Aurora oder Morgenröte im Aufgang

(Text von Jacob Böhme von 1612, deutsche Überarbeitung 2021)

5. Kapitel - Das körperliche Wesen der Engel

Von der körperlichen Substanz, dem Wesen und Eigentum eines Engels.

5.1. Hier steht nun die Frage, was für eine körperliche Form oder Gestalt ein Engel dann habe oder wie er gebildet ist? Gleichwie ein Mensch zu Gottes Bildnis und Gleichnis geschaffen ist, so auch die Engel, denn sie sind wie die Brüder der Menschen. Und so werden die Menschen zur Auferstehung keine andere Form und Bildung haben, als die Engel, wie dies unser König Christus selber bezeugt (in Matth. 22.30: »In der Auferstehung werden sie weder heiraten noch sich heiraten lassen, sondern sie sind gleichwie die Engel Gottes im Himmel.«). So offenbaren sich auch die Engel hier auf Erden den Menschen in keiner (wesentlich) anderen Gestaltung, als in menschlicher.

5.2. Denn wenn wir dann in der Auferstehung den Engeln gleich sein sollen, dann müssen ja die Engel wie wir gebildet sein, sonst müßten wir eine andere Bildung in der Auferstehung annehmen, welches aber der ursprünglichen Schöpfung widersprechen würde.

5.3. So erschienen den Jüngern Christi auch Moses und Elias in ihrer (menschlichen) Form und Gestalt auf dem Berg Tabor (Matth. 17.1), die doch schon lange im Himmel gewesen waren, und Elias war sogar mit lebendigem Leib in den Himmel aufgenommen worden, und hatte doch nun keine andere Gestalt als er auf Erden trug (2.Kön. 2.11). Auch als Christus zum Himmel fuhr, schwebten zwei Engel in den Wolken, die zu den Jüngern sprachen: »Ihr Männer von Israel, was seht ihr ihm nach? Dieser Jesus wird wiederkommen, so wie ihr ihn zum Himmel aufsteigend gesehen habt. (Apg. 1.11)« Das bedeutet ja hell und klar, daß er in solcher Form am Jüngsten Tag wiederkommen werde mit göttlichem und glorifiziertem Leib gleich einem Fürsten der heiligen Engel, wie auch die Menschen sein werden.

5.4. Es zeigt auch der (sehende) Geist hell und klar, daß die Engel und die Menschen ein und dieselbe Bildung haben. Denn Gott hat anstelle der Legionen des verstoßenen Luzifers aus demselben Reich, in dem Luzifer saß und daraus er gemacht wurde, einen anderen Engel geschaffen. Das war Adam, wenn er nur in seiner Klarheit geblieben wäre. Aber es besteht immer noch die gewisse Hoffnung der Auferstehung, dann werden wir englische Klarheit und Reinheit bekommen.

5.5. Nun fragst du vielleicht: „Wie sind denn die Engel nach dem Bild Gottes geschaffen?“ Antwort: Erstlich habe sie einen zusammengebildeten Leib, der unzertrennlich und auch unzerstörbar und für Menschenhände unbegreifbar ist. Denn er ist aus göttlicher Kraft zusammengetrieben, und diese Kraft ist so (ganzheitlich) miteinander verbunden, daß sie ewig nicht zerstört werden kann. So wenig jemand oder etwas die ganze Gottheit zerstören kann, so wenig kann auch etwas einen Engel zerstören, denn ein jeder Engel ist aus allen Kräften Gottes zusammengebildet, nicht mit (vergänglichem) Fleisch und Blut, sondern aus göttlicher Kraft.

5.6. So ist der Körper ursprünglich aus allen Kräften des Vaters, und in diesen Kräften ist das Licht des göttlichen Sohns. So gebären die Kräfte des Vaters und des Sohns, die im Engel kreatürlich werden, einen vernünftigen Geist, der im Engel aufsteigt.

5.7. Zuerst gebären die Kräfte des Vaters ein Licht, mit dem der Engel im ganzen Vater sieht, so daß er auch die äußerliche Kraft und Wirkung Gottes sehen kann, die außerhalb seines Körpers ist. Damit kann er seine Mitbrüder schauen und auch die herrliche Frucht Gottes sehen und genießen, und darin besteht seine Freude.

5.8. Und dieses Licht (des reinen Bewußtseins) ist anfänglich aus dem Sohn Gottes in den Kräften des Vaters in den englischen Leib kreatürlich gekommen und ist des Leibes Eigentum, das ihm durch nichts entzogen werden kann, es sei denn, er verlöscht (bzw. verdunkelt) es selber, wie Luzifer es tat.

