließt und den Tod gebiert, daher kommen Erde, Steine usw.)

Von der zweiten Qualität, die Süße

8.21. Die zweite Qualität oder der zweite Geist Gottes im göttlichen Salpeter oder in der göttlichen Kraft ist die süße Qualität, die in der herben wirkt und die herbe besänftigt, so daß sie ganz lieblich und sanft wird. Denn sie ist eine Überwindung der herben Qualität und damit ein Quell der Barmherzigkeit Gottes, die den Zorn überwindet, dadurch der herbe Quell besänftigt wird und die Barmherzigkeit Gottes aufsteigt.

8.22. Dessen hast du ein Gleichnis an einem Apfel, der zuerst herb (und sauer bzw. zusammenziehend) ist. Wenn ihn aber die süße Qualität bezwingt und überwindet, dann wird er ganz sanft und lieblich zu essen. So ist es auch in der göttlichen Kraft. Denn wenn man von des Vaters Barmherzigkeit spricht, dann spricht man von seiner Kraft, also auch von seinen Quellgeistern, die im Salpeter sind, daraus sein liebreiches Herz oder Sohn geboren wird.

8.23. Hier erkenne: Die herbe Qualität ist das Herz oder der Kern in der göttlichen Kraft, eine Zusammenziehung, Bildung, Formung oder Trocknung, denn es ist die Schärfe und Kälte, wie man auch sieht, daß die herbe Kälte das Wasser trocknet und zu scharfem Eis macht. Und die süße Qualität ist die Linderung oder Erwärmung, davon die herbe und kalte Qualität dünn und lind wird, daraus das (fließende) Wasser seinen Ursprung nimmt.

8.24. Also ist und heißt die herbe Qualität „Herz“, und die süße „Barm“ oder „Warm“ oder Linderung oder Besänftigung (bzgl. der „Barmherzigkeit“). So sind es zwei Qualitäten, daraus das Herz oder der Sohn Gottes geboren wird. Denn die herbe Qualität ist in ihrem Wurzelstock oder Kern, wenn sie in ihrer eigenen Kraft qualifiziert, nur eine Finsternis, aber die süße ist in ihrer eigenen Kraft ein quellend und wärmend aufsteigendes Licht, ein Quell der Sanftmut und des Wohltuns.

8.25. Dieweil sie aber in der göttlichen Kraft in Gott dem Vater alle beide ineinander qualifizieren (bzw. wechselwirken), als wären sie nur eine Kraft, so ist es ein sanftes, liebliches und barmherziges Qualifizieren. Und so sind diese zwei Qualitäten zwei Geister Gottes unter den sieben Quellgeistern in der göttlichen Kraft, wie du dessen ein Bild in der Offenbarung Johannis (Offb. 1.12) sehen kannst. Er sieht sieben goldene Leuchter vor dem Sohn Gottes, welche die sieben Geister Gottes bedeuten, die da in großer Klarheit vor dem Sohn Gottes leuchten, und aus welchen der Sohn Gottes von Ewigkeit zu Ewigkeit immerfort geboren wird, der das Herz der sieben Geister Gottes ist, die ich hier ordentlich nacheinander beschreiben will. Doch du mußt deinen Sinn hier im Geist erheben, wenn du es verstehen oder begreifen willst. In deinem eigenen (körperlichen) Sinn wirst du ein herber und blinder Wurzelstock bleiben.

Von der dritten Qualität, die Bittere

8.26. Die dritte Qualität oder der dritte Geist Gottes in der Kraft des Vaters ist die bittere Qualität. Sie ist eine Durchdringung oder Bezwingung der süßen und herben Qualität, die zitternd, durchdringend und aufsteigend ist.

8.27. Hier erkenne: Die herbe Qualität ist der Kern oder Wurzelstock oder eine saure Zusammenziehung, und die süße Qualität ist eine leichte Linderung oder Besänftigung. Dagegen ist die bittere Qualität die Durchdringung oder Triumphierung, die da in der herben und süßen aufsteigt und triumphiert. Das ist der Freudenquell oder die Ursache der lachenden, erhebenden Freude, dadurch ein Wesen vor Freude zittert und jubiliert, und dadurch die himmlische Freude entsteht. Dazu bewirkt sie die Bildung allerlei roter Farben in ihrer eigenen Qualität. In der süßen Qualität bildet sie allerlei weiße und blaue, und in der herben und sauren Qualität allerlei grüne und dunkle, sowie vermengte Farben mit mancherlei Gestalt und Geruch.

8.28. Die bittere Qualität ist der erste Geist, durch den das Leben rege wird, und davon nimmt die Beweglichkeit ihren Ursprung. Deshalb heißt sie zurecht „Herz“, denn es ist der zitternde, zähmende, erhebende und durchdringende Geist, das Triumphieren oder die Freude, ein erhebender Quell des Lachens. Denn mit der süßen Qualität wird auch die bittere besänftigt, so daß sie ganz liebreich und freudenreich wird. Wenn sie aber zu sehr erhoben, bewegt oder angezündet wird, dann zündet sie die süße und herbe Qualität an und wird wie ein schmerzliches, stechendes und brennendes Gift, als hätte der Mensch eine schmerzliche Pestbeule, durch die er „Ach!“ und „Weh!“ schreit.

8.29. Diese Qualität ist in der göttlichen Kraft, wenn sie angezündet wird, der Geist des eifrigen und bitteren Zorns Gottes, der unverlöschlich ist, wie bei den Legionen Luzifers zu sehen ist. Noch mehr: Wenn diese Qualität angezündet wird, dann ist sie das bitter-höllische Feuer, das dann das (himmlische) Licht verlöscht, aus der süßen Qualität einen Gestank macht, in der herben eine schmerzliche Schärfe, Härte und Kälte, und in der sauren rühricht und brüchig wird (gärend und stockend), ein Gestank, ein Elend, ein Trauerhaus, ein Haus der Finsternis, des Todes und der Hölle, und ein Ende der Freude, die darin nicht einmal mehr gedacht werden kann. Denn es kann durch nichts gestillt werden und kann durch nichts wieder erleuchtet werden, sondern der finstere, herbe, stinkende, saure, gärende, bittere und grimmige Quell steigt in alle Ewigkeit auf.

