Aurora oder Morgenröte im Aufgang

(Text von Jacob Böhme von 1612, deutsche Überarbeitung 2021)

3. Kapitel - Die Heilige Dreifaltigkeit

Von der hochgesegneten, triumphierenden, heiligen, heiligen, heiligen Dreifaltigkeit von Gott Vater, Sohn und Heiligem Geist im Einigen Gott.

3.1. Günstiger Leser, hier will ich dich treulich ermahnt haben, daß du deinen Dünkel (des eigenwilligen Denkens) fahrenläßt, dich nicht nach heidnischer Gelehrtheit vergaffst, und dich auch an der Einfalt des Autors nicht ärgerst. Denn dieses Werk kommt nicht vom Trieb seines Verstandes, sondern des Geistes. Sehe nur zu, daß du den Heiligen Geist, der von Gott ausgeht, in deinem Geist hast, denn er wird dich in alle Wahrheit leiten und sich dir offenbaren. Dann wirst du in seinem Licht und seiner Kraft wohl bis in die Heilige Dreifaltigkeit schauen und verstehen, was im Folgenden geschrieben steht.

Von Gott, dem Vater

3.2. Als unser Heiland Jesus Christus seinen Jüngern das Beten lehrte, sprach er: »Wenn ihr beten wollt, dann sprecht: „Unser Vater, der du bist im Himmel…“ (Matth. 6.9)« Darunter sollte man nicht verstehen, daß der Himmel den Vater begreifen oder umfassen könnte, denn auch er ist aus der göttlichen Kraft gemacht.

3.3. Denn Christus spricht: »Mein Vater ist größer als alles. (Joh. 10.29)« Und im Propheten spricht Gott: »Der Himmel ist mein Thron, und die Erde ist mein Fußschemel. (Jes. 66.1)« Oder auch: »Was wollt ihr mir für ein Haus bauen? Ich umfasse den Himmel mit einer Spanne und den Erdenboden mit einem Dreiling. (Jes. 40.12)« Oder auch: »In Jakob will ich wohnen, und Israel soll meine Hütte sein. (Psalm 135.4, Sir. 24.13)«

3.4. Daß aber Christus seinen Vater einen himmlischen Vater nennt, damit meint er, daß seines Vaters Glanz und Kraft ganz lauter, hell und rein im Himmel erscheint, aber daß über dem Umkreis oder Abschluß, den wir da mit unseren Augen sehen und Himmel nennen, die ganze triumphierende Heilige Dreifaltigkeit von Vater, Sohn und Heiligem Geist erscheint.

3.5. So unterscheidet damit auch Christus seinen himmlischen Vater vom Vater der Natur, der die Sterne und Elemente verkörpert. Denn diese sind unser natürlicher Vater, aus dem wir gemacht sind und in dessen Trieb wir hier in dieser Welt leben und von welchem wir unsere Speise und Nahrung nehmen.

3.6. Aber der himmlische Vater ist deshalb unser himmlischer Vater, weil sich unsere Seele stets nach ihm sehnt und ihn begehrt. Ja, sie dürstet und hungert stets nach ihm. Dagegen hungert und dürstet der Leib nach dem Vater der Natur, also den Sternen und Elementen, und dieser Vater speist und tränkt ihn auch. Die Seele aber dürstet und hungert stets nach dem himmlischen und heiligen Vater, und er speist und tränkt sie auch mit seinem Heiligen Geist und Freudenquell.

3.7. Nun haben wir aber nicht zwei Väter, sondern nur einen: Denn der Himmel ist aus seiner Kraft gemacht, und die Sterne aus seiner Weisheit, denn Kraft und Weisheit sind in ihm und gehen von ihm aus.