5.9. So gebiert nun alle Kraft, die im ganzen Engel ist, dieses Licht. Gleichwie Gott der Vater seinen Sohn zu seinem Herzen gebiert, so gebiert auch die Kraft des Engels diesen Sohn als sein Herz in sich, und das erleuchtet hinwiederum alle Kräfte im ganzen Engel. Danach geht aus allen Kräften des Engels und auch aus dem Licht des Engels ein Quellbrunn hervor und quillt im ganzen Engel. Das ist sein Geist, der in alle Ewigkeit aufsteigt, denn in diesem Geist ist alle Erkenntnis und Wissenschaft aller Kraft und Art, die im ganzen Gott ist.

5.10. Denn dieser Geist quillt aus allen Kräften des Engels und steigt in das Gemüt. Dort hat er fünf offene Tore, durch die er sich umschauen kann, was in Gott ist, und auch, was in ihm ist. Er (der Geist) geht aber aus allen Kräften des Engels aus und auch aus dem Licht des Engels, gleichwie der Heilige Geist vom Vater und Sohn, und erfüllt den ganzen Körper.

5.11. Nun erkenne das große Geheimnis: Gleichwie in Gott zwei (schöpferische) Wesen zu erkennen sind, nämlich erstens der Salpeter oder die göttlichen Kräfte (der Kristallisation), aus denen der Körper entsteht, und zweitens der Mercurius, Ton oder Schall (der lebendigen Reflexion), so geschieht es auch in gleicher Form im Engel.

5.12. Erstlich ist die Kraft, und in der Kraft ist der Ton, der im Geist in das Haupt aufsteigt, in das Gemüt, gleichwie im Menschen im Gehirn, und im Gemüt hat er seine offenen Pforten (der Sinne). Im Herzen hat er seinen Sessel und Ursprung, wo er aus allen Kräften entspringt, denn der Quellbrunn aller Kräfte quillt zum Herzen, wie auch im Menschen. Und im Kopf hat er seinen fürstlichen Thron, wo er alles sieht, was außerhalb von ihm ist, und alles hört, schmeckt, riecht und fühlt.

5.13. Und wenn er nun den göttlichen Ton und Schall aufsteigen sieht und hört, der außerhalb von ihm ist, dann wird sein Geist infiziert und mit Freude entzündet, und er erhebt sich in seinem fürstlichen Thron und singt und klingt gar freudenreiche Worte von Gottes Heiligkeit und von der Frucht und dem Gewächs des ewigen Lebens, von der Herrlichkeit und den Farben der ewigen Freude und vom holdseligen Anblick Gottes des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, auch von der löblichen Bruderschaft und Gemeinschaft der Engel, vom ewigwährenden Freudenreich, von der Heiligkeit Gottes und von ihrem fürstlichen Regiment, in Summe, von allen Kräften und aus allen seinen Kräften, die ich im Unmut meiner Verderbnis im Fleisch nicht beschreiben kann, aber viel lieber selbst dabei wäre.

5.14. Was ich aber hier nicht beschreiben kann, des will ich deiner Seele zu bedenken anbefohlen haben. Du wirst es am Tag der Auferstehung hell und klar sehen. Deshalb solltest du über meinen Geist hier nicht spotten, denn er ist nicht aus einem wilden Tier entsprungen, sondern von meiner Kraft geboren und vom Heiligen Geist erleuchtet.

5.15. Ich schreibe hier nicht ohne Erkenntnis. Wenn du aber als ein Epikureer (Anhänger der Lehre des altgriechischen Philosophen Epikur) oder als Mastschwein des Teufels durch des Teufels Anregung dieser Dinge spotten und sagen wirst „Der Narr ist doch gar nicht in den Himmel gestiegen und hat es gesehen oder gehört! Es sind nur Phantasien!“, dann will ich dich in Kraft meiner Erkenntnis vor das ernste Gericht Gottes zitiert und berufen haben.

5.16. Und wenn ich auch in meinem Leib zu ohnmächtig bin, dich dahin zu bringen, dann ist doch der, von dem ich meine Erkenntnis empfange, mächtig genug, dich sogar in den Abgrund der Höllen zu werfen.

5.17. Darum sei gewarnt und bedenke, daß du auch zum englischen Reigen gehörst, und lies das nachfolgende Liedlein (des folgenden Kapitels) mit Lust, dann wird der Heilige Geist in dir erweckt werden und du wirst auch eine Begierde und Lust zum himmlischen Reigen-Tanz bekommen. Amen.