8.30. Nun erkenne: In diesen drei Arten oder Qualitäten steht das körperliche oder das kreatürliche Wesen aller Kreaturen im Himmel und in dieser Welt, sei es ein Engel, Mensch, Vieh, Vogel oder (pflanzliches) Gewächs in himmlischer oder irdischer Form, Qualität und Art in allen Farben und Formen. In Summe: Alles was sich bildet, das steht in der Kraft und Gewalt dieser drei Hauptqualitäten (bzw. Grundqualitäten) und wird durch sie gebildet und auch aus ihrer eigenen Kraft formiert.

8.31. Erstlich ist die herb-saure Qualität ein körperliches Wesen oder Quell, das die saure Kraft zusammenzieht, und die Kälte in der herben macht es trocken. Die süße Qualität ist dann das Herz des Wassers, denn sie ist dünn und licht und vergleicht sich dem Himmel. Und die bittere Qualität macht schließlich, daß sich die Kräfte in Glieder formieren, und bewirkt im körperlichen Wesen die Beweglichkeit.

8.32. Und wenn dann die süße Qualität getrocknet ist, dann ist es ein Körper, der vollkommen ist, aber noch ohne Verstand. Und die bittere Qualität dringt im Körper in der herben, sauren und süßen durch und bildet allerlei Farben, nach welcher Qualität der Körper am meisten geneigt ist oder welche Qualität am stärksten im Körper wirkt. Nach derselben bildet die bittere Qualität den Körper mit seiner Farbe, und nach derselben Qualität hat die Kreatur seinen größten Trieb sowie Neigung, Wallen oder Willen.

(Hinweis: Die Vorstellung von drei grundsätzlichen Kräften oder Qualitäten als Ursache für die Bewegung der Schöpfung ist eine uralte Vorstellung vieler Traditionen. Zwei gegensätzliche Kräfte würden nur sinnlos hin- und herschwingen. Dazu dient dann eine dritte Kraft für eine Ausrichtung, so daß symbolisch ein Dreieck entsteht, in dem die drei Kräfte wechselwirken. Entsprechend könnte man die drei Hauptqualitäten von Böhme auch mit anderen Dreiecks-Systemen vergleichen: )

Jakob
Böhme

Drei Gunas
der Veden

Drei Doshas
im Ayurveda

Drei Geistesgifte
im Buddhismus

Drei Veränderungen
von Aristoteles

Herb-Sauer

Trägheit

Kapha-Schleim

Begierde

Substrat

Süß

Güte

Vata-Wind

Haß

Ausgangszustand

Bitter

Leidenschaft

Pita-Galle

Unwissenheit

Zielzustand

Von der vierten Qualität, die Hitze

8.33. Die vierte Qualität oder der vierte Quellgeist in der göttlichen Kraft des göttlichen Vaters ist die Hitze. Sie ist der wirkliche Anfang des Lebens und auch der wirkliche Geist des Lebens. Die herb-saure und süße Qualität ist der Salpeter (der Kristallisation), der zur Körperlichkeit gehört und daraus der Körper gebildet wird. Denn in der herben Qualität steht die Kälte und die Härtigkeit, und das ist die Zusammenziehung und Vertrocknung. Und in der süßen Qualität steht das Wasser und das Licht oder die Erscheinung sowie die ganze Materie des Körpers. Die bittere Qualität ist die Unterscheidung oder Formierung. Und die Hitze ist dann der Geist oder die Anzündung des Lebens, davon der Geist im Körper entsteht, der im ganzen Körper quillt und außerhalb des Körpers (als Bewußtsein) leuchtet und die lebendige Bewegung in allen Qualitäten des Körpers bewirkt.

8.34. Es ist aber besonders auf zwei Dinge in allen Qualitäten zu achten. Wenn man einen Körper ansieht, dann sieht man vor allem den Wurzelstock oder Kern aller Qualitäten, der aus allen Qualitäten gebildet ist. Denn zum Körper gehören Herb-Sauer, Süß, Bitter und Hitze. Diese Qualitäten sind zusammen vertrocknet (bzw. kristallisiert oder verkörpert) und bilden den Körper oder Wurzelstock.

Das große Geheimnis des Geistes

8.35. So sind nun diese Qualitäten im Körper vermischt, als wären sie alle nur eine Qualität, und doch quillt jede Qualität in seiner eigenen Kraft und geht entsprechend aus. Eine jede Qualität geht aus sich selber in die anderen und erregt die anderen, das heißt, sie infiziert die anderen. Davon bekommen die anderen Qualitäten einen Willen, das heißt, sie beurteilen die Schärfe und den Geist dieser Qualität, was in ihr ist, und vermischen sich immerfort.

8.36. Nun zieht die herb-saure Qualität immer die anderen Qualitäten zusammen, faßt und hält den Körper und vertrocknet (bzw. kristallisiert) ihn, denn sie vertrocknet alle anderen Kräfte und hält sie alle durch ihre Infizierung. Und die süße Qualität besänftigt und befeuchtet die anderen alle und temperiert sich (ausgleichend) mit all den anderen. Davon werden sie fein lieblich und sanft.

8.37. Und die bittere Qualität macht die anderen alle rege und beweglich und unterscheidet die Glieder, so daß jedes Glied in der Temperierung (bzw. Ausgleichung) den Brunnquell aller Kräfte bekommt, dadurch die Beweglichkeit entsteht.