Von der Substanz und Eigenschaft des Vaters

3.8. Wenn man nun die ganzheitliche Natur und ihre Eigenschaft betrachtet (und durchschaut), dann sieht man den Vater. Und wenn man den Himmel und die Sterne anschaut, dann sieht man seine ewige Kraft und Weisheit. Und so viele Sterne unter dem Himmel stehen, die doch unzählig, dem Verstand unbegreiflich und zum Teil auch unsichtbar sind, so vielfältig und mancherlei ist auch die Kraft und Weisheit des göttlichen Vaters.

3.9. Entsprechend hat auch ein jeder Stern am Himmel eine etwas andere Kraft und Qualität als die anderen, so daß sie auch so vielerlei Unterschiede in und unter den Kreaturen auf Erden und in der ganzen Schöpfung bewirken. Nun rühren aber alle Kräfte, die in der Natur sind, aus Gott her, dem Vater. Alles Licht, Hitze, Kälte, Luft, Wasser und alle Kräfte der Erde, bitter, sauer, süß, herb, hart, weich und was man nicht aufzählen kann, das hat alles seinen Ausgang vom Vater.

3.10. Wenn man aber den Vater mit etwas vergleichen will, dann kann man ihn mit der runden Kugel des Himmels vergleichen. Denn du solltest nicht denken, daß jede Kraft, die im Vater ist, an einem besonderen Teil oder Ort im Vater steht, wie die Sterne am Himmel. Nein, sondern der (sehende) Geist zeigt, daß alle Kräfte im Vater ineinander sind, wie eine einzige Kraft. Dazu findet man ein Bild im Propheten Hesekiel (Hes. 1.15), der den Herrn im Geist und Sinnbild gleich einem Rad sieht, wo vier Räder ineinander sind (bzw. wirken). Alle vier waren eines wie das andere, und wenn sie gingen, dann gingen sie einfach für sich, und nach welcher Seite der Wind ging, dahin gingen sie alle vier für sich, und keines bedurfte einer Umkehr. So ist auch Gott der Vater, denn alle Kräfte sind im Vater ineinander wie eine einzige Kraft, und alle Kräfte bestehen im Vater in einem unerforschlichen Licht und Klarheit.

3.11. Du solltest nicht denken, daß Gott im Himmel und über dem Himmel steht und wie eine Kraft und Qualität wallt, die keine Vernunft und Wissenschaft in sich hat, wie eine Sonne, die in ihrem Kreis herumläuft und die Hitze und das Licht von sich ausschüttet, ob es nun der Erde und den Kreaturen schadet oder frommt, welches denn freilich geschähe, wenn die anderen Planeten und Sterne nicht dagegenwirkten. Nein, so ist der Vater nicht, sondern er ist ein allmächtiger, allweiser, allwissender, allsehender, allhörender, allriechender, allfühlender und allschmeckender Gott, der da in sich sanft, freundlich, lieblich, barmherzig und freudenreich ist, ja, er ist die Freude selbst.

3.12. So ist er von Ewigkeit zu Ewigkeit unveränderlich, denn er hat sich in seinem Wesen noch nie verändert, und wird sich auch in alle Ewigkeit nicht verändern. Denn er ist aus nichts entstanden oder geboren, sondern ist selbst alles in Ewigkeit, und alles, was da ist, das ist durch seine Kraft geworden, die von ihm ausgeht. Die ganze Natur und alle Kreaturen sind aus seiner Kraft geworden, die von ihm seit Ewigkeit ausgegangen ist. Seine Weite, Höhe und Tiefe kann keine Kreatur, auch kein Engel im Himmel erforschen, sondern die Engel leben in des Vaters Kraft ganz sanft und freudenreich, und singen immer in des Vaters Kraft.