5.18. Denn der Fiedler hat seine Seiten schon aufgezogen, der Bräutigam kommt! Schau zu, daß du nicht die höllische Gicht an deinen Füßen hast, wenn dann der Reigen beginnt, so daß du zum Engelstanz ganz ungeschickt seist und von der Hochzeit hinausgestoßen werdest, weil du kein englisches Kleid anhast. Wahrlich, die Tür wird hinter dir zugeschlossen werden, und du wirst nicht mehr hineinkommen, sondern du wirst mit den höllischen Wölfen im höllischen Feuer tanzen. Der Spott wird dir dann wohl vergehen, und Reue wird an dir nagen.

Von der Qualifizierung eines Engels

5.19. Nun steht die Frage: „Was für Qualifizierung hat ein Engel (gegenüber den Menschen)?“ Antwort: Die heilige Seele des Menschen und der Geist eines Engels sind und haben eine Substanz und ein Wesen. Hierin gibt es keinen Unterschied, als nur die Qualität selbst in ihrem körperlichen Regiment, die von außen in den Menschen durch die Luft qualifiziert und eine verdorbene irdische Qualität hat. Dagegen hat sie aber auch eine göttliche und himmlische, die den Kreaturen verborgen ist. Aber die heilige Seele versteht das wohl, wie der königliche Prophet David sagt: »Der Herr fährt auf den Flügeln des Windes. (Psalm 104.3)« Im Engel aber qualifiziert die göttliche Qualität ganz heilig, göttlich und rein.

5.20. Nun könnte aber ein Einfältiger fragen: „Was meinst du mit dem Qualifizieren? Was ist das?“ Ich meine hiermit die Kraft, die in den Körper des Engels von außen eingeht und auch wieder heraus, wie im Gleichnis, wenn ein Mensch Atem holt und ihn wieder aus sich herausläßt, denn darin steht das Leben des Körpers und auch des Geistes.

5.21. Die Qualität von außen zündet den Geist im Herzen im ersten Quellbrunnen an, von dem alle Kräfte im ganzen Körper rege werden. Dann steigt diese Qualität im körperlichen Geist, der des Engels oder Menschen Naturgeist ist, in den Kopf auf. Dort hat er seinen fürstlichen Thron und sein Regiment mit seinen Räten, nach denen er sich richtet und entsprechend handelt.

5.22. Das Erste oder der erste Rat sind die Augen, die von allen Dingen infiziert werden, was sie nur ansehen, denn sie sind das Licht. Gleichwie das Licht aus dem Sohn Gottes in den ganzen Vater in alle Kräfte ausgeht und alle Kräfte des Vaters infiziert, und wiederum alle Kräfte des Vaters das Licht des göttlichen Sohnes infizieren, daraus dann der Heilige Geist entsteht.

5.23. So wirken auch die Augen (bzw. das Sehbewußtsein) in einem Ding, das sie ansehen, und das Ding wirkt wiederum in den Augen, und der Rat der Augen bringt es in den Kopf vor den fürstlichen Thron, wo es beurteilt wird. Wenn es nun dem Geist gefällt, dann bringt er es zum Herzen, und das Herz gibt es den Kraftgängen oder Quelladern im ganzen Körper, so daß dann Mund, Hände oder Füße entsprechend handeln.

5.24. Der zweite Rat sind die Ohren, die ihr Aufsteigen auch aus allen Kräften im ganzen Körper durch den Geist haben. Ihr Quellbrunn ist der Mercurius oder Schall, der aus allen Kräften aufsteigt und schallt (darin auch der himmlische Ton oder die himmlische Freude besteht. Und der Ton kommt aus allen Kräften, und in der Zusammenfügung des Geistes in Gott erhebt er sich, wenn eine Kraft die andere erregt, und tönt oder schallt. Dann geht der Ton oder Schall aus und steigt wieder auf in alle Kräfte des Vaters, und alle Kräfte des Vaters werden wiederum damit infiziert, so daß sie des Tones immer schwanger sind und ihn in jeder Kraft immer wieder gebären).

5.25. So ist auch der zweite Rat im Kopf, die Ohren, die da offenstehen, und der Schall (bzw. das Hörbewußtsein) geht durch sie aus in alles, was da schallt. Wenn nun der Mercurius (das reflektierende Bewußtsein) erschallt und sich erhebt, dann geht auch der Mercurius des Geistes hinein und wird damit infiziert und bringt es vor den fürstlichen Thron im Kopf, wo es durch die anderen vier Räte beurteilt wird.