8.38. Und die Hitze zündet alle Qualitäten an. Daraus gebiert sich das Licht in allen Qualitäten, so daß eine die andere sieht. Denn wenn die Hitze in der süßen Feuchtigkeit wirkt, dann entsteht aus ihr das Licht in allen Qualitäten, so daß eine die andere sieht.

8.39. Daraus entstehen die Sinne und Gedanken, so daß eine Qualität die andere, die auch in ihr und mit ihr selber temperiert ist, sieht und mit ihrer Schärfe beurteilt, so daß es ein Wille wird, der im Körper im ersten Quellbrunn der herben Qualität aufsteigt.

8.40. Dann dringt die bittere Qualität in der Hitze durch die herbe, und die süße Qualität im Wasser läßt sie besänftig durch. Dann fährt die bittere in der Hitze durch das süße Wasser aus dem Körper und macht ihm zwei offene Pforten: Das sind die Augen, die erste Sinnlichkeit.

8.41. Dessen hast du auch ein Beispiel und Abbild: Siehe diese Welt an, besonders die Erde. Sie hat die Arten aller Qualitäten, und so bilden sich darin allerlei Gestaltungen. Zuerst ist darin die herbe Qualität. Die zieht den Salpeter zusammen und verfestigt die Erde, so daß sie ein Körper wird und nicht sogleich wieder zerfällt. Und damit bildet sie allerlei körperliche Wesen nach der Art jeder Qualität, wie allerlei Steine und Erze und allerlei Wurzeln nach der Art jeder Qualität.

8.42. Nun, wenn dies gebildet wurde, dann liegt es da wie eine körperlich quellende Beweglichkeit, denn es quillt durch und in der bitteren Qualität in sich selbst, wie in seinem eigenen gebildeten Körper. Es hat aber noch kein Leben zum Wachstum oder zur Ausbreitung ohne die Hitze, die der Naturgeist ist.

8.43. Wenn die Hitze der Sonne den Erdboden bestrahlt, dann quellen und wachsen in der Erde alle Bildungen von Erzen und Kräutern, Wurzeln, Würmern und alles, was (potentiell) drinnen ist.

8.44. Dies verstehe recht: Die Hitze der Sonne zündet in der Erde die süße Qualität des Wassers in allen gestalteten Bildungen an. Dann entsteht durch die Hitze im süßen Wasser das Licht, das die herb-saure und bittere Qualität erleuchtet, so daß sie im Licht sehen. Und in diesem Sehen steigt eine in die andere und beurteilt die andere, das heißt, sie kostet im Sehen der anderen Schärfe, und daraus kommt der Geschmack.

8.45. Und wenn die süße Qualität der bitteren Qualität Geschmack kostet, dann flennt sie sich (zeigt die Zähne) und bewirkt das Entweichen, wie ein Mensch, wenn er bitter oder herbe Galle kostet. Dann breitet er im Mund beide Gaumen aus und flennt sich und erweitert die Gaumen weiter als sie ihm gewachsen sind. So wirkt die süße Qualität gegen die bittere.

8.46. Und wenn sich die süße Qualität so ausdehnt und vor der bitteren weicht, dann dringt die herbe immer von hinten nach und wollte auch gern von der süßen kosten, und macht den Körper hinter und in ihr immerfort trocken. Denn die süße Qualität ist die Mutter des Wassers und ist ganz sanft.

8.47. Wenn nun die herbe und bittere Qualität von der Hitze ihr Licht bekommen, dann sehen sie die süße Qualität und kosten ihr süßes Wasser. Dann eilen sie dem süßen Wasser immer nach und trinken es in sich, denn sie sind ganz hart, rauh und durstig, und die Hitze vertrocknet sie vollends. Und die süße Qualität flieht immer vor der bitteren und herben und dehnt ihren Gaumen immer weiter aus, und die bittere und herbe eilen immer der süßen nach und laben sich von der süßen und vertrocknen (kristallisieren) den Körper. So ist das wahrhaftige Gewächs (bzw. Wachstum) in der Natur, sei es ein Mensch, Tier, Holz, Kraut oder Stein.

8.48. So erkenne nun das Ziel der Natur in dieser Welt! Wenn die süße Qualität auf solche Weise vor der bitteren, sauren und herben flieht, dann eilen ihr die herbe und bittere so heftig nach wie nach ihrem besten Schatz, und die süße dringt so heftig von ihnen und bemüht sich so heftig, daß sie durch die herbe Qualität dringt und den Körper (des Samens) zerreißt und aus dem Körper der Erde über die Erde entweicht, und auch so hartnäckig eilt, bis ein langer Halm wächst.

8.49. Dann dringt die Hitze über der Erde auf den Halm ein, so daß alsbald die bittere Qualität von der Hitze angezündet wird und einen Stoß von der Hitze bekommt, daß sie erschrickt, und die herbe Qualität vertrocknet (und kristallisiert) es. So streiten die herbe, süße, bittere und hitzige Qualität miteinander, und die herbe macht in ihrer Kälte immerfort deren Trockenheit. So entweicht dann die süße auf eine Seite, und die anderen eilen ihr nach.

8.50. Wenn sie aber sieht, daß sie gefangen sein soll, weil die bittere so hart auf sie eindringt, und auch die Hitze von außen auf sie eindringt, dann macht sie die bittere inbrünstig und entzündet sie. Damit tut sie einen Sprung durch die herbe Qualität und steigt wieder über sich. So wird alsbald ein harter Knoten hinter ihr an dem Ort, wo der Streit war, und der Knoten bekommt ein Löchlein (bezüglich des beispielhaften Grashalms mit den Knoten, aus denen weitere Äste und Blätter wachsen).

8.51. Wenn aber die süße Qualität durch den Knoten springt, dann hat sie die bittere so hart infiziert, daß sie gar zitternd ist. Und sobald sie über den Knoten kommt, dehnt sie sich geschwind nach allen Seiten aus, nämlich im Willen, der bitteren zu entfliehen. Und in solchem Ausdehnen bleibt ihr Leib in der Mitte hohl, aber im zitternden Sprung durch den Knoten bekommt sie noch mehr Halme oder Laub und ist nun fröhlich, daß sie dem Krieg entkommen konnte.