Von Gott, dem Sohn

3.13. Wenn man nun Gott, den Sohn, sehen will, dann müssen wir wieder die natürlichen Dinge anschauen, sonst kann ich nicht von ihm schreiben. Der Geist sieht ihn wohl, aber man kann es nicht reden oder schreiben, denn das göttliche Wesen steht in der (ganzheitlichen) Kraft, die sich nicht schreiben oder reden läßt. Deshalb müssen wir uns Gleichnisse vornehmen, wenn wir von Gott reden wollen, denn wir leben in dieser Welt im Stückwerk und sind aus Stückwerk (bzw. gegensätzlichen Teilen) gemacht worden. Deswegen will ich den Leser auch in jenes Leben berufen, wo ich eigentlicher und klarer mit ihm von diesem hohen Thema reden kann. Bis dahin möge der liebhabende Leser auf den geistigen Sinn sehen, dann wird es nicht fehlgehen, und er wird auch ein Kräftlein davon abbekommen, sofern es ihn nur danach hungert. Nun erkenne: Die Türken und Heiden sagen, Gott habe keinen Sohn. Hier öffnet die Augen richtig und macht euch nicht selber stockblind, dann werdet ihr den Sohn sehen.

3.14. Der Vater ist Alles, und alle Kraft besteht im Vater. Er ist der Anfang und das Ende aller Dinge, und ohne ihm ist nichts. Denn alles, was da geworden ist, das ist aus dem Vater geworden. Denn vor dem Anfang der Schöpfung der Kreaturen war nichts als nur allein Gott, denn wo nichts ist, daraus wird auch nichts. Jedes Ding muß eine Ursache oder Wurzel haben, sonst wird nichts. Nun sollst du aber nicht denken, daß der Sohn ein anderer Gott sei als der Vater. Du darfst auch nicht denken, daß der Sohn außerhalb des Vaters sei oder ein besonderer Teil ist, als wenn zwei Männer nebeneinanderstehen, so daß einer den anderen nicht begreift. Nein, eine solche Substanz gibt es nicht im Vater und Sohn, denn der Vater ist kein Bild, das mit etwas zu vergleichen ist, sondern der Vater ist der Brunnquell aller Kräfte, und hier sind alle Kräfte ineinander wie eine einzige Kraft. Darum heißt er auch ein Einiger Gott, denn wenn seine Kräfte zertrennt wären, dann wäre er nicht allmächtig. Doch Er ist nun einmal der selbständige, allmächtige und allkräftige Gott.

3.15. Der Sohn aber ist wie das Herz im Vater. Alle Kräfte, die im Vater sind, die sind des Vaters Eigentum, und der Sohn ist das Herz oder der Kern in allen Kräften im ganzen Vater, denn er ist die Ursache der quellenden Freude in allen Kräften im ganzen Vater. Vom Sohn, der da des Vaters Herz in all seinen Kräften ist, steigt die ewige himmlische Freude auf und quillt in allen Kräften des Vaters. Es ist eine Freude, die kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat und noch nie ins Herz eines Menschen gestiegen ist, wie St. Paulus sagt (in 1.Kor. 2.9).

3.16. Wenn aber ein Mensch hier auf Erden mit dem Heiligen Geist aus dem Brunnquell von Jesus Christus erleuchtet wird, so daß die Geister der Natur, die den Vater bedeuten, angezündet (und erleuchtet) werden, dann geht eine solche Freude in seinem Herzen in alle Adern auf, daß der ganze Leib zittert und der Seelengeist triumphiert, als wäre er in der Heiligen Dreiheit (Trinität), welches nur die verstehen, die an diesem Ort zu Gast gewesen sind.

3.17. Dies ist aber nur ein Vorbild oder Anblick des göttlichen Sohns im Menschen, wodurch der Glaube gestärkt und erhalten wird. Denn die Freude kann in einem irdischen Gefäß niemals so groß sein als in einem himmlischen, wo die vollkommene Kraft Gottes vollständig ist.