5.26. Und wenn es dem Geist gefällt, dann bringt er es vor seine Mutter in das Herz, und das Herz oder der Quellbrunn des Herzens gibt es aller Kraft im ganzen Körper, so daß dann Mund und Hände zugreifen. Wenn es aber dem ganzen fürstlichen Rat im Kopf nicht gefällt, nachdem es beurteilt wurde, dann läßt er es wieder von sich und bringt es nicht der Mutter, dem Herzen.

5.27. Der dritte fürstliche Rat ist die Nase. Hier steigt der Quellbrunn im Geist aus dem Körper in die Nase auf, wo er zwei offene Pforten hat. Gleichwie der liebliche und holdselige Geruch aus allen Kräften des Vaters und des Sohnes ausgeht und sich mit allen Kräften des Heiligen Geistes temperiert (und ausgleicht), dadurch der heilige und hochteure Geruch aus dem Quellbrunn des Heiligen Geistes aufsteigt und in allen Kräften des Vaters wallt und alle Kräfte des Vaters anzündet, so daß sie wiederum vom holdseligen Geruch schwanger werden und im Sohn und Heiligen Geist gebären.

5.28. So steigt auch im Engel und Menschen die Kraft des Geruchs aus allen Kräften des Körpers durch den Geist auf und fährt zur Nase heraus (als Geruchsbewußtsein, das nach dem Geruch greift) und infiziert sich mit allem Geruch und bringt ihn durch die Nase, dem dritten Rat, in den Kopf vor den fürstlichen Thron. Hier wird es beurteilt, ob es ein guter Geruch ist, der entsprechend seiner (persönlichen) Komplexion annehmlich sei oder nicht. Ist er gut, dann bringt er ihn der Mutter, so daß er ins Werk kommt, wenn nicht, dann wird er ausgestoßen (bzw. verworfen). Und dieser Rat des Geruchs, der sich aus dem Salpeter gebiert, ist auch mit dem Mercurius vermischt und gehört zum himmlischen Freudenreich, und ist ein herrlicher, lieblicher und schöner Quellbrunn in Gott.

5.29. Der vierte fürstliche Rat ist der Geschmack auf der Zunge, der auch aus allen Kräften des Körpers durch den Geist (als Geschmacksbewußtsein) in die Zunge aufsteigt, denn alle Quelladern des ganzen Leibes gehen auch in die Zunge, und die Zunge ist aller Kräfte Schärfe oder Geschmack.

5.30. Gleichwie der Heilige Geist vom Vater und Sohn ausgeht und die Schärfe oder Beurteilung aller Kräfte ist, und in seinem Wallen oder in seinem Aufsteigen alles, was da gut ist, wiederum in alle Kräfte des Vaters bringt, davon des Vaters Kräfte wieder schwanger werden und den Geschmack immerfort gebären. Was aber nicht gut ist, das speit der Heilige Geist aus, wie einen Ekel, wie auch in der Offenbarung Johannis steht (in Offb. 3.16). Und wie er auch den Großfürsten Luzifer in seinem Hochmut und Verderben ausspie (denn diese feurige, überheblich stolze und stinkende Qualität konnte ihm nicht mehr schmecken), so geht es auch allen Menschen, die nach überheblichem Stolz stinken.

5.31. Oh Mensch, laß dir dies gesagt sein, denn der Geist eifert ernsthaft in dieser Art. Laß ab vom Hochmut, oder es geht dir wie den Teufeln! Das ist kein Scherz. Die Zeit ist gar kurz, und du wirst es bald schmecken, das höllische Feuer.

5.32. Wie nun der Heilige Geist alles beurteilt, so beurteilt auch die Zunge allen Geschmack. Und wenn es dem Geist gefällt, dann bringt er es in den Kopf vor die anderen vier Räte und den fürstlichen Thron, wo es beurteilt wird, ob es auch den Qualitäten des Leibes nützlich sei. Und wenn es gut ist, dann wird es in die Mutter des Herzens gebracht, die es allen Adern oder Kräften des Leibes gibt, und dann greifen Mund und Hände zu. Wenn es aber nicht gut ist, dann speit es die Zunge aus, noch bevor es vor den fürstlichen Rat kommt. Wenn es aber der Zunge gefällt und wohlschmeckt, aber dem ganzen Körper nicht dient, dann wird es doch, wenn es vor den Rat kommt, verworfen, und die Zunge muß es ausspeien und nicht mehr anrühren.