8.52. Und wenn nun die Hitze von außen so auf den Halm eindringt, dann werden die Qualitäten im Halm entzündet und dringen durch den Halm, werden im äußerlichen Licht von der Sonne infiziert und gebären die Farbe im Halm nach der Art ihrer Qualität.

8.53. Solange aber das süße Wasser im Halm ist, solange erhält der Halm seine grüne und lichte Farbe nach der Art der süßen Qualität.

8.54. Ein solches Wesen treiben die Qualitäten durch die Hitze immerfort im Halm, und so wächst der Halm immerfort für sich, und so wird auch immerfort ein Sturm nach dem anderen entfacht, davon der Halm immer mehr Knoten bekommt und seine Äste immer weiter ausbreitet. Währenddessen vertrocknet auch die Hitze von außen immerfort das süße Wasser im Halm, und der Halm wird immer dünner, und je höher er wächst, desto dünner wird er, bis er nicht mehr entrinnen kann.

8.55. Alsbald gibt sich die süße Qualität gefangen, und dann herrschen die bittere, saure, süße und herbe zugleich untereinander. Und die süße dehnt sich noch etwas aus, aber sie kann nicht mehr entrinnen, denn sie ist gefangen.

8.56. Daraus wächst bald aus allen Qualitäten, die im Körper sind, ein Kolben oder Kopf, und darin entsteht ein neuer Leib, der sich in gleicher Weise bildet, wie ursprünglich die Wurzel in der Erde, alleine daß es nun eine andere, subtilere Form bekommt.

8.57. Dazu dringt die süße Qualität sanft von sich, und es wachsen kleine subtile (Blüten-) Blättlein im Kopf, die von der Art aller Qualitäten sind. Denn das süße Wasser ist nun wie ein schwangeres Weib, das den Samen empfangen hat, und sie dringt immer von sich, bis sie den Kopf zersprengt.

8.58. Dann dringt sie auch in den Blättlein hervor, wie ein Weib, das gebiert. Aber die Blättlein oder Blüten haben nicht mehr ihre Farbe und Gestalt, sondern die von allen anderen Qualitäten. Denn die süße Qualität muß nun die Kinder der anderen Qualitäten gebären. Und wenn dann die süße Mutter die schönen grünen, blauen, weißen, roten oder gelben Blümlein wie Kinder geboren hat, dann wird sie ganz müde und kann diese Kinder nicht lange ernähren, und mag sie auch nicht lange haben, dieweil es nur ihre zarten Stiefkinder sind.

8.59. Und wenn dann die Hitze von außen auf die zarten Kinder eindringt, dann werden alle Qualitäten in den Kindern angezündet, denn der Geist des Lebens qualifiziert in ihnen. Doch weil sie dann zu ohnmächtig vor diesem starken Geist sind und sich nicht erheben können, so lassen sie ihre edle Kraft von sich gehen, und das duftet so lieblich, daß einem das Herz lacht. Sie aber müssen verwelken und abfallen, weil sie vor diesem Geist zu zart sind.

8.60. Denn der Geist zieht aus dem Kopf in die Blüte, und so wird der Kopf nach der Art aller Qualitäten formiert (bzw. gestaltet): Die herbe Qualität zieht den Leib des Kopfes zusammen, die süße besänftigt ihn und dehnt ihn aus, die bittere unterscheidet die Materie in die Glieder, und die Hitze ist der lebendige Geist darin.

8.61. So arbeiten nun alle Qualitäten darin und gebären ihre Frucht wie Kinder. Und ein jedes Kind ist nach der Art und Eigenschaft aller Qualitäten qualifiziert. Solches treiben sie so lange, bis die Materie ganz getrocknet ist, bis also die süße Qualität oder das süße Wasser vertrocknet. Dann fällt die Frucht aus, und der Halm vertrocknet und fällt um.

8.62. Und das ist das Ziel der Natur in dieser Welt. Dazu sind noch gar hohe Dinge zu beschreiben, die du bei der Schöpfung dieser Welt finden wirst. Dies sei hier nur zu einem Gleichnis eingeführt und wurde aufs Kürzeste beschrieben.

8.63. Nun ist die weitere Gestaltung der Qualitäten oder der göttlichen Kräfte oder der sieben Geister Gottes besonders bei der Hitze zu erkennen: Erstlich ist sie der Grund oder das körperliche Wesen, obwohl sie in der Gottheit und auch in den Kreaturen keinen besonderen Körper hat, sondern es sind alle Qualitäten ineinander wie eine, jedoch bemerkt man die Wirkung jeder Qualität im Besonderen.

8.64. So ist nun im Körper oder Quellgrund die Hitze, die das Feuer gebiert. Das hat eine Gestalt und die kann man erforschen. Und aus der Hitze kommt auch das Licht durch alle Geister oder Qualitäten, und das Licht ist der lebendige Geist. Den kann man nicht erforschen. Aber man kann seinen Willen erforschen, was er will oder wie er ist, denn er empfängt in der süßen Qualität, wie auch das Licht in der süßen Qualität im süßen Wasser aufgeht, aber in den anderen Qualitäten nicht.

8.65. Dessen hast du ein Beispiel: Du kannst alle Dinge in dieser Welt anzünden, so daß es leuchtet und brennt, wo die süße Qualität das Oberregiment innehat. Aber wo die anderen Qualitäten das Regiment innehaben, kannst du nichts anzünden. Und wenn du auch die Hitze dahinein bringst, so kannst du doch nicht den Geist dahinein bringen, so daß es (von selbst) leuchtet. Darum sind alle Qualitäten die Kinder der süßen Qualität oder des süßen Wassers, weil der Geist allein im Wasser aufgeht.