3.18. Hier muß ich nun im Gleichnis schreiben. Dazu will ich dir ein Gleichnis in der Natur zeigen, wie hier das heilige Wesen in der Heiligen Dreiheit ist: Schau den Himmel an, der wie eine runde Kugel ist und weder Anfang noch Ende hat, sondern der Anfang und das Ende ist überall dort, wo du gerade hinsiehst. So ist auch Gott in und über dem Himmel, und hat weder Anfang noch Ende. Nun siehe weiter den Umreis der Sterne an, die des Vaters vielfältige Kraft und Weisheit bedeuten, denn sie sind auch aus des Vaters Kraft und Weisheit gemacht worden. Der Himmel, die Sterne und die ganze Tiefe (des Raumes) zwischen den Sternen samt der Erde bedeuten also den Vater, und die sieben Planeten bedeuten die sieben Geister Gottes oder die Fürsten der Engel, unter denen auch Herr Luzifer vor seinem Fall gewesen war, welche alle aus dem Vater im Anfang der englischen Schöpfung vor der Zeit der Welt gemacht wurden.

3.19. Nun erkenne: Die Sonne läuft mitten in der Tiefe zwischen den Sternen im runden Kreis, und sie ist das Herz der Sterne (bzw. Planeten) und gibt allen Sternen Licht und Kraft, und sie temperiert (ausgleichend) die Kraft aller Sterne, so daß alles fein lieblich und freudenreich wird. So erleuchtet sie auch den Himmel, die Sterne und die Tiefe über der Erde, und wirkt in allen Dingen, was in dieser Welt ist, und sie ist der König und das Herz aller Dinge in dieser Welt, und dies bedeutet zurecht Gott, den Sohn.

3.20. Denn gleichwie die Sonne mitten zwischen den Sternen und der Erde steht, alle Kräfte erleuchtet und das Licht und Herz aller Kräfte sowie alle Freude in dieser Welt ist, und dazu alle Schönheit und Lieblichkeit in der Sonne Licht und Kraft steht, so ist auch der Sohn Gottes im Vater das Herz und leuchtet in allen Kräften des Vaters, und seine Kraft ist die bewegliche und quellende Freude in allen Kräften des Vaters, und er leuchtet im ganzen Vater, wie die Sonne in der ganzen Welt. Wenn man die Erde wegnehmen könnte, die das Haus der Trübsal oder der Hölle bedeutet, dann wäre die ganze Tiefe (des Raumes) ganz licht an einem Ort wie am anderen. So ist auch die ganze Tiefe im Vater ganz licht an einem Ort wie am anderen, nämlich vom Glanz des Sohns Gottes. Und gleichwie die Sonne eine selbständige Kreatur, Kraft oder Licht ist, die nicht aus allen Kreaturen scheint, sondern in alle Kreaturen, so daß sich alle Kreaturen in ihrer Kraft freuen, so ist auch der Sohn im Vater eine selbständige Person und erleuchtet alle Kraft im Vater und ist des Vaters Freude oder Herz in seinem Zentrum oder seiner Mitte.

3.21. Hier erkenne das große Geheimnis Gottes: Die Sonne ist aus allen Sternen geboren oder gemacht, und so wurde das Licht aus der ganzen Natur genommen und scheint wieder in die ganze Natur dieser Welt und ist mit den anderen Sternen verbunden, als wäre sie mit allen Sternen ein einziger Stern.

3.22. So wird auch der Sohn Gottes aus allen Kräften seines Vaters seit Ewigkeit immerfort geboren und nicht gemacht, denn er ist das Herz und der Glanz aus allen Kräften seines himmlischen Vaters, eine selbständige Person, das Zentrum oder in der Tiefe (bzw. im Raum) der Körper des Glanzes. Denn des Vaters Kraft gebiert den Sohn seit Ewigkeit immerfort. Wenn nun der Vater aufhören würde zu gebären, dann wäre der Sohn nicht mehr, und wenn der Sohn nicht mehr im Vater leuchten würde, dann wäre der Vater ein finsteres Tal, denn des Vaters Kraft stiege nicht von Ewigkeit zu Ewigkeit auf, und so könnte das göttliche Wesen nicht bestehen.

