Schutzrede gegen Gregor Richter

Oberpfarrer in Görlitz. Zu gebührlicher Verantwortung und Ablehnung des schrecklichen Pasquills und den Schmähkarten gegen die Büchlein:

I. Morgenröte im Aufgang
II. Der Weg zu Christo, darin die Büchlein „Von der Buße“, „Von wahrer Gelassenheit“ und „Vom übersinnlichen Leben“ enthalten waren

Welches Pasquill (Schmähschrift) besagter Herr Oberpfarrer dagegen verbreitet hat.

Geschrieben im Jahr 1624, den 10. April. (Deutsche Überarbeitung 2022)

Bemerkung (des Herausgebers von 1715): Es folgt zunächst, wie Jakob Böhme es nennt, das Pasquill und Schmähkarte des Herrn Primarius, das von ihm in lateinischer Sprache geschrieben und Ende März 1624 auf einem Blatt in Görlitz von Joh. Rhamba gedruckt wurde. Dem deutschen Leser wurde dem Lateinischen eine deutsche Übersetzung gegenübergestellt. Weitere Nachrichten über „das Pasquill“ Richters und die Apologie Böhmes finden sich in den Sendbriefen Nr. 50 §4-5, Nr. 60 §3, Nr. 61 §13, Nr. 62 §3-4, Nr. 63 §5-7 sowie in anderen. Die Ermahnung an den Primarius Richter ist von einem Freund Böhmes verfaßt und hier gleichfalls in lateinischer und deutscher Sprache beigefügt worden. (Wir haben in dieser Überarbeitung die Verse des lateinischen Textes weggelassen.)

Pasquill von Gregor Richter

Das von Gregor Richter, Oberpfarrer in seiner Landesstadt Görlitz, gehegte Gericht über die fanatischen Bücher des enthusiastischen Schusters mit dem Titel:

1. Morgenröte im Aufgang
2. Der Weg zu Christo
3. Von wahrer Buße

Zur Ablehnung allen widrigen Verdachts vom Görlitzer Ministerium.

Neue Arten des Redens bringen allgemein neue Irrtümer und neue Widerwärtigkeiten mit sich. Daher Jener sagte: Man müsse ein ungewöhnliches Wort wie eine Klippe im Meer meiden.

Görlitz, gedruckt von Joh. Rhamba, Anno 1624.

I. Gotteslästerung

So viele Zeilen es sind, so viele Gotteslästerungen sind in den Büchern des Schusters zu finden, die nach nichts anderem als nach Schusterpech und nach der garstigen sogenannten Schuhschwärze stinken. Pfui, pfui! Dieser greuliche Gestank sei fern von uns!

Wehe dem Ort, wo solche Gotteslästerungen ungestraft verbreitet werden, wo dergleichen Gotteslästerungen geduldet werden, wo man ungestraft solchen Gotteslästerungen glaubt, wo man frei gestattet, was einer nur erdichtet und schreiben will, wo man ungehindert alles nach Gefallen ausstreuen läßt, und wo man ohne Kränkung glauben darf, was man nur will! Doch Gott wird seine Ehre wunderlich retten, und wird sich seine Ewigkeit von solchen schwärmerischen Schustern, Gerbern, Schneidern, Weibern, Priestern und Doktoren nicht nehmen lassen.

Des Arius Gift, der die Ewigkeit des Sohnes geleugnet hat, ist nicht so schlimm gewesen als dieses Schustergift, das dem ewigen Vater seine Ewigkeit nimmt und ihm mit gotteslästerlichem Mund eine gewisse Größe zueignet. Die Morgenländer sind wegen des Arius Gift mit mohammedanischer Blindheit gestraft worden. Und was für Strafen sind uns vom Himmel vorbehalten, wenn wir nicht mit gebührlichem Ernst diese Pest fern von unserem Vaterland verjagen und mit Stock und Stiel ausrotten?!

Wache doch endlich auf, du gerechtester Richter, wache auf, und beschirme deine göttliche Majestät!

Anno 1624, 7. März

II. Der Schuster ist der Antichrist!

Du, sanftmütiger Christus, hast gesagt: „Mein Wort ist wahr!“ Und du, meineidiger Schuster, sagst nun auch: „Mein Wort ist wahr!“ Welchem soll man nun glauben unter den beiden? Dir, du wahrhaftiger Christus? Oder dir Schuster und deinem Dreck?

Oh Christus, der Heilige Geist hat dich mit Öl gesalbt, mehr als deine Gesellen, und hat dich zum Priester gemacht: Aber dich, du Schuster, hat der Teufel mit Dreck besudelt und zum Ketzer gemacht. Christus hat den Menschen die göttlichen Gebote gelehrt, aber dieser lehrt mit gleichem Ernst die Verzückungen. Christus hat uns auf das Wort und die heiligen Sakramente gewiesen, welche die gläubigen Herzen mit wahrem Glauben empfangen, aber der Schuster weist auf Verzückungen und Träume, welche die gläubigen Herzen des wahren Glaubens berauben. Christus hat von wichtigen, aber der Schuster von liederlichen Sachen gehandelt. Christus hat den weltlichen Reichtum verachtet, aber der Schuster begehrt ihn. Christus hat sein Leben nüchtern zugebracht, aber der Schuster pflegt allgemein trunken und voll zu sein. Christus hat sich des Lachens und der Narrenteidung (Narrenspiele) enthalten, aber der Schuster belacht alles, was er redet. Wenn Christus das Volk belehrt hat, dann hat er es öffentlich getan, aber der Schuster pflegt hingegen heimlich in finsteren Winkeln zu stecken. Christus hat keine königliche Ehre gewollt, aber der Schuster wollte wohl, wenn er nur könnte, ein König und Gott sein. Christus hat keine Titel und eitle Namen begehrt, aber der Schuster erfreut sich an seinen Titeln. Christus ließ sich an dem Namen eines Meisters begnügen, diesen aber soll man einen Doktor und neuen Propheten nennen. Christus hat den Durstigen Wasser des Lebens zu trinken gegeben, aber der Schuster läuft des Morgens zum Wasser des Todes. Christus hat einfachen und gesunden Wein getrunken, aber der Schuster säuft gern ausländischen und Branntwein.

Wenn du nun an diesem den Schuster erkennst, wie den Löwen an seinen Klauen, wolltest du dann seine Bücher lesen? Meide solche als Teufelsdreck und eine äußerste Raserei, und halte dich einfach an die Richtschnur des (Heiligen) Wortes! Auch hüte dich vor den Schülern des Schusters, sei es Adel oder Doktor, Schneider, Mann oder Frau. Herr Christus, steure (verwirre und zerschmettere) die Werkzeuge des Satans und laß ja dein Wort nicht verdunkelt werden!

Im Jahr Christi 1624, 26. März

III. Nachklang oder Zehrpfennig auf den Weg

Die Stadt Görlitz treibt dich, Schuster, dennoch weg und gebietet dir, dahin zu ziehen, wo deine Schriften geachtet werden (nach Schlesien). Geh nur geschwind und zieh weit weg, du leichtfertiger gotteslästerlicher Mund, oder erfahre, du elender Mensch, was dir für Unglück bereitet ist! Du bist wie der Ödipus, den die Erde verschlungen hat: Hüte dich, daß dir dergleichen nicht auch widerfahre! Dessen Schatten hat den Leuten, die bei ihm standen, sehr geschadet. Aber glaube mir, dein Schatten schadet vielen noch viel mehr und heftiger.

Du hast es bisher gotteslästerlich dem Kerinth nachgemacht, indem du wunderliche Sachen erdacht und gekocht hast und grausame Dinge ausrufst. Als dieser Kerinth in einer Badestube saß und über den Herrn Christus lästerte sowie gegen Gott mit seinem Geschwätz wütete, fiel das Haus ein und erschlug ihn. So kommen der Meister und Schüler um.

Dein Dreck, oh Schuster, hat unsere Stadt heftig besudelt. Ach, daß alle diejenigen mit dir wegmüßten, welche deine Schriften billigen! Du hast ganz Schlesien mit deiner Lehre angesteckt. Dort wirst du, wie ich wohl weiß, bei vielen willkommen sein. Wie sie an uraltem Adel anderen vorherleuchten, so leuchten sie auch anderen mit ihrer Neuheit vorher. Ihr aber, seine Brüder, seht zu und besorgt, daß eines solchen Mannes hohe Schriften nicht untergehen! Ei nun, so gehe denn! Und daß du das Wiederkommen vergißt und den Hals dir brichst, du Schuster! Nimm einen Schuh in die Hand und nicht die Feder!

Den 27. März 1624.

Anhang

Kein Irrtum ist so ungereimt, daß er keine Leute habe, die ihm Beifall geben. Der Irrtum, der erst klein ist, wird oft zuletzt am größten. In der Welt wird immerfort einerlei Schauspiel vorgestellt, nur mit veränderter Zeit, Ort und Personen. Man lese die Geschichte der Jahre 1525 und 1535 usw. (Vielleicht eine Anspielung auf das Täuferreich von Münster, das 1535 endete.)

Ende

Gedicht eines Freundes

An den richtenden Oberpfarrer Richter, dem der Ermahner einen anderen Sinn wünscht.

Der Richter aller Welt wird solche Richter richten!
Wo kein Ansehen hilft, die böse Sache schlichten,
Wo man nicht mehr an den Rat appellieren kann,
Noch kein Verketzern hilft bei dem gemeinen Mann.
Dort gilt kein Pfaffenrock noch Ehre dieser Erden:
Der Schuldige wird nach Verdienst gerichtet werden.
Die Kanzel hilft nicht mehr, noch Lästern, noch Geschrei,
Der blinde Pöbel fällt der Lüge nicht mehr bei.
Elende Menschen! Denkt, wie laßt ihr euch nennen?
Was wird doch in dem Gericht einer sagen können,
Wo der erhöhte Ort euch nicht mehr offensteht,
Und euer Richter spricht: Verfluchte von mir geht!

(Eine andere mögliche Übersetzung aus dem Latein:

Die Richter werden vom allseienden Richter gerichtet!
Da nützt die Würde der Hoheit nichts,
Auch nicht an den Rat zu appellieren,
Auch nicht die Frommen vor dem Volk verketzern.
Ob Geistlicher oder Laie,
Der Schuldige wird nach Verdienst gerichtet werden.
Da nützt es nichts, von der Kanzel zu schreien,
Auch nicht die Menschen mit Lügen aufzustacheln.
Elende, bedenkt, wer ihr seid!
Was werdet ihr zum Urteil sagen können?
Wo kein Platz mehr für hohe Podeste ist,
Wer wird der Herr Richter, der Handelnde und der Zeuge sein?)