8.66. Bist du nun ein vernünftiger Mensch, in dem Geist und Verstand sind, dann siehe dich in der Welt um, und du wirst es so finden: Ein Holz kannst du anzünden, so daß es leuchtet, denn das Wasser (in Form von Kohlenwasserstoff) hat die Vorherrschaft darin, desgleichen auch allerlei Kraut über der Erde, in denen das süße Wasser vorherrscht. Einen Stein kannst du aber nicht anzünden, denn darin hat die herbe Qualität die Vorherrschaft. Die Erde kannst du auch nicht anzünden, es sei denn, die anderen Qualitäten werden zuvor überwunden und herausgesotten, welches am (Schieß-) Pulver (aus Salpeter, Holzkohle und Schwefel) zu sehen ist, das doch nur ein Blitz oder ein Geist des Schreckens ist, in welchem sich der Teufel im Zorn Gottes vorbildet, was ich an anderer Stelle noch ausführlich beschreiben und auch beweisen will.

8.67. Nun wirst du vielleicht sagen: „Man kann doch das Wasser nicht anzünden, so daß es leuchtet!“ Ja, lieber Mensch, hierin steckt das Geheimnis. Das Holz, das du anzündest, ist auch nicht das Feuer, sondern ein finsterer Wurzelstock, aber das Feuer und Licht nimmt seinen Ursprung davon. Doch hier solltest du verstehen, von der süßen Qualität des Wassers und nicht vom Wurzelstock, das heißt, von der Fettigkeit, die der Geist darin ist.

8.68. Denn im elementischen Wasser auf Erden ist die Süßigkeit nicht vorherrschend oder der Oberregent, sondern die herb-saure und bittere Qualität, sonst wäre das Wasser nicht tödlich, sondern es wäre wie das Wasser, aus dem der Himmel geschaffen ist. Das will ich dir auch beweisen, daß im elementischen Wasser auf Erden die herb-saure und bittere Qualität vorherrschend ist.

8.69. Nimm Korn, Weizen, Gerste, Hafer oder was du willst, in denen die süße Qualität vorherrscht, dann weiche sie im elementischen Wasser ein und brenne es danach, dann wird die süße Qualität den anderen das Regiment nehmen. Und danach zünde dieses Wasser an (vermutlich hochprozentiger Alkohol bzw. „Feuerwasser“ oder chemisch „Kohlen-Wasserstoff“), dann wirst du auch den Geist sehen, der von der Fettigkeit des Korns im Wasser geblieben ist und das Wasser überwunden hat. Solches siehst du auch am Fleisch: Das Fleisch brennt und leuchtet nicht, allein das Fett (der „Brennstoff“ oder „Kohlenstoff“) brennt und leuchtet.

8.70. Nun könntest du fragen: „Woher kommt das? Wie entsteht diese Gestaltung?“ Siehe, im Fleisch ist die herb-saure und bittere Qualität vorherrschend, und im Fett die Süßigkeit. Darum ist eine fette Kreatur immer fröhlicher als eine magere, dieweil der süße Geist mehr in ihr quillt als in der mageren. Denn das Licht der Natur, welches der Geist des Lebens ist, scheint mehr in ihm als im mageren, denn in diesem Licht in der süßen Qualität steht das Triumphieren oder die Freude, weil die herben und bitteren Qualitäten darin triumphieren und sich freuen, daß sie von der süßen und lichten Qualität gelabt, gespeist, getränkt und erleuchtet werden. Denn in der herben ist kein Leben, sondern der herbe, kalte und harte Tod. Und in der bitteren ist kein Licht, sondern das finstere, bittere und wütende Leid, das Haus des zitternden, grimmigen und furchtsamen Elends.

8.71. Wenn sie darum bei der süßen und lichten Qualität zu Gast sind, dann werden sie infiziert und lieblich, dazu ganz freudenreich, und triumphieren in einer Kreatur. Darum ist keine magere Kreatur fröhlich, es sei denn, daß die Hitze in ihr vorherrschend ist. Das heißt, auch wenn sie mager ist und wenig Fettes hat, so ist es dennoch treffliche Süßigkeit. Dagegen hat manche Kreatur viel Fettes und ist doch ganz melancholisch. Hier ist die Ursache, daß ihr Fettes nach dem elementischen Wasser geneigt ist, weil die herbe und bittere Qualität etwas zu stark ist.

8.72. Bist du nun ein verständiger Mensch, dann siehe: Der Geist der aus der Hitze entsteht, nimmt in der süßen Qualität seinen Ausgang, sein Aufsteigen und Leuchten. Darum ist die süße Qualität sein freundlicher Wille und herrscht in der Sanftmut, und die Sanftmut ist sein eigenes Haus. Und das ist der Kern der Gottheit. Darum heißt er „Gott“, weil er süß, sanft, freundlich und gütig ist, und darum heißt er „barmherzig“, weil seine süße Qualität in der herb-sauren und bitteren aufsteigt und sie labt, erquickt, befeuchtet und erleuchtet, damit sie kein finsteres Tal bleiben.

8.73. Darum verstehe nur deine Muttersprache wahrhaft, denn darin hast du so tiefen Grund wie in der hebräischen oder lateinischen, auch wenn sich die Gelehrten darin erheben wie eine stolze Braut. Doch das hilft ihnen alles nichts, denn mit ihrer Kunst geht es jetzt bergab. Der (sehende) Geist zeigt deutlich, daß noch vor dem Ende (am Jüngsten Tag) mancher Laie mehr wissen und verstehen wird als jetzt die klügsten Doktoren, denn die Tür des Himmels öffnet sich. Und wer sich nur selber nicht verblendet, der wird sie wohl sehen. Und so krönt der Bräutigam seine Braut. Amen.