3.23. Also ist der Vater das selbständige Wesen aller Kräfte, und der Sohn ist das Herz im Vater, das aus allen Kräften des Vaters immerfort geboren wird, so daß er des Vaters Kräfte wieder erleuchtet. Aber du solltest nicht denken, daß der Sohn im Vater vermischt sei, so daß man seine Person nicht sehe oder erkenne. Nein, wenn das wäre, dann wäre es nur eine einzige Person. So wenig wie die Sonne aus den anderen Sternen scheint, auch wenn sie aus anderen Sternen ihren Ursprung hat, so wenig scheint auch der Sohn aus den Kräften des Vaters, was seinen Körper anbelangt. Und wenn er auch aus den Kräften des Vaters immer geboren wird, so scheint er doch wiederum in die Kräfte des Vaters, denn er ist eine andere Person als der Vater, aber nicht ein anderer Gott. Er ist ewig im Vater, und der Vater gebärt ihn von Ewigkeit zu Ewigkeit immerfort, und so ist der Vater und der Sohn ein Gott, von gleichem Wesen in der Kraft und Allmacht. Der Sohn sieht, hört, schmeckt, fühlt, riecht und begreift alles wie der Vater. In seiner Kraft lebt und ist alles, was da gut ist, wie im Vater, aber das Böse ist nicht in ihm.

Von Gott, dem Heiligen Geist

3.24. Gott, der Heilige Geist, ist die dritte Person in der triumphierenden heiligen Gottheit. Und so geht vom Vater und Sohn der heilige wallende Freudenquell im ganzen Vater aus, ein liebliches, sanftes und stilles Sausen aus allen Kräften des Vaters und des Sohnes, wie beim Propheten Elia am Berge Horeb (1.Kön. 19.12) und am Pfingsttag bei den Aposteln Christi zu sehen war (Apg. 2.2).

3.25. Wenn man aber seine Person, Substanz und Eigenschaft aus wahrem Grund beschreiben will, dann kann man es nur im Gleichnis vorbilden. Denn den Geist kann man nicht beschreiben, weil er keine Kreatur ist, sondern die wallende Kraft Gottes.

3.26. So siehe nun einmal die Sonne und Sterne an, die vielfältigen Sterne, die unaussprechlich und unzählig sind: Die bedeuten den Vater. Aus diesen Sternen ist die Sonne geworden, denn Gott hat sie daraus gemacht: Diese bedeutet den Sohn Gottes. Dann sind von der Sonne und den Sternen die vier Elemente von Feuer, Luft, Wasser und Erde geworden, wie ich später noch klar beweisen will, wenn ich von der Schöpfung schreiben werde.

3.27. Nun erkenne: Die drei Elemente von Feuer, Luft und Wasser haben dreierlei Bewegung oder Qualifizierung, aber sind nur ein einziges Wesen. Siehe, das Feuer oder die Hitze entsteht aus der Sonne und den Sternen, aus der Hitze entsteht die Luft, und aus der Luft das Wasser. Und in dieser Bewegung oder Qualifizierung stehen das Leben und der Geist aller Kreaturen, auch alles, was in dieser Welt genannt werden kann: Das bedeutet den Heiligen Geist.

3.28. Gleichwie die drei Elemente von Feuer, Luft und Wasser von der Sonne und den Sternen ausgehen, ineinander ein Wesen sind und die lebendige Bewegung und den Geist aller Kreaturen in dieser Welt bewirken, so geht auch der Heilige Geist vom Vater und Sohn aus und bewirkt die lebendige Bewegung in allen Kräften des Vaters. Und gleichwie die drei Elemente in der Tiefe wie ein selbständiger Geist wallen und die Hitze, Kälte und Wolken bewirken und aus der Kraft aller Sterne fließen, und wie alle Kräfte der Sonne und Sterne in den drei Elementen sind, als wären sie selber die Sonne und Sterne, daraus dann Leben und Geist aller Kreaturen entsteht und darin besteht, so geht auch der Heilige Geist vom Vater und Sohn aus und wallt im ganzen Vater, und ist Leben und Geist aller Kräfte im ganzen Vater.