Richtet nicht, dann werdet ihr auch nicht gerichtet.
Verdammt nicht, dann werdet ihr auch nicht verdammt.

Einleitung des Autors

Christus spricht: »Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen und allerlei Übel von euch reden. Seid fröhlich und getrost, es wird euch im Himmel wohl belohnt werden! Denn so haben sie die Propheten verfolgt, die vor euch gewesen sind. (Matth. 5.11)« Oder: »Ich preise dich, Vater und Herr des Himmels und der Erde, daß du solches den Klugen und Weisen verborgen hast, aber den Unmündigen offenbart. Ja, Vater, denn so ist es wohlgefällig vor dir gewesen. (Matth. 11.1)« Und Christus spricht zu Pilatus: »Mein Reich ist nicht von dieser Welt usw.« Und zu seinen Jüngern sprach er: »Siehe ich sende euch als Schafe mitten unter die Wölfe. (Matth. 10.16)« Um anzudeuten: Wenn Christus in einem Menschen offenbar werden würde, dann müsse er in dieser Welt nur von Feinden umgeben werden, die ohne Unterlaß Christus ausrotten und töten wollen, welches der Weg aller wahren Christen ist, den sie in dieser Welt unter den Dornen des Teufels wandeln müssen. Wie es dem Autor dieses Büchleins, nämlich mir, auch so ergeht, daß der Satan seine Sturmwinde gegen die Gabe des Heiligen Geistes erregt und Christus in seinen Gliedern nicht dulden will, wie auch in diesem Pasquill zu sehen ist, wie der Satan erzürnt ist, wie er so greulich lästert und schmäht, und wie er sich zu einem Richter über Gottes Werk setzt und dieses unterdrücken und ausrotten will.

Verantwortung zum ersten Teil des Pasquills

Das Pasquill fängt so an und spricht: Neue Arten des Redens bringen allgemein neue Irrtümer mit sich.

1. Antwort: Die Schrift spricht: »Prüft Alles, und das Gute behaltet. (1.Thess. 5.21)«

Pasquill: So viele Zeilen es sind, so viele Gotteslästerungen sind in den Büchern des Schusters zu finden, welche greulich nach Schusterpech und Schwärze stinken. Pfui, pfui! Dieser greuliche Gestank sei fern von uns!

2. Antwort: Das Büchlein lehrt den Weg zu Christus ganz ernstlich, und zwar erstlich, wie der Mensch vom gottlosen Weg dieser Welt abgehen und in rechte wahre Buße eingehen solle und müsse und Christus im Glauben anziehen, in Christi Geist neugeboren und in Sinn und Gemüt erneuert werden, um Christus nachzufolgen. Zum Zweiten lehrt es von wahrer Gelassenheit, wie sich der bußfertige Mensch Gott ganz und gar ergeben müsse und in göttlichem Vertrauen alle seine Werke anfangen und vollenden. Und es deutet daneben an, wie der Teufel den Kindern Christi alle Stunden Fallstricke lege, und wie der Mensch nicht anders durch so viele Fallstricke gehen könne, als mit Beten und wahrer Demut, wie ihn Christus selber mit seiner Kraft hindurchführe und erhalte, und wie ein Christenmensch eine Rebe an Christi Weinstock sein und Christi Fleisch essen und sein Blut trinken müsse, wenn er wirklich ein Christ sein will. Ferner lehrt es ernste Bußgebete, wie sich die arme Seele mit großem Ernst in Christi Verdienst, Leiden, Tod und Auferstehen hineinwenden und des bösen irdischen Willens im Tod Christi täglich absterben müsse, und wie sie durch Christi Wunden und Blutvergießen zum Vater gehen müsse. Schließlich zeigt es im Gespräch des Meisters und Jüngers an, was unser ewiges Vaterland sei und wie das Eingehen geschehe. Diese Lehre ist der wahre Grund des Neuen Testaments, wie uns Christus und die Apostel gelehrt haben. Weil aber das Pasquill sagt, es wären so viele Gotteslästerungen wie Zeilen in diesem Büchlein, so ist offenbar, daß er den Heiligen Geist lästert und verschmäht, denn er nennt die Buße und das Gebet eine Gotteslästerung. Denn das Büchlein handelt allein von der Buße und neuen Wiedergeburt.

3. Lieber Herr richtender Richter, wo wollt ihr heraus oder wo wollt ihr hinein, wenn euch der oberste Richter Christus, den ihr an seinen Gliedern schändet, in seinem Zorn erscheinen wird, um den richtenden Richter zu richten, und selber das Recht und der Richter sein wird? Dieser Richter wird nicht einen Primarius oder seinen Anhang ansehen, den er an sich zieht, auch keinen König, Fürsten oder Herrn der Welt, nach ihrer besessenen Macht, auch nicht ihre Gesetze, sondern wird das Leben richten und dieses in seinem Feuer prüfen. Wo wollen dann eure Schändungen und Schmähungen bleiben, die ihr gegen Christus an seinen Gliedern getrieben habt? Es steht geschrieben: »Wer den Heiligen Geist lästert, der hat ewiglich keine Vergebung. (Mark. 3.29)« Was wollt ihr dann darauf antworten, daß ihr wissentlich seine Gabe verlästert und die Kinder Christi so jämmerlich verfolgt habt, wenn Christus sagen wird: »Was ihr diesen meinen geringsten Brüdern getan habt, das habt ihr mir getan.« Was wollt ihr darauf zur Antwort geben?

4. Ihr verachtet mich, weil ich ein Laie bin und mit meiner Wissenschaft nicht von der hohen Schule komme, und pfuit meine Gaben an, welche ich doch von Gott als ein edles Geschenk empfangen habe, das mir auch lieber ist als die ganze Welt. Und ihr verleumdet auch mein Handwerk mit eurem Anpfuien und nennt es samt meiner Gabe einen Gestank. Wie wird es euch wohl ergehen, wenn dann solche Lästerungen in Leib und Seele aufwachen und euer Pfui, mit dem ihr die Gabe des Heiligen Geistes anpfuit, in euch erwacht und mit Gottes Zorn angesteckt würde, so daß euch die Welt zu eng wird? Was würdet ihr dann darum geben wollen, daß ihr ein solches nicht getan hättet?! Der Geist, welcher euch jetzt erfreut, so daß ihr euren Übermut mit Lästern und Schmähen an mir auslassen könnt, der könnte euch wohl noch zum höllischen Feuer werden und ins Gewissen treten: Wo wollt ihr dann bleiben? Ihr treibt mir die Tränen und das ernste Gebet gegen euer Gotteslästern heraus, indem ihr mich ganz mit Unwahrheit beschuldigt. Seht zu, daß meine Tränen nicht auf eurem Haupt zu glühenden Kohlen werden! Ich habe viel für euch zu Gott gebetet, daß euch Gott erleuchten und die Wahrheit zu erkennen geben wollte. Aber ihr werdet immerzu ärger mit Lästern: Ich will an euch unschuldig sein, auch wenn Gottes Zorn euch ergreifen würde.

5. Lieber Herr Primarius, warum verachtet ihr mich, weil ich ein Laie bin und hohe, göttliche und natürliche Erkenntnis habe? Meint ihr, daß der Heilige Geist an euere Schulen gebunden sei? Sprach doch Christus, unser Meister und Lehrer: »Mein Vater will den Heiligen Geist allen geben, die ihn darum bitten.« Oder: »Bittet, so werdet ihr empfangen, klopfet an, so wird euch aufgetan.« Ich habe meine Gabe durch ernstes Bitten und Anklopfen empfangen und ein solches geschmeckt, welches ich um aller Welt Ehre und Gut nicht hergeben wollte und auch nimmermehr verleugnen kann. Warum schreibt ihr die Gabe Gottes dem Teufel zu? Seht doch zurück in die Welt, was Gott für einfältige Leute zu seinem Werk oft gebraucht hat! Wer war Abel, Seth, Henoch und Noah? Wer waren die Erzväter? Schafhirten, welche auch keine Doktoren waren. Wer war Moses? Ein Schafhirte. Wer war David? Ein Schafhirte. Wer waren die Propheten, besonders Elischa und Habakuk? Einfältige fromme Leute, die mit Ackerwerk umgingen. Wer war Maria, die Mutter Christi? Ein armes, frommes und verwaistes Jungfräulein. Wer war Christi Pflegevater in seiner Kindheit? Ein Zimmermann. Wer waren Christi Apostel? Allesamt arme und einfältige Handwerksleute wie Fischer und dergleichen. Warum verwarf sie Christus nicht, weil sie nicht studiert hatten? Pfuite er sie auch an, weil sie Handwerksleute waren, wie ihr es tut? Was ist der Christen Adel von Anfang an gewesen? Demut und Gottesfurcht. Wo liegt nun euer großer Ruhm in der Schrift mit der Kunst? Weist ihn mir doch! St. Paulus war ein Schriftgelehrter, aber als er ein Christ wurde, mußte er erst in seiner Kunst und Weisheit ein Narr werden, damit die göttliche Weisheit in ihm stattfinden konnte. Was pocht ihr dann auf eure Kunst, wenn ihr euch einen Christen nennt? Wißt ihr nicht, daß wir in Christus alle nur Einer sind? Und der ist Christus in uns allen.

6. Wenn uns nun Christus lehrt und liebt, was verflucht ihr uns dann und nennt Christus in uns einen Gestank? Hat es nicht ein böses Ansehen, als wäre der böse Geist in euch, der Christus nicht dulden kann, und auch nicht gern sieht, daß die Menschen Buße tun und beten, weil ihr die Buße und das Gebet einen Gestank nennt? Welches ihr nicht in Abrede stellen könnt, weil ihr sagt, es sei in jeder Zeile eine Gotteslästerung, und verbietet es den Leuten zu lesen, bei ewiger Strafe.

7. Lieber Herr Primarius, öffnet doch euer Herz und lest das Büchlein recht! Ihr werdet ein anderes darin finden. Ihr habt es wohl noch nie gelesen, das sehe ich an den Titeln eures Pasquills. Denn ihr setzt die Titel unrecht und habt das Büchlein „Von wahrer Gelassenheit“ und von der Nachfolge Christi darin noch nie gesehen. Ihr setzt die „Morgenröte“ als das erste Buch, davon ihr wenig und nichts wißt, und den „Weg zu Christus“ als das zweite Büchlein, obwohl es doch kein Büchlein ist, sondern nur der Generaltitel. Und das Büchlein „Von der Buße“ setzt ihr als das dritte Buch, obwohl es doch das erste im Gedruckten („Weg zu Christus“) ist, und habt das letztere noch nie gesehen.