8.74. Siehe, das Wort „Barm“ ist zuerst nur auf deinen Lippen, doch wenn du „Barm“ gesprochen hast, dann machst du den Mund zu und brummst hinten nach. Das ist die herbe Qualität. Die umschließt das Wort, das heißt, sie bildet das Wort zusammen, so daß es hart wird oder schallt, und die bittere Qualität unterscheidet es.

8.75. Das ist, als wenn du „Bar“ sprichst, dann knarrt der letzte Buchstabe „R“ und murrt wie ein zitternder Adem. Und das bewirkt die bittere Qualität, die zitternd ist. Nun ist aber das Wort „Barm“ ein totes und unverständiges Wort, das niemand versteht. Das bedeutet, daß die zwei Qualitäten von Herb und Bitter ein hartes, dunkles, kaltes und bitteres Wesen sind, die kein Licht in sich haben. Darum kann man ihre Kraft außerhalb des Lichtes nicht verstehen.

8.76. Wenn man aber „Barmherz“ spricht, dann preßt man die andere Silbe „Herz“ aus der Tiefe des Leibes aus dem Herzen, denn der wirkliche Geist spricht das Wort „Herz“ aus, der aus der Hitze des Herzens entsteht, in welchem das Licht ausgeht und quillt.

8.77. Nun siehe, wenn du „Barm“ sprichst, dann bilden die zwei Qualitäten von Herb und Bitter das Wort „Barm“ ganz langsam zusammen, denn es ist eine lange ohnmächtige Silbe, wegen der Schwachheit dieser Qualitäten. Wenn du aber „Herz“ sprichst, dann fährt der Geist im Wort „Herz“ geschwind wie ein Blitz heraus und gibt des Wortes Unterschied und Verstand. Und wenn du dann noch „Ig“ sprichst, dann fängst du den Geist mitten in den anderen zwei Qualitäten ein, so daß er drinbleiben muß und das Wort formieren (bzw. bewußt gestalten).

8.78. So ist auch die göttliche Kraft: Die herbe und bittere Qualität ist der Salpeter der göttlichen Allmacht. Die süße Qualität ist der Kern (bzw. das Wesen) der „Barmherzigkeit“, nach welcher das ganze Wesen mit allen Kräften „Gott“ heißt. Die Hitze ist der Kern des Geistes, aus der das Licht entsteht und sich in der Mitte der süßen Qualität anzündet und von der herben und bitteren in ihrer Mitte gefangen wird. Darin wird der Sohn Gottes geboren, und das ist das wahre Herz Gottes.

8.79. Und die Flammen oder der Blitz des Lichtes, das augenblicklich in allen Kräften leuchtet, wie die Sonne in der ganzen Welt, das ist der Heilige Geist, der aus der Klarheit des göttlichen Sohnes kommt und der Blitz und die Schärfe ist. Denn der Sohn wird mitten in den anderen Qualitäten geboren und ist mit den anderen Qualitäten gefangen.

8.80. Verstehe dieses hohe Wesen richtig: Wenn der Vater das Wort spricht, das heißt, seinen Sohn gebiert, welches immerfort und ewig geschieht, dann nimmt dieses Wort vor allem in der herben Qualität seinen Ursprung. Da faßt es sich, und in der süßen nimmt es seinen Quell, und in der bitteren schärft es sich und bewegt sich, und in der Hitze steigt es auf und zündet den mittleren süßen Quell an.

8.81. Nun brennt es zugleich in allen Qualitäten vom angezündeten Feuer, und das Feuer brennt aus den Qualitäten, denn alle Qualitäten brennen. Und dasselbe Feuer ist nur ein Feuer, nicht viele Feuer.

8.82. Und dieses Feuer ist der wahrhaftige Sohn Gottes, der von Ewigkeit zu Ewigkeit immerfort auf diese Weise geboren wird. Das will ich an Himmel und Erde, Sternen und Elementen und an allen Kreaturen, an Steinen, Laub und Gras, ja am Teufel selbst beweisen, und nicht mit toten, schlechten, unverständigen Argumenten, sondern nur mit lebendigen und unüberwindlichen, ja mit unwiderruflichen und unwiderleglichen festen Argumenten, auch über und gegen aller Menschen Verstand und schließlich auch gegen aller Teufel und Höllen Pforten, soweit es hier nicht zuviel und zu weiten Raum einnimmt.

8.83. Das allein wird im ganzen Buch in allen Artikeln und Stücken behandelt werden, und du wirst es natürlich auch bei der Schöpfung der Kreaturen, sowie bei der Schöpfung des Himmels und der Erde und aller Dinge finden, welches sich dann besser schickt und dem Leser begreiflicher ist.

8.84. Nun erkenne: Aus demselben Feuer geht der Blitz oder das Licht aus und wallt in allen Kräften und hat aller Kräfte Quellbrunn und Schärfe in sich. Denn weil es durch den Sohn aus allen Kräften des Vaters geboren wurde, so macht es nun wiederum alle Kräfte im Vater lebendig und beweglich. Und durch diesen Geist sind alle heiligen Engel formiert (bzw. „informiert“) und aus den Kräften des Vaters gebildet worden. Und dieser Geist erhält und trägt alles, formiert alles, alle Gewächse, Farben und Kreaturen im Himmel, in dieser Welt und über allen Himmeln, denn die Geburt der Heiligen Dreifaltigkeit ist überall so und nicht anders, und wird auch in Ewigkeit nicht anders werden.

8.85. Wenn aber das Feuer in einer Kreatur angezündet wird, das heißt, wenn sich eine Kreatur zu sehr erhebt, wie Luzifer und seine Legionen es taten, dann verlischt das Licht und der grimmige und hitzige Quell geht auf, der Quell des höllischen Feuers, und das heißt, der Geist des Feuers geht in der grimmigen Qualität auf.