3.29. Hier erkenne das tiefe Geheimnis: Alle Sterne, die man sieht und nicht sieht, die bedeuten die Kraft Gottes des Vaters. Und aus denselben Sternen wird die Sonne geboren, die das Herz aller Sterne ist. Dann geht aus allen Sternen die Kraft, die in jedem Stern ist, in die Tiefe (des Raumes) aus. So geht dann auch der Sonne Kraft, Hitze und Schein in die Tiefe, und in der Tiefe ist die Kraft aller Sterne mit dem Schein und der Hitze der Sonne ein einziges Wesen, eine bewegende Wallung, gleich eines Geistes oder einer Materie, nur daß es keine Vernunft hat, denn es ist nicht der Heilige Geist. So gehört auch das vierte Element (der Erde) zu einem natürlichen Geist, der aber Vernunft haben soll. Dazu geht (der Heilige Geist) aus Gott dem Vater (in seiner Tiefe) aus allen seinen Kräften aus und gebiert den Glanz, das Herz oder den Sohn Gottes in seinem Zentrum. Den vergleicht man der runden Kugel der Sonne, denn er leuchtet über sich, unter sich und neben sich, und so geht der Glanz samt allen Kräften aus dem Sohn Gottes wiederum in den ganzen Vater.

3.30. Nun ist in der ganzen Tiefe des Vaters außer dem Sohn nichts, als die vielfältige und unermeßliche oder unerforschliche Kraft des Vaters. Und die unerforschliche Kraft und das Licht des Sohnes, das ist in der Tiefe des Vaters ein lebendiger, allkräftiger, allwissender, allhörender, allsehender, allriechender, allschmeckender und allfühlender Geist, in dem alle Kraft, Glanz und Weisheit ist, wie im Vater und Sohn.

3.31. Gleichwie in den vier Elementen die Kraft und der Glanz der Sonne und aller Sterne ist, so auch in der ganzen Tiefe des Vaters, und das ist und heißt zurecht der Heilige Geist, der die dritte selbständige Person in der Gottheit ist.

Von der heiligen Dreifaltigkeit

3.32. Wenn man nun von drei Personen in der Gottheit redet oder schreibt, dann darfst du nicht denken, daß es darum auch drei Götter sind, von denen ein jeder für sich herrscht und regiert, gleich den irdischen Königen auf Erden. Nein, eine solche Substanz und Wesen gibt es nicht in Gott, denn das göttliche Wesen steht in der Kraft und nicht im Leib oder Fleisch.

3.33. Der Vater ist die ganze göttliche Kraft, daraus alle Kreaturen geworden sind, und ist seit Ewigkeit immer gewesen, denn er hat keinen Anfang noch Ende. Der Sohn ist im Vater das Herz oder Licht des Vaters, und der Vater gebärt den Sohn von Ewigkeit zu Ewigkeit immerfort, und des Sohnes Kraft und Glanz leuchtet wiederum im ganzen Vater, gleichwie die Sonne in der ganzen Welt.

3.34. Und doch ist der Sohn eine andere Person als der Vater, aber nicht ohne den Vater, und ist auch kein anderer Gott als der Vater. Seine Kraft, Glanz und Allmacht sind nicht kleiner als der ganze Vater.

3.35. Der Heilige Geist geht vom Vater und Sohn aus und ist die dritte selbständige Person in der Gottheit. Gleichwie die Elemente in dieser Welt von der Sonne und den Sternen ausgehen, und ihr bewegender Geist in allen Dingen dieser Welt ist, so ist auch der Heilige Geist der bewegende Geist im ganzen Vater, und geht von Ewigkeit zu Ewigkeit immer vom Vater und Sohn aus und erfüllt den ganzen Vater. Er ist nicht kleiner oder größer als der Vater und der Sohn, denn seine webende Kraft ist im ganzen Vater.