5.33. Der fünfte fürstliche Rat ist das Fühlen. Dieser fünfte Rat steigt auch aus allen Kräften des Körpers im Geist (als Gefühlsbewußtsein) in den Kopf auf. Denn gleichwie aus Gott dem Vater und Sohn alle Kräfte im Heilige Geist ausgehen und eine die andere erregt, dadurch der Schall oder Mercurius (des reflektierenden Bewußtseins) entsteht, so daß alle Kräfte tönen und sich bewegen. Denn wenn eine die andere nicht erregte, dann bewegte sich auch nichts, und das Regen macht den Heiligen Geist beweglich, so daß er in allen Kräften aufsteigt und alle Kräfte des Vaters erregt, in denen dann das himmlische Freudenreich oder Triumphieren entsteht, sowie alles Schallen, Tönen, Gebären, Blühen und Wachsen. Das hat alles dadurch sein Aufsteigen, weil eine Kraft die andere erregt. Denn Christus spricht im Evangelium: »Ich wirke, und mein Vater wirkt auch. (Joh. 5.17)« Mit diesem Regen oder Wirken meint er, daß alle Kraft von ihm ausgeht und den Heiligen Geist gebiert, und im Heiligen Geist sind schon alle Kräfte vom Ausgehen des Vaters rege. Darum wallt der Heilige Geist und steigt auf von Ewigkeit zu Ewigkeit und zündet wiederum alle Kräfte des Vaters an und macht sie rege, so daß sie immerfort schwanger sind.

5.34. Eine eben solche Gestaltung gibt es auch in Engeln und Menschen, denn alle Kräfte im Körper steigen auf, und eine erregt die andere, sonst könnten weder Engel noch Mensch etwas fühlen. Wenn aber ein Glied zu sehr erregt wird, dann schreit es den ganzen Leib um Hilfe an, und der ganze Leib erregt sich wie in großem Aufruhr, als ob ein Feind droht, und kommt diesem Glied zu Hilfe, um es von den Schmerzen zu erlösen. Wie du das auch erkennen kannst, wenn du dich einmal hart an einem Finger stößt, ihn quetschst oder verwundest, oder an einem anderen Körperglied, wo es wolle, dann läuft bald der Geist von diesem Ort zur Mutter, dem Herzen, und klagt es der Mutter. Und wenn der Schmerz groß genug ist, dann weckt die Mutter alle Glieder des ganzen Leibes auf, und so muß alles diesem Glied zu Hilfe kommen.

5.35. Nun erkenne: So erregt ohne Unterlaß eine Kraft die andere im ganzen Körper, und alle Kräfte steigen in den Kopf zum fürstlichen Rat auf, der das Regen aller Kräfte beurteilt. Wenn sich aber ein Glied zu sehr erregt und irgendeinem fürstlichen Ratsherrn Schaden bringt, wie durch das Sehen, das etwas lieben wollte, was ihm nicht gebührt, solches Regen schaffen die Ratsherren ab. Auf diese Weise geschah es auch Herrn Luzifer, der den Sohn Gottes sah, sich in das hohe Licht verliebte und sich zu sehr (und überheblich) bewegte und regte, nämlich im Willen, ihm gleich oder noch schöner und höher zu werden.

5.36. Oder was sich durch das Hören zu sehr regen und bewegen will, und gern falsche Reden oder Sachen hören und diese dem Herzen bringen möchte, solches schaffen die Ratsherren auch ab.

5.37. Oder was sich durch das Riechen nach dem gelüsten lassen will, was nicht sein ist, solches Regen schaffen die Räte auch ab. Und so geschah es auch Herrn Luzifer, der sich des heiligen Geruchs des Sohnes Gottes gelüsten ließ und vermeinte, er würde in seiner (überheblichen) Erhebung und Anzündung noch viel lieblicher riechen, wie er dann auch Mutter Eva entsprechend betrog und ihr sagte, wenn sie vom verbotenen Baum äße, dann würde sie klug und Gott gleich werden.

5.38. Oder was sich durch das Schmecken gelüsten läßt, um das zu essen, was nicht des Leibes Qualität oder nicht sein ist, solches Regen in der Lust schaffen die Räte auch ab, wie sich Mutter Eva im Paradies nach des Teufels Sau-Äpfeln gelüsten ließ und davon aß.

5.39. Zusammengefaßt: Es sind darum fünf im fürstlichen Rat, damit einer dem anderen Ratschlag geben soll, denn ein jeder hat eine besondere Qualität. Und der zusammengefügte Geist, der sich aus allen Kräften gebiert, der ist ihr König oder Fürst, und sitzt im Kopf im Gehirn des Menschen, wie auch im Engel in der Kraft anstelle des Gehirns im Kopf, auf seinem fürstlichen Thron und vollstreckt dasjenige, was vom ganzen fürstlichen Rat beschlossen worden ist. (Der Fürst gleicht dem gedanklichen Verstand, und der König sollte die ganzheitliche Vernunft sein.)


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