8. Herr Primarius! Der Satan hat euch verblendet und in den Zorn geführt, so daß ihr es vor Zorn nicht lesen konntet. Sondern er ist sogleich mit euch zur Schmähung und Lästerung geeilt, denn in seinen Augen ist es ein Gestank, und so seid ihr ihm gefolgt. Lieber Herr Primarius, treibt doch die bösartigen Affekte von euch und lest es recht, ihr werdet etwas ganz anderes darin finden. Wißt ihr auch, daß Gott etliche Menschen dadurch bekehrt hat, so daß sie in wahrer Buße eingegangen sind und dasjenige erlangt haben, was Christus uns zugesagt hat, nämlich die Gabe des Heiligen Geistes?

9. Herr Primarius, es gibt mächtige Beispiele, und die Gabe dieser Menschen vom Heiligen Geist nennt ihr alle einen Gestank. Daran kann man spüren, daß dieses Büchlein dem Teufel ganz zuwider ist und daß in euch kein guter Geist wohnen könne, weil er Gottes Gabe lästert. Denn ihr sprecht: Dieser Gestank, nämlich Buße tun und beten, welches dieses Büchleins ganzer Inhalt ist, sei fern von euch. So dürfte es ja wohl geschehen, daß Gottes Gabe fern von euch komme und sei.

Ihr sagt auch im Pasquill: Diesen Orten hänge große Strafe an, wo solche Gotteslästerungen ungestraft erdacht, geschrieben, verbreitet und geglaubt werden, wo man auch frei und ungehindert, was man nur will, erdenken, schreiben, verbreiten und glauben kann.

10. Antwort: Ja, lieber Herr Primarius, ich glaube es auch, daß diesen Orten, wo man die Gabe Gottes verlästert und dem Teufel zuschreibt, große Strafen anhängen. Aber auch dem irdischen Menschen, der einen solchen Ernst der Buße gebraucht, hängt natürlich große Strafe an, denn er muß täglich getötet und der Welt zum Narren werden, wenn er den göttlichen Weg wandeln soll. Ihr seht ja wohl, wie ich von euch auf diesem Weg gestraft werde, und nicht nur von euch, sondern ihr hetzt mir durch das Schmähen auch die ganze Stadt auf den Hals, so daß sie euch glauben und mich strafen. Aber es ist Christi Malzeichen.

11. Daß ihr aber den Leuten ein Modell des Glaubens vorschreiben wollt, so daß nicht ein jeder in seiner göttlichen Gabe glauben soll, wie sich ihm der Geist Gottes in seiner Seele offenbart, dazu gehört ein anderes Pasquill, denn dieses genügt dazu nicht. Daß ihr ihnen aber mit Strafe droht, das glaube ich euch sehr wohl, denn hättet ihr die Gewalt, dann müßten sie alle ins Feuer oder aus dem Land.

12. Daß ihr auch sagt, der Weg zur Buße sei eine erdachte Lehre, das sagt das Neue Testament nicht. Denn wo Christus das Evangelium mit Johannes dem Täufer beginnt, da sagt er: »Tut Buße!« Und mein Büchlein sagt das auch.

13. Herr Primarius, der natürliche Mensch vernimmt nichts von diesem Weg. Ihr dürft ihn nicht bestrafen, denn er geht ohnedies auf des Teufels Wegen, bis ihn Christus in der Buße erleuchtet. Seht euch nur selber an und prüft euch, ob ihr auch selber auf solchem Weg seid, ehe ihr mir und anderen Kindern Gottes Ziel und Maß in unseren Gottesgaben vorschreibt, da euer Vorschreiben doch nur entehrendes Schmähen ist.

Weiter spricht das Pasquill: Gott wird seine Ehre wunderlich erretten und sich seine Ewigkeit von solchen schwärmerischen Schustern, Gerbern, Schneidern, Weibern, Priestern und Doktoren nicht nehmen lassen.

14. Antwort: Ich halte auch dafür und glaube es fest, daß sich Gott seine Ehre, welche er in Jesus Christus mit dem Sieg über Tod und Hölle in uns armen Menschen offenbart hat, von keinem Teufel nehmen lassen wird, viel weniger von einem Primarius, Doktor, Priester, Schuster, Schneider, Gerber oder Weib. Sondern, wer von ihnen Buße tut und sich zu ihm bekehrt, denen wird er seine Ehre schenken. Ich glaube auch wohl, daß er seine Kinder selbst von allem Übel erretten und selig machen wird.

Pasquill: Des Arius Gift, welcher die Ewigkeit des Sohns Gottes geleugnet hat, ist nicht so schlimm noch so schädlich gewesen wie dieses Schustergift, das dem ewigen Vater seine Ewigkeit nimmt und auf gotteslästerlicher Weise die Vierheit oder Vierfaltigkeit lehrt. Die Morgenländer sind wegen der Ketzerei des Arius mit mohammedanischer Finsternis schrecklich bestraft worden: Was sollen dann wir für schreckliche Strafen zu erwarten haben, wenn wir dieses Gift nicht mit schuldigem Ernst von unserem Vaterland wegjagen und ganz ausrotten?!

15. Antwort: Herr Primarius, zu diesem sage ich lauter „Nein“. Ihr könnt das in Ewigkeit nicht beweisen, daß ich Gott den Vater seine Ewigkeit nehme, viel weniger, daß ich die Vierheit der Gottheit lehre. Ihr habt da eine lange Zeit grundlos über mich gedichtet und mir meine Schriften mit fremdem Verstand herangezogen und auf der Kanzel gesagt, ich hätte geschrieben: „Der Sohn Gottes wäre aus Quecksilber gemacht.“ Das sollt ihr beweisen, oder es soll ewig eine Unwahrheit bleiben, und in solcher Unwahrheit möchte wohl Pfui sein.

16. Ich bekenne Einen ewigen Gott, der das ewige, uranfängliche, einige und gute Wesen ist, das jenseits aller Natur und Kreatur in sich selbst wohnt und keines Ortes noch Raumes bedarf, auch keiner Meßbarkeit, viel weniger einem Begriff der Natur und Kreatur unterworfen ist. Und ich bekenne, daß dieser einige Gott dreifaltig in Personen sei, in gleicher Allmacht und Kraft als Vater, Sohn und Heiliger Geist. Und ich bekenne, daß dieses dreieinige Wesen auf einmal zugleich alle Dinge erfülle und auch aller Dinge Grund und Anfang gewesen war und immer noch ist. Mehr noch glaube und bekenne ich, daß die ewige Kraft, als das göttliche Hauchen oder Sprechen, ausgeflossen und sichtbar geworden sei. Und in diesem ausgeflossenen Wort stehen der innere Himmel und die sichtbare Welt samt allem kreatürlichen Wesen, so daß Gott alle Dinge durch sein Wort gemacht habe.

17. Herr Primarius, daß ich in der Aurora von Salpeter und Mercurius (Quecksilber) geschrieben habe, damit meine ich nicht den bloßen reinen Gott. Ich meine sein ausgeflossenes wesentliches Wort, als einen (äußerlichen) Schatten des inneren Grundes, mit dem sich das Wort in eine natürliche Wirkung geführt und damit materialistisch gemacht hat. So deute ich die drei Prinzipien in der Natur an, als einen geistigen Mercurius, Sulphur und Salz, und was dessen Grund und Ursprung sei, dieweil die ganze Natur samt allen Kreaturen darin stehen. Ich habe von drei Geburten geschrieben, als von einer ewigen anfangslosen göttlichen und dann von einer himmlischen, darin Licht und Finsternis, als Gottes Liebe und Zorn verstanden werden, sowie von einer anfänglichen und zeitlichen, als von der sichtbaren Welt, und verstehe den Salpeter und Mercurius in der dritten Geburt, nämlich im geschaffenen Wesen. Ich zeige auf, was das Mysterium himmlisch und irdisch sei, nämlich das heilige und reine Element und sein Ausfluß mit vier Elementen und dem Gestirn. Ich zeige auf, wie die göttlichen Kräfte aus dem Himmlischen ausgeflossen und sichtbar geworden sind und was der innere Grund aller Wesen sei, was also Zeit und Ewigkeit ist.

18. Herr Primarius, ich glaube fast, daß ihr davon nichts versteht. Denn es ist nicht jedermanns Gabe, sondern wem es Gott gibt. Daß ihr aber sagt, ich wolle die Gottheit damit ausforschen, und es teuflisch nennt, damit gebt ihr eure Unwissenheit an den Tag, daß ihr vom Buch der Natur nichts versteht und wohl auch das Neue Testament nicht lest, denn St. Paulus spricht dort: »Der Geist erforscht alle Dinge, auch die Tiefe der Gottheit. (1.Kor. 2.10)« Doch es ist nicht das Vermögen der Menschen, sondern Gottes Geist vollbringt solches Forschen durch des Menschen Geist. Ihr aber nennt es teuflisch.

19. Wenn ich vom Geheimnis der Natur zu euch reden sollte, dann scheint ihr noch weniger davon zu verstehen. Ich würde euch vor allen Dingen mein Buch „Morgenröte“ empfehlen, wenn ihr nicht so ein eifriger zorniger Mann wärt, so daß man mit euch reden könnte. Doch ihr verhindert mit solchem Schmähen nur Gottes Gabe und macht euch selbst unwürdig dafür. Es steht geschrieben: »Und nach diesen Tagen will ich meinen Geist über alles Fleisch ausgießen, und eure Söhne und Töchter sollen weissagen, eure Ältesten sollen Träume haben und eure Jünglinge sollen Gesichte (Visionen) sehen. Auch will ich zur selben Zeit über Knechte und Mägde meinen Geist ausgießen.«

20. Herr Primarius, warum wollt ihr den Geist des Herrn verwehren? Wenn ihr einen seht, dann sagt ihr, er sei der Teufel, hängt ihm lästerliche Namen an und schreit, man solle ihn aus Stadt und Land verbannen. Herr Primarius, zeigt mir doch in eurem Bannen euer christliches Herz! Seid ihr Christi Hirte, dann zeigt eure Liebe, mit der uns Christus geliebt hat, damit wir einander auch lieben sollen. Gebietet euch die Schrift ohne Verhör auszutreiben und ins Elend zu jagen? Was sagt sie euch? »Wenn du siehst, daß dein Bruder ein Heide ist, dann gehe zu ihm und ermahne ihn in Geheim. Folgt er dir, dann hast du deinen Bruder gewonnen. Wenn nicht, dann nimm noch einen oder zwei Männer zu dir. Folgt er dann nicht, dann zeige ihn der Gemeinde an. Hört er die Gemeinde nicht, dann halte ihn für einen Heiden und Zöllner. (Matth. 18.15)« Also nicht ausjagen und unverhört lästern und verdammen, wie ihr mir getan habt! Oh Herr Primarius, ihr setzt euch in ein Gericht, das nicht euer ist. Lest doch die Epistel von St. Paulus an Titus und Timotheus, wie ein Bischof sein sollte, dann werdet ihr finden, daß ihr nicht das Herz eines rechten Bischofs habt.