8.86. Hier erkenne auch die Umstände, wie das geschieht oder geschehen kann: Ein Engel ist aus allen Kräften zusammengebildet, wie ich bereits ausführlich beschrieben habe. Wenn er sich nun erhebt, dann erhebt er sich vor allem in der herben Qualität, die er zusammenrafft wie ein Weib, das gebären will und sich preßt. Davon wird die herbe Qualität so hart und scharf, daß sie vom süßen Wasser nicht mehr bezwungen werden kann, um sanft in der Kreatur aufzusteigen, sondern es wird von der herben Qualität gefangen und vertrocknet, und wird in eine harte, scharfe und grimmige Kälte verwandelt. Denn es wird zu derb von der herben Zusammenziehung und verliert seinen lichten Glanz und seine Fettigkeit, darin der lichte Geist aufgeht, der der Geist des heiligen, englischen und göttlichen Lebens ist, der durch die herbe Qualität so hart zusammengezogen und gepreßt wird, daß er wie ein süßes dürres Holz vertrocknet.

8.87. Und wenn dann die bittere Qualität in der vertrockneten süßen Qualität aufsteigt, dann kann sie die süße nicht besänftigen und mit süßem lichtem Wasser tränken, weil sie vertrocknet ist. Daraufhin wütet und tobt die bittere Qualität und sucht Ruhe oder Speise, aber findet keine, und wallt im Körper wie ein verschmachtendes (hungriges) Gift.

8.88. Wenn dann die Hitze die süße Qualität anzündet und ihre Hitze im süßen Wasser besänftigen will, aus dem sie aufsteigt, und im ganzen Körper leuchtet, dann findet sie nichts als einen harten und dürren süßen Quell, in dem kein Saft mehr ist, weil er von der Herbigkeit ganz ausgetrocknet wurde.

8.89. Dann zündet sie den süßen Quell an, um sich zu laben. Aber da ist kein Saft mehr, sondern der süße Quell brennt und glüht nun wie ein harter, verdorrter Stein, und kann sein Licht nicht mehr anzünden. Und der ganze Körper bleibt nun ein finsteres Tal, in dem nichts mehr ist, als eine grimmige harte Kälte in der herben Qualität, ein hart glühendes Feuer in der süßen Qualität, in dem die grimmige Hitze in alle Ewigkeit aufsteigt, und ein Wüten, Toben, Stechen und Brennen in der bitteren Qualität.

8.90. Und damit hast du die wahrhaftige Beschreibung eines verstoßenen Engels oder Teufels und auch die Ursache dafür, und das ist nicht nur im Gleichnis geschrieben, sondern durch die Kraft im Geist, aus dem Alles geworden ist. Oh Mensch, hierin besinne dich hinter dir und vor dir! Das wird nicht vergebens sein.

8.91. Diese große Geschichte, wie sie vorgegangen ist, wirst du noch ausführlich beim Fall des Teufels finden.

Von der fünften Qualität, die Liebe

8.92. Die fünfte Qualität oder der fünfte Geist Gottes unter den sieben Geistern Gottes in der göttlichen Kraft des Vaters ist die holdselige, freundliche und freudenreiche Liebe.

8.93. Nun erkenne, was da der Quellbrunn der holdseligen und freundlichen Liebe Gottes ist, und erkenne es hier wesentlich, denn es ist der Kern.

8.94. Wenn die Hitze in der süßen Qualität aufgeht und den süßen Quell anzündet, dann brennt dieses Feuer in der süßen Qualität. Und wenn nun die süße Qualität ein dünnes, liebliches und süßes Quellwasser ist, dann besänftigt sie die Hitze und löscht das Feuer, so daß dann im süßen Quellbrunnen des süßen Wassers nur das freudenreiche Licht bleibt. Und die Hitze ist nur ein sanftes Wärmen, gleichwie in einem Menschen von sanguinischer Komplexion (siehe auch „Trostschrift für die vier Komplexionen“ §26) die Hitze auch nur ein freundliches Wärmen ist, wenn er sich nur recht mäßig hält.

8.95. Dasselbe freundliche Liebe-Licht-Feuer geht aus der süßen Qualität in die bittere und herbe Qualität auf und zündet die bittere und herbe Qualität an, speist und tränkt sie mit ihrem süßen Liebe-Saft, erquickt und erleuchtet sie und macht sie lebendig und freundlich.

8.96. Und wenn dann die süße und lichte Liebe-Kraft zu ihnen kommt, so daß sie davon kosten und ihr Leben bekommen, ach, das ist ein freundliches Jubilieren und Triumphieren, ein freundliches Willkommen und eine große Liebe, gar ein freundliches und holdseliges Küssen und Wohlschmecken.

8.97. Dann küßt der Bräutigam seine Braut: Oh Holdseligkeit und große Liebe, wie süß bist du, wie freundlich bist du, wie lieblich ist doch dein Geschmack, wie sanft duftest du doch! Ach, edles Licht und Klarheit, wer kann deine Schönheit ermessen, wie zierlich ist deine Liebe, wie schön sind deine Farben! Ach und ewiglich Ach! Wer kann das aussprechen? Und was schreibe ich darüber, der ich doch nur wie ein Kind stammle, das gerade reden lernt.

8.98. Womit soll ich es noch vergleichen? Sollt ich es mit der Liebe dieser Welt vergleichen, dann ist es nur ein finsteres Tal. Ach wie groß! Ich kann dich mit nichts vergleichen als nur mit der Auferstehung von den Toten. Da wird in uns das Liebe-Feuer wieder aufgehen und den Menschen freundlich umfangen und unsere herbe, bittere und kalte, sowie finstere und tote Qualität wieder anzünden und uns freundlich umfangen.

8.99. Oh edler Gast, warum bist du von uns gewichen? Oh Grimmigkeit und Herbigkeit, du bist die Ursache! Oh grimmiger Teufel, was hast du getan, der du dich und alle deine schönen Engel in die Finsternis versenkt hast! Ach und immer ach! War doch die holdselige schöne Liebe auch in dir, oh hochmütiger Teufel! Warum ließest du dich nicht genügen? Warst du doch ein Cherub, und im Himmel war nichts schöner als du. Was hast du denn noch gesucht? Wolltest du der ganze Gott sein? Du wußtest doch wohl, daß du eine Kreatur warst und nicht die Wurfschaufel in deiner Hand hast (um das Getreide von der Spreu zu trennen).