3.36. Alles Dingliche in dieser Welt ist nach dem Gleichnis dieser Dreiheit geworden. Oh ihr blinden Juden, Türken und Heiden, öffnet doch die Augen eures Gemüts, ich will euch das Gleichnis der Heiligen Dreiheit in Gott an eurem Leib und allen natürlichen Dingen zeigen, an Menschen, Tieren, Vögeln und Würmern, sowohl an Holz, Steinen, Kraut, Laub und Gras.

3.37. Ihr sagt, es sei ein Einiges Wesen in Gott, und Gott habe keinen Sohn. Nun öffne die Augen und sieh dich selber an: Ein Mensch ist nach dem Gleichnis und aus der Kraft Gottes in Seiner Dreiheit gemacht. Schau deinen inwendigen Menschen an, dann wirst du das klar und deutlich erkennen, wenn du nicht ein Narr und unverständiges Tier bist. So erkenne: In deinem Herzen, den Adern und im Gehirn hast du deinen Geist. All die Kraft, die sich in deinem Herzen, den Adern und im Gehirn bewegt, darin dein Leben steht, bedeutet Gott, den Vater. Aus dieser Kraft entsteht dein Licht, so daß du in dieser Kraft siehst, verstehst und weißt, was du tun sollst. Denn dieses Licht schimmert in deinem ganzen Leib, und so bewegt sich der ganze Leib in der Kraft und Erkenntnis des Lichtes, und das bedeutet Gott, den Sohn. Denn gleichwie der Vater den Sohn aus seiner Kraft gebiert und der Sohn im ganzen Vater leuchtet, so auch gebiert die Kraft deines Herzens, deiner Adern und deines Gehirns ein Licht, das in all deinen Kräften leuchtet, in deinem ganzen Leib. Öffne die Augen deines Gemüts und denke darüber nach, dann wirst du es so finden.

3.38. Dann erkenne auch: Gleichwie vom Vater und Sohn der Heilige Geist ausgeht und eine selbständige Person in der Gottheit ist, die im ganzen Vater wallt, so geht auch aus den Kräften deines Herzens, den Adern und dem Gehirn die Kraft aus, die in deinem ganzen Leib wallt, und aus deinem Licht (des Bewußtseins) gehen in dieser Kraft Vernunft, Verstand, Kunst und Weisheit aus, um den ganzen Leib zu regieren und auch alles, was außerhalb des Leibes ist, zu unterscheiden. Doch diese Beiden (Kraft und Licht) sind in deinem Regiment des Gemüts nur ein einziges Wesen, nämlich dein Geist, und das bedeutet Gott, den Heiligen Geist. Und der Heilige Geist aus Gott herrscht in diesem Geist auch in dir, wenn du ein Kind des Lichtes und nicht der Finsternis bist.

3.39. Und wegen dieses Lichtes der (ganzheitlichen bzw. heiligen) Vernunft und deren Regiment ist der Mensch von den Tieren unterschieden und ein Engel Gottes, wie ich noch klar beweisen will, wenn ich von der Erschaffung des Menschen schreiben werde.

3.40. Darum erkenne es selbst und achte auf die Ordnung dieses Buches, dann wirst du finden, was dein Herz begehrt und schon immer wünschte.

3.41. So findest du in einem Menschen drei Quellbrunnen: Zuerst die Kraft in deinem ganzen Gemüt, und das bedeutet Gott, den Vater. Danach das Licht in deinem ganzen Gemüt, das dein ganzes Gemüt erleuchtet, und das bedeutet Gott, den Sohn.

3.42. Und zum Dritten geht aus allen deinen Kräften und auch aus deinem Licht ein Geist aus, der vernünftig (ganzheitlich) ist, denn alle Adern samt dem Licht in dir, sowohl Herz und Gehirn und alles, was in dir ist, das macht denselben Geist, und das ist deine Seele und bedeutet zurecht den Heiligen Geist, der vom Vater und Sohn ausgeht und im ganzen Vater regiert, denn die Seele des Menschen regiert im ganzen Leib.