21. Warum tadelt ihr mein Buch „Morgenröte“? Ihr versteht es doch nicht, und es ist auch nicht für die Kanzel geschrieben oder daß es unter die Leute kommen sollte. Ich hatte es nur für mich selbst zu einer Erinnerung geschrieben, mit solchen Worten, wie ich sie damals verstehen konnte. Was geht es euch an? Warum habt ihr das publiziert und anderen Leuten geliehen? Es wüste doch niemand etwas davon, wenn ihr es nicht auf die Kanzel gebracht und ausgeliehen hättet. Ihr meint, ihr wollt diesen Schriften wehren, und seid es doch selbst, der sie fördert. Niemand wüßte etwas von mir und meinen Schriften, wenn ihr diese nicht ausgerufen und selber verliehen hättet. Erst danach haben die Gelehrten darnach gefragt, und sie haben nicht alle solch böses Sinnen davon gehabt, wie ihr. Ihr habt gewiß nicht allein studiert, und man möchte ja unter denselben so hochgelehrte Leute finden, wie ihr es seid. Auch dürfte man bei Manchem mehr Gottesfurcht finden, der diese Schriften liest und für gut hält, als eben bei euch, welches ihr in diesem Pasquill und in eurem ganzen Leben beweist. Aber Gott müssen alle seine Werke dienen, und Gott hat euch zum Werkzeug dieses Publizierens gebraucht. Das hat mir Gott zu erkennen gegeben, und darum habe ich geduldig eine lange Zeit eure ungerechte Lästerung und Schmach ertragen, darin doch kein wahres Wort gewesen ist, ansonsten hätte ich euch schon lange geantwortet.

22. Herr Primarius, ihr vergleicht mein Büchlein „Von der Buße“ mit der Ketzerei des Arius und sagt ferner, daß deshalb die Morgenländer mit greulicher Finsternis gestraft wurden. Und wenn man meine Schriften nicht ganz ausrotte und mich damit aus dem Land jage, dann würde es uns auch so ergehen. Lieber Herr Primarius, sagt mir doch, ob auch Lügen vom Teufel und Sünde sind? Beweist mir des Arius Meinung in meinem Gebetbüchlein! Es dürfte wohl mehr Andacht und göttliche Kraft in den Worten des Büchleins sein als bis jetzt in euer Herz gekommen sind, welches man an euren schändlichen Verfolgungen merkt, daß ihr den Autor wegen seiner göttlichen Gaben ganz ausrotten wollt. Hättet ihr die Gewalt, ich lebte schon nicht mehr.

23. Lieber Herr Primarius, Christus sprach: »Seid barmherzig, wie euer Vater barmherzig ist. Vergebt, so wird euch vergeben. (Luk. 6.36)« Oder: »Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.« Oder: »Selig sind die Friedfertigen, denn sie werden Gottes Kinder heißen. (Matth. 5.7)« Wo ist eure Barmherzigkeit und euer friedfertiges Herz? Legt doch einmal das Gift der Schlange weg und hört auf zu lästern und die Unwahrheit mir aufzudringen, damit ich euch erkennen kann, daß ihr ein Christ in Christi Sanftmut seid.

24. Hört, Herr Primarius! Wißt ihr auch, warum Gott den Morgenländern den Leuchter weggenommen hat und wie er ihnen solches in der Apokalypse androht? Wegen dem Zank und dem überheblichen Stolz der Gelehrten! Weil sie nur Mund-Christen waren und nur den Bauch-Gott und Luzifer suchten, und den Antichrist mit Christi Purpurmantel zudeckten, um Meinungen zankten, aber den Geist in der Kraft verließen und sich an Christi Stelle setzten. So waren es nur Zanker und Disputierer. Es ging ihnen nur um Ehre und Ansehen. Dieses sahen die Morgenländer, daß in solchem Zank keine Gottesliebe war, und begannen deswegen am Glauben zu zweifeln, weil die Gelehrten nur zankten, einer Christus bekannte und der andere halb verleugnete, und sie nur in Bildung und Meinungen liefen, davon keine der anderen gleich erschien. So dachten die Herrscher: Wer weiß, wie es um das Pfaffengezänk steht und ob daran wirklich etwas ist? Dazu kam Mohammed und lehrte den einigen Gott ohne Dreifaltigkeit. Dem fielen die Völker zu, weil sie sahen, daß darin wegen der Dreiheit kein Streit mehr war, denn sie hatten dieses Streiten satt. Auch verhängte Gott solches darum, weil sie Christus in ihrem Zank nur lästerten, und so stieß er ihnen den Leuchter Christi weg, und so wurden sie mohammedanisch, begannen den Krieg und disputierten mit Blut und Schwert. Sie vertrieben die Titel- und Mund-Christen, und Gott verhing das, damit sie doch nicht mehr um Christi Ehre zankten, weil Christi Ehre nur Demut und Liebe ist.

25. Seht, Herr Primarius, und betrachtet es wohl! Wie seid ihr Gelehrten jetzt signiert? Wie steht es um Christi Reich bei euch? Seht, und betrachtet die arianische Zeit und den Streit der Gelehrten wegen der Religion gegenüber eurer Zeit und euren Zank, den ihr eine lange Zeit geübt habt! Zeigt mir den wahren Christus in der Liebe und Sanftmut in allen euren Zankbüchern! Sind sie nicht lauter Schmähkarten und bösartige Affekte? So daß ein jeder schreit: „Ketzerei! Hier ist Christus, da ist Christus! Siehe, er ist in der Wüste, in der Kammer, auf dem Feld, oder im Abendmahl, in der Taufe und in der Beichte.“ Und der andere sagt: „Nein, er ist nicht da, es ist nur ein Gedächtnis!“ Und treibt eben solches Lästern und Schmähen um Christi Kelch, Amt und Person, wie zur Zeit der Arianer geschah.

26. Darum seid ihr jetzt euer eigener Prophet, und euch droht die Finsternis, und es dürfte euch wohl widerfahren. Wenn ihr nicht ganz blind seid, dann seht ihr es ja vor Augen. Und doch wollt ihr lieber zanken und Gottes Kinder verlästern als Buße tun, und wollt Christus in seinen Gliedern ganz von euch stoßen. Diese, welche bisher noch zu Gott gebetet und des Volkes Sünden gebeichtet haben, die haben die wohlverdiente Strafe aufgehalten. Aber ihr eilt mit ihnen zum Land hinaus. Und weil ihr mich einen Propheten nennt, zwar mit bösartiger Meinung zur Schmach, so soll ich euch auch prophezeien, was mir der Herr zu erkennen gegeben hat, nämlich, daß die Zeit geboren ist, darin Gott Rechenschaft von eurem Streit um den Kelch Christi fordern will, und euch darum bestrafen. Was ihr jetzt befürchtet, und doch keine Buße tut, das wird über euch kommen.

27. Herr Primarius, dann sollt ihr vor Gott Rechenschaft wegen eurer Lästerung geben. Denn es wird von euch gefordert werden, wie ihr euren anvertrauten Schäflein mit gutem Leben und gesunder Lehre vorangegangen seid. Da werdet ihr einen Haufen Lästerer finden, die ihr alle irre und lästernd gemacht habt und ihnen euer Gift der Lästerung eingeschüttet und sie damit besprengt habt. Wo wollt ihr dann hin, wenn ihr Blut von euren Händen gefordert werden wird? Seht doch eure Früchte an: Die ganze Stadt lästert wegen eurer Ausgießung über ein Schäflein Christi, und sie denken in ihrer Einfalt, sie tun recht daran, weil ihr das gebietet. Wo wollt ihr hin, wenn euch dieses Schäflein Christi zum Jüngsten Gericht vor die Augen treten wird, und eure Zuhörer, welche ihr lästernd gemacht habt, sagen werden: »Seht, ist es nicht der, den wir für einen Narren und höhnisches Beispiel hielten und sein Leben für eine Schande erachteten. Warum zählt er nun unter die Kinder Christi? Oh, wir Toren und Narren, wir haben den rechten Weg verfehlt! (Weis. 5.3)« Dann werden sie euch alle verfluchen, daß ihr sie zu solcher Lästerung und Schmach geführt habt. Herr Primarius, seid gewarnt beim Leben unseres Herrn Jesus Christus. Es ist Zeit abzustehen, oder ihr werdet sehen, was euch hier gesagt wurde.

28. Herr Primarius, ihr ruft in eurem Pasquill zum gerechten Richter, daß er doch aufwachen soll und die Majestät Gottes beschützen. Aber wie, wenn das Urteil über euch erginge? Weil ihr Christus in seinen Gliedern verfolgt, habt ihr das Schwert selber gerufen. Seht doch euer Herz an! Ihr malt der Gemeinde einen Dunst vor die Augen, daß sie euch glauben sollen, euer Pasquill sei gerecht. Herr Primarius, warum nehmt ihr nicht den Beweis aus dem gedruckten Büchlein? Vielleicht habt ihr keinen oder es schmeckt euch nicht, denn ernste Buße tut dem Fleisch weh, und das schmeckt euch gewiß nicht. Aber die Leute, welche meine Büchlein lesen und euer Pasquill dagegenhalten, die werden uns scheiden und recht richten. Seht zu, daß der Kot und die Kletten, die ihr an mich werft, nicht an euch hängenbleiben! Ich will nicht mehr so stillschweigen, wie ich es bisher getan habe. Ablassen wäre gut, denn Friede ist ein gutes Land.

Zum zweiten Teil des Pasquills

Das Pasquill spricht weiter: Der Schuster ist der Antichrist!