8.100. Doch was beklage ich dich, du stinkender Bock!? Oh du verfluchter stinkender Teufel, wie hast du uns verdorben! Was willst du dich noch herausreden? Was wirfst du mir vor? Du sagst, wenn dein Fall nicht geschehen wäre, dann wäre der Mensch nie erdacht (und geschaffen) worden. Oh du Lügenteufel, wenn das nicht geschehen wäre, dann wäre der Salpeter, daraus der Mensch gemacht wurde, der auch in Ewigkeit ist, wie auch der, daraus du gemacht wurdest, in ewiger Freude und Klarheit entstanden, und wäre gleichwohl in Gott aufgestiegen und hätte in den sieben Geistern Gottes die holdselige Liebe gekostet und die himmlische Freude genossen.

8.101. Oh du Lügenteufel, warte noch ein wenig, dann wird dir der Geist deine Schande aufdecken. Ziehe noch eine kleine Weile umher, dann wirst du ausgeprahlt haben. Warte nur, der Bogen ist schon gespannt. Trifft dich der Pfeil, wo wirst du hinfallen? Der Ort ist schon bereitet, und soll nur noch angezündet werden. So trage nur tapfer Holz herzu, daß du nicht erfrierst, dann wirst du wohl schwitzen! Meinst du, du könntest das Licht wiederbekommen? Oh ja, dein ist die Unterwelt („nobis infernum“). Riechst du deine süße Liebe, Fritz? Rate, wie sie heißt? Sie heißt „Hölle“ („Gehenna“), und die wird dich ewig lieben.

8.102. Oh weh, du armer verblendeter Mensch, warum läßt du dir vom Teufel deinen Leib und deine Seele so finster und blind machen? Oh zeitliches Gut und Wollust dieses Lebens, du blinde Hure, warum buhlst du mit dem Teufel?

8.103. Oh (weltliche) Sicherheit, der Teufel wartet auf dich! Oh Hochmut, du bist das höllische Feuer! Oh Schönheit, du bist ein finsteres Tal! Oh Gewalt, du bist ein Wüten und Schmerz des höllischen Feuers! Oh eigenwillige Rache, du bist der grimmige Zorn Gottes!

8.104. Oh Mensch, warum kann dir die Welt zu eng werden? Du willst sie allein haben, und hättest du sie, dann hättest du immer noch nicht genug Raum. Auch das ist des Teufels Hochmut, der aus dem Himmel in die Hölle fiel. Ach Mensch, warum tanzt du noch mit dem Teufel, der dein Feind ist? Bist du nicht besorgt, er könnte dich in die Hölle stoßen? Wie gehst du so sicher? Hast du doch nur ein schmales Steglein, auf dem du tanzt, und unter dem Steg ist die Hölle. Siehst du nicht, wie hoch und gefährlich du gehst? Du tanzt zwischen Himmel und Hölle!

8.105. Oh du blinder Mensch, wie verspottet dich der Teufel! Ach, warum betrübst (bzw. verdunkelst) du den Himmel? Meinst du, du wirst nicht genug in dieser Welt haben? Oh blinder Mensch, Himmel und Erde sind doch dein, und dazu Gott selbst. Was bringst du in diese Welt, oder was nimmst du mit? Ein Engelskleid bringst du in diese Welt mit, aber machst in deinem bösen (unheilsamen) Leben eine Teufelslarve (bzw. Ego-Maske) daraus.

8.106. Oh du armer Mensch, kehre um! Der himmlische Vater hat beide Arme ausgestreckt und ruft dich. Komm nur, er will dich in seine Liebe fassen, denn du bist doch sein Kind! Er hat dich lieb. Wenn er dich anfeinden würde, dann müßte er mit sich selbst uneins sein. Oh nein, das ist er nicht, denn in Gott ist nichts als barmherzige freundliche Liebe und Klarheit.

8.107. Oh ihr Hüter Israels, warum schlaft ihr? Wacht auf vom Schlaf der Hurerei und schmückt eure Lampen („reinigt euer Bewußtsein“, Matth. 25.1)! Der Bräutigam kommt, laßt eure Posaunen erschallen! Oh ihr Geizhälse und Trunkenbolde, wie buhlt ihr mit dem (egoistischen) Geizteufel! So spricht der Herr: „Wollt ihr mein Volk nicht weiden, das ich euch anvertraut habe? Sieh, ich habe euch auf Moses Thron gesetzt und euch meine Herde anvertraut, aber ihr meint nur die Wolle und nicht meine Schäflein. Damit baut ihr eure Palasthäuser! Deshalb will ich euch auf den Thron der Pestilenz (bzw. Krankheit) setzen, und mein Hirte soll meine Schäflein ewig weiden.“

8.108. Ach, du schöne Welt, wie beklagt dich der Himmel, wie betrübst du die Elemente! Oh Bosheit, wann willst du aufhören? Wache auf, wache auf und gebäre, du trauriges Weib! Dein Bräutigam kommt und fordert von dir die Frucht. Warum schläfst du? Siehe, er klopft an!

8.109. Oh holdselige Liebe und klares Licht, bleib doch bei uns, denn es will Abend werden! Ach, Wahrheit, Gerechtigkeit und gerechtes Gericht, wo seid ihr hingekommen? Wundert sich doch der Geist, als wenn er die Welt zuvor nie gesehen hätte. Ach, was schreibe ich gegen die Bosheit der Welt? Ich muß es tun, und die Welt gibt mir dafür des Teufels Dank. Ach! Amen.


Zurück Inhaltsverzeichnis Weiter