3.43. Der Leib aber oder das tierische Fleisch im Menschen bedeutet die tote und verdorbene (bzw. verhärtete) Erde, was sich der Mensch durch seinen Fall selber so zugerichtet hat, wie später noch an passender Stelle erklärt werden wird.

3.44. So findest du auch die Dreiheit der Gottheit in den Tieren, denn wie der Geist eines Menschen wird und entsteht, so geschieht es auch in einem Tier, und darin ist kein Unterschied. Allein darin liegt der Unterschied, daß der Mensch aus dem besten Kern der Natur von Gott selbst zu seinem Engel und Gleichnis gemacht wurde und im Menschen mit seinem Heiligen Geist herrscht, so daß der Mensch reden, alles unterscheiden und erkennen kann.

3.45. Das Tier aber ist allein aus der wilden Natur dieser Welt geworden, und die Sterne und Elemente haben die Tiere durch ihre Bewegung nach dem Willen Gottes geboren.

3.46. So entsteht auch der Geist in Vögeln und Würmern, und alles hat seinen dreifachen Quell im Gleichnis der Dreiheit der Gottheit. Entsprechend siehst du auch die Dreiheit in der Gottheit in Holz und Steinen, sowohl in Kraut, Laub und Gras, nur daß dies alles irdisch ist. Denn die Natur gebiert nichts, was auch immer in dieser Welt ist, auch wenn es nur kaum eine Stunde bestehen oder bleiben soll, was nicht in der Dreiheit oder nach dem Gleichnis Gottes geboren wird.

3.47. Nun erkenne: Auch in einem Holz, Stein und Kraut sind diese drei Wesen, und es kann nichts geboren werden oder wachsen, wenn unter den dreien nur ein Wesen fehlen sollte. Zuerst die Kraft, aus der ein Leib wird, sei es auch Holz, Stein oder Kraut. Zum Zweiten ist darin ein Saft, und das ist das Herz eines Dinges. Und zum Dritten ist darin eine quellende Kraft, ein Geruch oder Geschmack, und das ist der Geist eines Dinges, davon es wächst und zunimmt. Wenn nun unter diesen Dreien nur eines fehlt, dann kann kein Ding bestehen.

3.48. Darin findest du ein Gleichnis der Dreiheit im göttlichen Wesen in allen Dingen. Nun schau an, was du willst! So soll sich niemand stockblind machen und vermeinen, es sei anders, oder denken, Gott habe keinen Sohn und Heiligen Geist. Ich will dies später, wenn ich von der Schöpfung schreiben werde, noch viel heller, klarer und reiner beweisen, denn ich nehme mein Schreiben und Buch nicht von anderen Meistern. Auch wenn ich viele Beispiele und Zeugnisse der Heiligen Gottes darin anführe, so ist mir doch dies alles von Gott in meinen Sinn geschrieben, so daß ich es ganz zweifellos glaube, erkenne und sehe, nicht im Fleisch, sondern im Geist, im Antrieb und Wallen Gottes.

3.49. Das ist nicht so zu verstehen, als wäre mein Verstand größer als bei allen anderen, die da leben, sondern auch ich bin am Zweig des Herrn nur ein kleines und geringes Fünklein aus ihm. Er mag mich setzen, wohin er will, ich kann ihm das nicht verwehren. So ist dies auch nicht mein natürlicher Wille, den ich aus meinen Kräften vermag, denn wenn mir dieser (sehende) Geist entzogen wird, dann kenne oder verstehe ich meine eigene Arbeit nicht mehr, muß mich auf allen Seiten mit dem Teufel kratzen und schlagen und bin der Anfechtung und Trübsal unterworfen, wie alle gewöhnlichen Menschen. Doch du sollst in den nachfolgenden Kapiteln den Teufel mit seinem Reich bald bloß sehen, und sein überheblicher Stolz und seine Schande soll ihm bald aufgedeckt werden.


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