29. Antwort: Wenn ich den Antichrist beschreiben sollte, dann könnte ich ihn nicht anders andeuten, als daß er sich einen Christen nennt, sich mit Christi Purpurmantel zudeckt und Christus mit dem Mund bekennt und lehrt, aber sein Herz ganz gegen Christus gerichtet ist. Denn er lehrt das eine und macht das andere. Äußerlich nennt er sich einen Christen, und innerlich ist er eine Schlange. Denn er verfolgt Christus in seinen Gliedern und widersteht dem Geist Christi. Er glänzt und will in Christi Namen geehrt sein, aber innerlich ist es ein reißender Wolf, wie Christus die Pharisäer nennt, welche auf Moses Stuhl saßen und das Gesetz trieben. Aber Christus sagte, sie wären von unten her, vom Vater der Welt, also vom Teufel. Hiermit will ich niemand an seinem guten Gewissen antasten. Ich will nur das Pasquill prüfen, ob darin nicht ein junger Antichrist hervorguckt.

Pasquill: Du, sanftmütiger Christus, hast gesagt: „Mein Wort ist wahr!“ Und du, meineidiger Schuster, sagst nun auch: „Mein Wort ist wahr!“ Welchem soll man nun glauben unter den beiden? Dir, du wahrhaftiger Christus? Oder dir Schuster und deinem Dreck?

30. Antwort: Christus ist das Wort des Vaters, der Weg zu Gott, die Wahrheit und das Leben, und wer Christus anzieht, von dessen Leib sollen Ströme des lebendigen Wassers fließen, wie Christus gesagt hat (Joh. 7.38). Oder Christus spricht: »Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich ihm. (Joh. 6.57)« Und St. Paulus sagt: »Ihr seid Tempel des Heiligen Geistes, der in euch wohnt. (1.Kor. 3.16)« Oder: »Das Wort ist dir nahe, nämlich in deinem Mund und in deinem Herzen. (Röm. 10.8)«

31. Diesem lebendigen Wort, das Mensch geworden ist, habe ich mich ganz zu eigen ergeben, und er, mein Herr Christus, hat mir sein Fleisch und Blut in meine Glaubensbegierde gegeben und sich mit mir nach dem innerlichen Grund meiner Seele und des Geistes verlobt und verleibt, so daß ich gewiß bin und fest glaube, daß ich in seiner Hand bin und daß mich niemand aus Christi Hand reißen könne, noch von der Liebe Christi scheiden, weder Hohes noch Niedriges, weder Gewalt noch Fürstentum, ja keine Kreatur soll mich von der Liebe Jesu Christi scheiden. (Röm. 8.38) Er, mein Heiland, hat mir gegeben, daß ich geistlich gesinnt bin, wie St. Paulus sagt: »Welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder, denn wir haben keinen knechtischen Geist empfangen, daß wir uns abermals fürchten müssen, sondern einen kindlichen Geist, durch welchen wir rufen: „Abba, lieber Vater!“ Dieser Geist gibt unserem Geist Zeugnis, daß wir Gottes Kinder sind. Sind wir aber Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben Christi, da wir ja mit ihm leiden, damit wir auch mit ihm zur Herrlichkeit erhoben werden. (Röm. 8.14-17)«

32. Darum sage ich, ich habe meine Erkenntnis nicht von Menschen oder durch Menschen, sondern von der Gabe meines Heilandes Jesu Christi, und ich begehre niemand von Christus abzuführen, sondern weise ihnen herzlich, wie sie durch wahre ernste Buße und Gebet zu Christus meinem Heiland kommen können. Wie auch mein gedrucktes Büchlein durchaus nichts anderes lehrt.

33. Herr Primarius, warum scheidet ihr mich dann von Christus ab und nennt meine Worte Dreck, die zu Christus weisen? Es ist wohl ein Zeichen, daß euch der Weg zur Buße, welcher zu Christus weist, anstinkt wie Kot. Dies ist die wahrhafte Farbe des Antichrists, denn das Pasquill speit Pfui und Kot gegen die Buße und die ernsten Gebete in meinem Büchlein und nennt es einen Gestank. Dies gebe ich nun dem unparteiischen Leser zu bedenken, ob dieses Pasquill des Primarius nicht vom antichristlichen Geist diktiert worden sei. Weil er mir denselben aufdringen will, so gebe ich es zu erkennen, bei wem er sei.

Pasquill: Darüber hinaus nennt mich das Pasquill einen meineidigen Schuster, und auf der Kanzel hat er mich einen losen Halunken gescholten.

34. Antwort: Diese schändliche Entehrung ist in den Statuten ernstlich verboten, so daß niemand den anderen an seinem guten Namen und Ehren schmähen soll. Auch ist es in allen Reichs-Konstitutionen ernstlich verboten. Auch soll niemand ein entehrendes Pasquill oder einen Schmähbrief schreiben, bei ernster Strafe. Ihr solltet eigentlich der Mann sein, der es anderen verbieten müßte, aber macht es selber. Herr Primarius, ich frage euch, wenn ich ein solches Pasquill gegen euch hätte drucken lassen und euch so greulich verleumdet und geschmäht hätte, wohin würdet ihr mich weisen und verurteilen? Gewiß an den Galgen, und den Autor dazu. Was soll ich aber zu euch sagen? Daß es euch Gott verzeihen möge! Ich habe dem römischen Kaiser, sowie dem Kurfürsten zu Sachsen, meinem gnädigsten Herrn, sowie einem ehrbaren Rat und der Stadt Görlitz einen Eid geschworen, ihnen getreu und gewähr zu sein. Denselben habe ich fest bis zu dieser Stunde gehalten, aber ihr nennt mich einen meineidigen (eidbrechenden) losen Mann und Halunken. Ich habe meine Ehre und Redlichkeit in Görlitz dargebracht, und ihr wollt sie mir abnehmen. Denn ein meineidiger Mann ist niemandem gut genug. Nun wohlan, das sollt und müßt ihr beweisen, daß ich ein solcher bin, und ich fliehe um dessentwillen mit ernster Klage zur Obrigkeit und bitte sie um Gerechtigkeit und Schutz. Weil ihr mich aber niederdrückt, so sollen unterdessen diese entehrenden Lästerungen auf euch selber ruhen, so lange, bis ihr meinen Meineid vor die Augen stellt.

35. Herr Primarius! Ihr habt diese Fastenzeit darauf studiert (und gesonnen), wie ihr in der ganzen Gemeinde die Kinder Christi mit dem Schlangenkot der Lästerung bespritzen könnt, so daß sie lästernd wurden und mich schmähten, und es dabei nicht bleibenlassen, sondern dazu noch solches entehrende Gift drucken lassen, daß sie es auch zu Hause lesen und sich damit kitzeln, damit dem Teufel wohl hofiert werde. Ich frage euch selbst: Ist das nicht ein Zeichen des Antichrists? Wäre es nicht euer Amt gewesen, daß ihr über diese Fastenzeit Christi bitteres Leiden, Sterben und Blutvergießen hättet betrachten sollen, und dieses euren Pfarr-Kindern wohl einbilden, daß sie es auch beherzigt hätten? Doch ihr habt während dieser Fastenzeit zwei Pasquille gedichtet und mit elenden Leuten euch erzürnt, so daß ihr Christi Marter und Tod auf dem Siechbette (Sterbebett) liegenlassen mußtet und selber im erweckten Gift danebenliegen. So unwürdig seid ihr vor Gottes Augen geworden. Bedenkt euch nur ein wenig! Fürwahr, wenn man solches recht beherzigt, dann möchten einem wohl vor Grauen und Entsetzen die Haare zu Berge stehen, daß ihr Gottes Stelle besetzt und an der Stelle des Heiligen Geistes steht, aber solches Gift auf das arme unschuldige Volk ausgießt, und nicht allein hier in Görlitz, sondern ihr schickt euer Schmähgift auch in fremde Städte und Orte und vergiftet sie, damit sie euch auch lästern helfen. Dies ist alles ein gewisses Zeichen des Antichrists, den mir das Pasquill aufdringen will. Ich bete, und er flucht mir: Nun richte darüber, wer es versteht, bei welchem der Antichrist sei.

Pasquill: Oh Christus, der Heilige Geist hat dich mit Öl gesalbt, mehr als deine Gesellen, und hat dich zum Priester gemacht: Aber dich, du Schuster, hat der Teufel mit Dreck besudelt und zum Ketzer gemacht.

36. Antwort: Der Heilige Geist hat Christus und seine Kinder mit dem Freuden-Öl Gottes gesalbt und solche Salbung in unsere Seelen hineingeführt, damit wir an ihn glauben. Dessen nehme ich mich als eine Rebe Christi auch an und habe seine Salbung kräftig in mir geschmeckt, und dessen erfreue ich mich unter dem Kreuz Christi in meinem leiblichen Elend. Daß aber der Herr Primarius sagt, der Teufel habe mich mit Dreck besudelt, das ist auf seine Weise auch wahr, denn dieser Kot, mit dem mich der Teufel besudelt hat, ist des Primarius Lästerung auf der Kanzel gegen mich und dieses bösartige kotige Pasquill. Damit hat mich der antichristliche Teufel besudelt und der ganzen Gemeinde zum Narren gemacht, so daß das unwissende Völklein, welches Lust dazu hat, mich mit solchem Kot bewirft. Aber der Herr Primarius meint, es wäre besser mit Steinen, dann käme das Büchlein von der Buße weg. Doch man lehrt noch heutigen Tages das Gedächtnis von Stephanus, auch wenn ihn die Hohepriester steinigten. Denn was Gott baut, das kann kein Teufel zerbrechen.

37. Daß er aber auch sagt „zum Ketzer“, dies ist auch ein Strahl aus der Farbe des Antichrists, denn schon immer, wenn man die wahrhaften Christen verfolgen, verjagen, verbrennen und töten wollte, hat der Antichrist geschrien: „Es sind Ketzer!“ Mehr Ursache hat man ihnen nicht beibringen können, und darauf war die Exekution ergangen.

38. Herr Primarius, wie werden euch diese Ketzer im Jüngsten Gericht unter die Augen gestellt werden, wenn sie in göttlicher Kraft neben Christus ins Urteil gesetzt und den Antichrist, welcher sie verfolgt und getötet hat, richten werden?!

39. Herr Primarius, was wollt ihr dann Christus und mir antworten, wenn euer Pasquill in eurer Seele brennt? Wer hat euch die Gewalt zu einem solchen Urteil gegeben? Beweist das aus der Apostel Lehre! Jetzt wäre es noch Zeit, Buße zu tun, ehe ich euch durch Gottes Trieb vor das ernste Gericht Jesu Christi laden müßte. Merkt, was ich euch sage: Ich bin ein Christ in Christus, und ihr nennt Christus in seinen Gliedern einen Ketzer und seine Kraft einen Dreck. Die Barmherzigkeit Christi ruft euch hiermit noch einmal, ob ihr Buße tun wollt. Wenn nicht, dann will ich an euch unschuldig sein, wenn ihr ins Gericht gestellt würdet. Ihr habt einen großen Berg vor euch, darüber ihr steigen müßt. Wird euch Christus verlassen, dann müßt ihr wohl ewiglich in dieser Kluft bleiben.

40. Merkt, was euch gesagt wird, denn es ist erkannt. Heucheln gilt nicht, es muß Ernst sein, denn auf Gnade sündigen bekommt Ungnade. Die Stunde ist nahe, laßt es euch gesagt sein: Ihr werdet dort keinen Beschirmer und Beistand haben, wie ihr hier an euch zieht und euch darauf verlaßt. Ihr müßt mir unter die Augen treten und für eure Bosheit und Lästerung Rechenschaft geben. Christus in mir und allen Gliedern Christi fordert euch vor das Urteil Christi: Was soll ich euch dann sagen für eure Schandflecke, die ihr mir auf Erden angehängt habt?

41. Herr Primarius, ich bitte euch als ein Glied meiner Seele, kehrt doch um, solange noch die Gnadentür offensteht und bevor die große Kluft zwischen mir und euch verschlossen wird. (Luk. 16.26) Es steht wahrlich einem Hohepriester übel an, der in seinem Mund das göttliche Wort von der Liebe Christi führen sollte, daß er statt dessen Kot in den Mund nimmt und Christi Worte, die er lehren soll, mit Kot beschmeißt, und solchen Kot den Leuten in Herz und Seele spritzt und sie vergiftet. Denn wo Kot ist, da ist wohl der Heilige Geist nicht im Mund, sondern der Satan. Die christliche Gemeinde mag auch wohl die Augen auftun und erkennen, was man ihnen lehrt: Die Strafe Gottes kommt hernach. Laßt es euch gesagt sein, ihr lieben Brüder, es wird bald eine Zeit kommen, daß ihr sehen werdet, was ich hier sage.

Pasquill: Christus hat den Menschen die göttlichen Gebote gelehrt, aber dieser lehrt mit großem Ernst die Verzückung.

42. Antwort: Herr Primarius, wo steht das in meinem Büchlein, daß ich den Menschen die äußerliche Verzückung lehre? Zeigt mir das, oder es wird nicht so sein. Denn ich lehre ihnen die Salbung Jesu Christi mit seiner zarten Menschheit geistiger Art in uns, nach dem innerlichen Grund des Glaubens, davon Christus sagt: »Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, der bleibt in mir, und ich in ihm. (Joh. 6.56)« Und wer das Fleisch des Menschensohnes nicht ißt, der hat kein Leben in ihm. Denn das ist der Tempel des Heiligen Geistes, wie St. Paulus sagt, wo Christi Fleisch und Blut in uns bleiben. Oder, es ist die neue Wiedergeburt, darin der Heilige Geist in uns die Tiefe der Gottheit erforscht. (1.Kor. 2.10) Das ist das ausgegossene Wort der wesentlichen göttlichen Liebe, welches sich mit unserer Seele vermählt und verleibt, wie das ganze Neue Testament so lehrt, und wie geschrieben steht: »Prüft, ob Christus eine Gestalt in euch gewonnen habe! (Gal. 4.19)« Soll Christus eine Gestalt in uns gewinnen, dann darf er nicht abwesend sein. Sollen wir Reben am Weinstock Christi sein, dann dürfen wir nicht einem anderen anhängen. Denn Christus sprach: »Niemand kann zwei Herren dienen. (Matth. 6.24)« Oder: »Mein Vater will den Heiligen Geist allen geben, die ihn darum bitten. (Luk. 11.13)« Oder: »Wenn dieser kommen wird, der wird mich in euch verklären.« Es ist keine äußerliche Verzückung, sondern eine innerliche Erleuchtung, davon die Seele, wenn sie dieses Freuden-Öl schmeckt, in so große Freude kommt, wie in meinem Büchlein von der edlen Sophia, als der wesentlichen Liebe Jesu Christi, beschrieben ist.

43. Herr Primarius, ich verstehe gar wohl, daß ihr diese edle Sophia („Weisheit“) nicht kennt. Es ist kein gutes Zeichen, daß ihr sie verleugnet und eine Enthusiastin nennt. Ich kenne sie wohl und habe sie lieb, denn sie ist die liebe Braut meiner Seele. Wenn ich sie nicht kennte, dann würde ich gewiß nicht so viel von euch und anderen um ihrer Liebe willen erlitten haben. Christus sprach: »Wer nicht durch mich zu den Schafen eingeht, als in den Schafstall Christi, sondern anderswo hineinsteigt, der ist ein Dieb und Mörder. (Joh. 10.1)« Und nur ein Mietling, und ist nur gekommen, den Schafen ihre Wolle zu rauben. Ihr aber sprecht: „Wer nicht durch die hohen Schulen eingeht, der sei ein Dieb und Mörder.“ Und verspottet die Tür Christi, als die Salbung des Heiligen Geistes, und wollt gemeinhin haben, man müsse die göttliche Wissenschaft allein von den hohen Schulen bekommen, und ihr bindet damit Gottes Gaben an die Kunst. Aber Christus lehrt uns etwas anderes (Matth. 11.25), nämlich daß es den Klugen und Weisen verborgen sei und den Unmündigen, Suchenden und Hungrigen offenbar ist. Wie auch Maria sagte: »Er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Elenden und Niedrigen. (Luk. 1.52)« Welche demütig (in ihren Herzen) vor ihm sind. Sie meint nicht Macht und Gewalt, sondern Geist und Kraft.

44. Herr Primarius, ich hätte euch hier noch viel zu sagen, aber ich weiß nicht, ob es bei euch wohl angelegt ist, denn ihr wollt euch nur mit Christi Purpurmantel zudecken und nicht neugeboren werden, damit ihr nach Fleischeslust leben könnt. Ihr wollt nicht täglich der Sünde absterben, sondern euch nur trösten, daß es Christus getan hat. Aber ich sage euch, das wird nicht gelten, es sei denn, ihr zieht Christi Bezahlung durch wahre Buße und Einwendung zur Gnade an und werdet eine Rebe am Weinstock Christi, so daß Christus auch in euch die Sünde töte und euch euren Sinn und das Gemüt erneuere, daß ihr begehrt, Christus nachzufolgen. Sonst wird euer Kitzeln ungültig und nur ein heuchlerischer Schein gewesen sein.

45. Herr Primarius, ich sage es euch in Liebe. Hört mich wohl, denn ich habe es von Gott empfangen, so daß ich es weiß. Auch lehrt mich solches das Neue Testament durchaus. Ich habe auch in meinem Büchlein sehr wohl angedeutet, daß kein Mensch diese edle Sophia in der empfindlichen Liebe Jesu Christi kenne oder verstehe, es werde ihm denn von Gott gegeben. Ich will hier das Perlein nicht weiter unter eure Füße werfen, bis ihr dazu würdig und in wahrer Buße bereitet seid. Wenn das geschähe, welches ich wohl wünschte, dann wollte ich darüber weiter mit euch Zwiesprache halten, denn jetzt seid ihr solches nicht wert, weil ihr es verachtet. Deswegen ist auch eure Lehre so kalt, weil ihr diese Kraft nicht in euch habt, denn ihr habt noch nicht den rechten Hammer zur Glocke. Das Wort habt ihr wohl, aber die Kraft ist nicht in euch, darin ihr mit dem buchstäblichen Wort selbst mitwirken sollt. Darum sagt Christus: »Die Schafe hören des Mietlings Stimme nicht.« Diese Kraft, welche ich meine, ist die Tür zu den Schafen. Oh Herr Primarius! Ihr gebraucht mit eurem Lästern oft des Satans Hammer unter Christi Purpurmantel, und euer Herz ist voller Galle und Bitterkeit. Ach! Es ist Zeit.

Pasquill: Christus hat uns auf das Wort und Geheimnis gewiesen, welches die gläubigen Herzen im Glauben erhält, aber der Schuster führt uns auf plötzliche Verzückung und Träume, welche die gläubigen Herzen des Glaubens berauben.

46. Antwort: Herr Primarius, ich führe die Menschen nicht vom gepredigten und geschriebenen Wort ab. Ihr tut mir auch in diesem Fall Unrecht. Ich sage aber, daß sie den Tempel Jesu Christi zum gepredigten oder geschriebenen Wort bringen sollen, nämlich eine bußfertige hungrige Seele, die Christus als das lebendige Wort im buchstäblichen und gepredigten Wort in sich selbst lehren hört, wie David sagt: »Ich will hören, was der Herr in mir spricht.« Und auch Christus sprach: »Wer aus Gott ist, der hört Gottes Wort.« Und zu den Pharisäern sprach er: »Darum hört ihr nicht, denn ihr seid nicht aus Gott. (Joh. 8.47)« Oder: »Ihr seid nicht meine Schafe.« So bin ich nun der Meinung, daß ein Mensch (als eine bußfertige Seele) göttliche Ohren brauche, wenn er Christi Stimme hören will, sei es in der Predigt, im Lesen oder Reden, denn solches hat uns Christus gelehrt, und dem glaube ich mehr als aller Kunst. Denn der historische Glaube mit dem Wissen, Kitzeln und Trösten ohne Kraft und ernsten Willen ist tot und nur eine Hülse und erreicht die Kindschaft nicht: Es muß Ernst sein. Herr Primarius, es ist nicht genug, daß wir in die Kirche und zum Sakrament gehen und eine Stunde dasitzen, glänzen und Predigt hören, darin bei euch oft Stoppel (bzw. Unkraut) und Weizen durcheinander gesät werden, indem ihr öfters so lästert. Nein, das Kirchengehen frommt keinem etwas, es sei denn, er hört in der Kirche wirklich Gottes Wort in seiner Seele. Denn der Prophet sagt: »Mit ihrem Mund nahen sie sich mir, aber ihr Herz ist fern von mir. (Jes. 29.13)« Nicht alle, die zur Kirche gehen und sagen „Herr, Herr!“, sollen ins Himmelreich kommen, sagt Christus (Matth. 7.21). Nicht nur historisch glauben, sondern kräftig tun! Sollen sie ihn nun tun, dann muß derselbe in ihnen wirken, nämlich der Geist Christi. Denn Christus sprach: »Ohne mich könnt ihr nichts tun. (Joh. 15.5)« Darum gilt die Heuchelei und Lauheit nichts, denn der rechte Glaube ist nicht nur eine eingebildete Bildung, sondern Kraft, Geist und Leben. Es ist ein Feuer göttlichen Wortes, das da brennt und um sich leuchtet, das mit Gott wirkt. Der rechte Glaube ist der Thron Gottes, auf dem Gott sitzt und spricht. Der Glaube ist nicht ein bloßer historischer Odem (bzw. Lebensatem), daran man sich nur tröstet und dem bösartigen Tier voll falscher Begierde heuchelt. Nein, er ist die lebendige wirkliche Kraft Gottes, und sein brennendes Feuer ist die feuerflammende Liebe Gottes, welche herausleuchtet und das Werk tut.

47. So ist euer Predigen alles umsonst, wenn nicht Christus durch euer Wort in den Zuhörern wirkt. Soll aber solches geschehen, dann müßt ihr den Kot und Spott aus eurem Mund tun, und nicht lästern, denn im Lästern wirkt der Satan. Aber mit einer reinen Seele wirkt Christus, das Lästern ist der Antichrist. Daß ihr aber sagt, ich weise die Menschen auf Träume, das ist keiner Antwort wert, denn es ist nicht so. Auch diese Lästerung ist eine Signatur des Antichrists, welcher Christi Kinder so besudelt. Beweist das, oder es sei nicht wahr!

48. Daß ihr aber sagt, sie berauben die gläubigen Herzen des Glaubens, das ist auch nicht so. Sondern sie führen sie vom historischen Glauben und vom Heucheln zum lebendigen Glauben, welcher Jesus Christus ist. Und zeigen, wie sie den Sünden täglich absterben und in Christus neugeboren werden sollen, um ihm im Glauben und Geist nachzufolgen und Ein Geist mit ihm zu werden, welches dem Satan Bange macht, weil man ihn nicht mehr unter dem Purpurmantel Christi dulden will. Aber die Zeit ist geboren, daß sein Reich offenbar und zu Spott werde. Und das wird kein Primarius aufhalten, denn es ist von Gott so geordnet.

Pasquill: Christus hat von wichtigen, aber der Schuster von liederlichen Sachen gehandelt.

49. Antwort: Christus hat uns den Weg zur Seligkeit gebracht und gewiesen, und der Schuster begehrt, darauf zu wandeln. Aber der Satan nennt es einen liederlichen (unordentlichen) Weg, weil es ein Kreuzweg ist, auf dem der Mensch in dieser Welt in Armut und Demut Christus nachfolgen muß. Denn der Satan ist ein Geist des überheblichen Stolzes, und darum verachtet er die Pilgerstraße Christi, weil dieser Weg eng und schmal ist, und er gefällt auch nicht dem fetten Bauch und den Augen voller Eigenehre und Ichheit. Christus hat das Reich des Satans zerstört und die Christenheit geboren, aber der Antichrist hat sich auf Christi Stuhl gesetzt: Diesen offenbart der Schuster durch Gottes Willen, und das dünkt dem Herrn Primarius eine liederliche Sache zu sein. Aber wenn die Uhr noch Sieben schlagen wird (am Ende des Tages), dann wird es eine gute Sache gewesen sein.

Pasquill: Christus hat den weltlichen Reichtum verachtet, aber der Schuster begehrt ihn.

50. Antwort: Christus sprach: »Kommt alle zu mir her, die ihr mühselig und beladen seid! (Matth. 11.28)« Er macht keinen Unterschied zwischen Reichen und Armen, welche zu ihm kommen. Daß es aber den Herrn Primarius verdrießt, daß ein Laie zu reichen Leuten (welche gottesfürchtig sind) gefordert wird, damit meint er vielleicht, es gehe ihm etwas ab, denn ihm gebühre allein, mit Reichen umzugehen, zu seinem eigenen Nutzen. Ihm gebühre also der Reichtum. Ansonsten begehrt der Schuster keinen großen Reichtum in dieser Welt, denn er ist nicht stolz, wie man das an ihm wohl sehen kann.

Pasquill: Christus hat sein Leben nüchtern zugebracht, aber der Schuster pflegt allgemein trunken und voll zu sein.

51. Antwort: Christus ist wohl nüchtern gewesen, aber was der Herr Primarius dem Schuster zulegt, das ist er selber. Man pflegt bisweilen, den Herrn Primarius unter dem Tisch in Trunkenheit aufzulesen und nach Hause zu führen. Man dürfte wohl den Herrn Primarius in einer Woche mehr betrunken finden, als den Schuster in drei Jahren nicht. Diesen Artikel hat der Herr Primarius ganz von seinem eigenen Wandel genommen. St. Paulus sagt: »Darum, oh Mensch, kannst du dich nicht entschuldigen, wer du auch bist, der da richtet. Denn worin du einen anderen richtest, damit verdammst du dich selber, weil du ebendasselbe tust, was du richtest. Denn wir wissen, daß Gottes Urteil zu Recht über die ergeht, die solches tun. (Röm. 2.1)«

Pasquill: Christus hat sich des übermäßigen Gelächters enthalten, aber der Schuster belacht alles, was er redet.

52. Antwort: Man findet nicht, daß Christus gelacht habe, sondern er hat sich nur im Geist erfreut. Daß aber der Herr Primarius dem Schuster Lachen und Phantasieren zumißt und sagt, er belache alle Worte, das dürfte wohl eine öffentliche große Unwahrheit sein und wird nicht zu beweisen sein. Kein wahrhaftiger Mann kann das sagen. Daß aber die Natur dem einen mehr zu lachen und freundlich zu sein gibt als dem anderen, und aus dem anderen einen saturnischen Sauerseher macht, das kann der Primarius nicht verbessern. Er sollte dessen wohl schweigen. Wenn man ihn und seine närrischen Possen beschreiben wollte, welche er oft im Gelächter während der Zeche vorgibt, dann dürfte man wohl seltsame Monster vorstellen. Es erscheint mir fast wie ein Wunder, daß sich der Herr Primarius nicht schämt, vor allem weil er ein alter Mann ist, bei dem man Weisheit suchen sollte, daß er solche öffentlichen Unwahrheiten und närrischen Possen schreiben und einem ehrlichen Mann zum Spott drucken lassen darf. Sie sind doch ärger als des Eulenspiegels Possen.

53. Dieses Pasquill gleicht fast den unflätigen Possen Markolfs, und dieser führt auch immer Kot im Mund, wie dieses Pasquill. Es hat ein schlechtes Ansehen für einen Lehrer Christi, der es anderen verbieten soll, aber selber treibt. Das Hirtenamt wird hiermit ziemlich verwaltet (bzw. vergewaltigt). Man sollte seine Seele nicht solchen Possen anvertrauen, denn er würde betrogen, weil dieser Geist auf Sand steht und schwindelt. Man prüfe ihn an solchen Possen, dann erkennt man ja den Vogel an seinen Federn. Christus sprach: »Was innerlich ist, das kommt heraus: Wessen das Herz voll ist, dessen geht der Mund über. (Matth. 12.34)« Oder: »Wie könnt ihr, die ihr arg seid, Gutes reden? Kann man auch Trauben von den Disteln lesen, oder Feigen von den Dornen? Ein guter Mensch bringt Gutes hervor aus dem Schatz seines guten Herzens, und ein arger Mensch bringt Arges hervor aus dem Schatz seines bösen Herzens.«

54. Dies gebe ich nun dem Leser zu erwägen, was wohl der Herr Primarius für einen guten Schatz in seinem Herzen haben mag, wenn er solche wunderlichen Dinge hervorbringt. Es müssen gewiß noch viel seltsamere Dinge darin stecken, derer er sich doch ein wenig schämen müßte, sie herauszugeben, weil er der Hohepriester ist. Doch wenn man zu ihm kommt und ihn mit einem Wort erzürnt, dann hört man öfters den lästernden Satan aus ihm lachen.

Pasquill: Wenn Christus das Volk belehrt hat, dann hat er es öffentlich getan, aber der Schuster pflegt hingegen heimlich in finsteren Winkeln zu stecken.

55. Antwort: Christus war ein Lehrer von Gott gesandt und mußte doch oft vor den Schriftgelehrten und Pharisäern weichen und in die Wüste gehen, um das Volk zu belehren. Denn wenn sie ihn lehren sahen, wollten sie ihn töten, und nannten ihn einen Verführer und Aufrührer und sagten, er hätte seine Kunst und Lehre vom Teufel. Und wenn sie auch die Wunderzeichen sahen, so waren sie doch so toll und verstockt und meinten, das Lehren gehöre ihnen allein, und sie behandelten ihn auch ebenso, wie der Herr Primarius mit dem Schuster umgeht, und nannten ihn auch einen Weinsäufer und Diener der reichen Zöllner. Und auch Johannes der Täufer predigte in der Wüste. Ja, in der Wüste wurde das Evangelium von Christus mit Johannes begonnen. Auch mußten die Apostel oft aus Furcht vor den Hohepriestern in Winkeln und Häusern lehren, wie es die Geschichte der Apostel bezeugt. Aber der Schuster gibt keinen Prediger, sondern er gibt nur Rechenschaft von seiner Gabe und Erkenntnis und redet oft mit frommen Herzen vom Weg zu Christus, wie wir umkehren, Buße tun und neugeboren werden müssen. Denn auch Christus sagt so: »Wo ihrer zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen. (Matth. 18.20)« Der Herr Primarius sollte uns belehren, daß, wenn wir zusammenkommen, dann sollten wir von Gott und unserer Seligkeit reden und uns in wahrer Liebe miteinander erbauen. Doch so verbietet er uns das, und daran soll man prüfen, welchem Geist er dient. Ein großes Glas mit Wein ist ihm in Zusammenkünften wohl lieber als ein herzliches und gottseliges Gespräch von der neuen Geburt.

56. Christus hatte auf Erden keine größeren Feinde, als die Hohepriester, und das will bis heute noch so sein. Denn aller Krieg und Streit kommen vom Disputieren und Schmähen der Hohepriester, wie jetzt vor Augen steht, wem die Augen offen sind. Aber die Rechenschaft ist nah.

Pasquill: Christus hat keine königliche Ehre gewollt, aber der Schuster wollte wohl, wenn er nur könnte, ein König und Gott sein.

57. Antwort: Christus kam arm auf Erden, damit er sich unser erbarme und im Himmel reich und seinen lieben Engeln gleich mache. Auch der Schuster ist auf Erden arm und verschmäht, begehrt aber von Christus die himmlisch königliche Ehre und den Engeln gleich zu werden, auch begehrt er in Christus nach seinem innerlichen Glaubensgrund mit Christus und in Christus vergöttlicht zu werden, so daß Christi Gottheit in ihm wohne und ewig bleibe. Und das soll ihm kein Primarius nehmen. Halleluja!

58. Der Stern ist erschienen, der die Weisen zum Kindlein Jesu leitet. Wehre, Teufel, wie du willst! Es ist umsonst. Hier nimm Leib und Leben, aber mein englisches Königreich bei Christus und den heiligen Engeln kann mir niemand nehmen. Und wenn die ganze Welt voll solcher Pasquille läge, so wollte ich doch mein Königreich in Christus behalten und die Pasquille mit Füßen treten, und auch mein äußerliches Leben darum nicht verschonen, denn ich kenne ein besseres Leben, das mir Christus, mein Herr, geben wird. Darum fahre hin, du schnöde Welt, ich frage nicht nach deiner Ehre, Gut oder Geld! Unser Wandel ist im Himmel bei Christus, denn er ist mein, und ich bin sein. Uns soll der Feind nicht scheiden. Halleluja! „Sie ist gefallen, sie ist gefallen, Babel, die große Stadt auf Erden, und ist eine Behausung aller Teufel und unreinen Geister geworden. Nun ist das Reich Christi unser!“ Das singt meine Seele und erfreut sich, daß der Drache in ihr getötet ist und das Leben Gottes wiedergebracht. Nun laßt Teufel und Hölle zürnen, Gottes Sohn ist unser Geselle geworden.

Pasquill: Christus hat keine Titel und eitle Ehren begehrt, aber der Schuster erfreut sich an seinen Titeln.

59. Antwort: Der Titel Christi war der Wille des Vaters, und seine Ehre war in Gott, und diese führte er in unsere Menschheit hinein und erhöhte unsere Menschheit zur Rechten der Kraft Gottes. Diese Ehre hat er seinen Christen geschenkt, so daß sie in ihm auch zur Rechten der Kraft Gottes sitzen und über Sünde, Tod, Teufel und Welt herrschen. Dieses hohen Titels nimmt sich auch der Schuster an und begehrt den königlichen Titel im Sieg unseres Herrn Jesu Christi als ein Ritter des Todes und der Hölle. Er begehrt einen solchen hohen Titel, daß er im Kampf gegen Tod und Hölle stehe und daß er gedenkt, die Welt in Christus zu überwinden und in Christus ein König zu sein und über alle feindlichen Pasquille und Lästerungen des Primarius zu herrschen. Ansonsten begehrt er keine weltlichen Titel, denn das Reich der Christen ist nicht von dieser Welt. Denn Christus sagt: »Ich habe euch von dieser Welt berufen, daß ihr seid, wo ich bin.« Aber der Herr Primarius begehrt wohl der Titel, denn er hat seinen Titel des hohepriesterlichen Amtes und seine Person im Pasquill mit großen Buchstaben gesetzt, damit man den Richter sehen soll, der die Gewalt über Christi Kinder hat. Auch wenn ihm einer zu nahe käme und das Hütlein abzuziehen im Schreck vergäße, dann dürfte er wohl einen wunderlichen Titel bekommen, wenn er nicht sogar Stöße bekäme.

Pasquill: Christus ließ sich an dem Namen eines Meisters begnügen, diesen aber soll man einen Doktor und neuen Propheten nennen.

60. Antwort: Thomas sprach zu Christus: »Mein Herr und mein Gott! (Joh. 20.28)« Und Christus widersprach dem nicht. Nun ist doch kein Name höher als Gott. Deswegen wird vielleicht der Herr Primarius die Bibel selten lesen, weil er nicht weiß, daß Christus höhere Titel als Meister geführt hat. Und vor Pilatus sprach Christus: »Ich bin ja ein König. (Joh. 18.37)« Es wundert mich wohl, wenn der Herr Primarius so viel studiert hat, daß er noch nicht an diese Stelle gekommen ist, wo die Titel Christi in der Schrift stehen.

61. Daß aber der Herr Primarius sagt „der Schuster wolle Doktor und ein neuer Prophet heißen“, das ist nur sein Gedicht, wie man in solchen Pasquillen auf Art der Poeten zu dichten pflegt. Die Leute müssen nicht alles glauben, denn ein guter Mann kann bisweilen irren, besonders, wenn eine Maske (Larve) aufgesetzt wird. Dann erkennt man einen nicht, auch wenn er ein Hohepriester wäre. Wenn man damit von einem Haus ins andere geht, dann sagen die Leute: Da kommt ein Narr herein, und mancher dürfte wohl auch sagen, es wäre der Teufel. Aber es ist nicht alles wahr, die Leute geben ihm nur solche Titel, weil sie solche Bildnisse annehmen. Danach werden sie wieder Menschen, wenn sie die Maske wegtun. Mancher geht nur so, damit er zu seiner Buhle kommen kann. So macht er sich eine närrische Ursache, aber man soll in solchen Händeln (Handlungen) nicht den Titeln glauben, wenn die Leute sagen, ein maskierter Mann sei ein Tier, der Tod oder der Teufel. Er ist nur ein Gefangener des Teufels. So soll man auch nicht glauben, wenn der Herr Primarius dem Schuster Titel gibt und ihn einen Ketzer, Schwärmer, Narren, Phantasten, Enthusiasten, losen Mann, meineidigen Schuster und dergleichen mehr nennt. Es sind nur solche angestrichene Namen, gleich einer Maske, die ihm der Teufel anstreicht, weil er mit ihm im Streit steht. Es ist nicht gut, alles zu glauben, auch wenn es der Hohepriester sagt. Man wird betrogen, denn auch große Leute irren. So irrten doch die Pharisäer an den Titeln Christi. Wie wollte dann auch der Herr Primarius nicht an den Titeln des Schusters irren, weil er weiß, daß er nur ein Laie ist, und den Namen Christi in ihm nicht erkennt. Der gute Herr ist vielleicht irgendwann einmal bei einem Schuster gewesen, der gerade die Schwärze anrührte, die ihn angestunken hat. Darüber hat er sich so sehr erzürnt, daß er meint, dieser Schuster rieche immer noch nach dieser Farbe. Deswegen ist er dem Schustertitel so gram. Vielleicht ist ihm auch irgendwann einmal Schusterpech an seinen Händen hängengeblieben, was ihn verdrossen hat. Deswegen gibt er dem Schuster solche greulichen Namen, weil er darüber noch zornig ist. Aber er kann doch den Schuster nicht entbehren, und hat nur Sorge, der Schuster könnte ihm die Feder besudeln, und darum verbietet er sie ihm. Oh Herr Primarius, der Schuster hat seinen Titel in sich, ihr könnt ihn nicht besudeln, denn er wird ihn ewig behalten.

Pasquill: Christus hat den Durstigen Wasser des Lebens zu trinken gegeben, aber der Schuster läuft des Morgens zum Branntwein oder Wasser des Todes.

62. Antwort: Christus bietet seinen Kindern noch heutigen Tages Wasser des Lebens an und tränkt sie mit seinem Blut der Liebe. Von diesem Wasser gibt er auch meiner durstigen Seele zu trinken. Und dafür danke ich ihm ewiglich, daß er mich durch dieses Wasser lebendig und sehend gemacht hat. Dieses Wasser trinke ich, und das ist ein Wasser für und gegen den Tod, auch wenn der Herr Primarius anders und in verkehrter Weise davon redet.

63. Daß er aber sagt: Ich laufe jeden Morgen zum Branntwein, das ist gar nicht wahr. Ich kann noch mag keinen Branntwein trinken, und habe lange Zeit Feindschaft mit dem Branntwein gehabt, so daß ich ihn nicht einmal gern rieche. Er ist mir zuwider. Es wundert mich, daß der Herr Primarius als ein Hohepriester so sehr irrt. Es steht ihm doch sehr übel an. Wenn das ein gemeiner Mann täte, dann würde man sagen, er wäre ein Lügner. Denn ich weiß fast nicht, was ich auf eine solche Unwahrheit zur Antwort geben soll. Ich glaube fast, daß diese Unwahrheit der satanische Irrgeist gedichtet hat. Herr Primarius, ich rate euch, jagt diesen von euch, denn er besudelt euch gewaltig sehr mit solcher Unwahrheit! Wollt ihr aber Recht haben, dann stellt mir einen ehrlichen Mann vor, sei er aus der Stadt oder von außerhalb oder wer es auch sei, der mit Wahrheit sagen kann, er sehe mich jeden Morgen beim Branntwein. Ich berufe mich auf die ganze Stadt und eines Ehrbaren Rates, ob jemand da sei, der solches sagen kann.

64. Herr Primarius, es ist euch eine große Schande, daß ihr solche Unwahrheit anderen zur Schmach drucken laßt. Bei euch dürfte man wohl große Flaschen und Gläser Branntwein finden. Und wie ihr in diesem irrt und fehlt, so fehlt ihr an allen Artikeln im Pasquill. Es ist keiner wahr bezüglich eurer Meinung.

Pasquill: Christus hat einfachen und gesunden Wein getrunken, aber der Schuster säuft gern ausländischen und Branntwein.

65. Antwort: Christus macht Wasser zu gutem Wein und ist selbst der gute Wein für die durstigen Seelen, den meine Seele gern trinkt. Daß aber der Herr Primarius sagt, ich trinke gern ausländische und Branntweine, das nimmt er wohl von sich selber, und vermeint, einem anderen geschehe wie ihm. Oh nein, wir Armen können sie nicht bezahlen und müssen mit einem Trunk Bier (wie wir das erzeugen können) vorliebnehmen. Aber dem Herrn Primarius muß man wohl ausländische Weine geben, wenn gleich andere Leute mit geringerem vorliebnehmen müssen. Die spanischen Weine machen, daß man den Herrn Primarius bisweilen verliert. Auch sieht man es an der Weinblüte unter seinem Angesicht (vermutlich ein roter Kopf), daß er viel mehr starke Weine trinkt als ich, denn ich habe keine solche Zeichen wie er. Er trinkt in einer Woche mehr fremde Weine als ich ein ganzes Jahr nicht trinke. Aber ich verstehe wohl, wo dem Hasen das Bein gebrochen wurde. Er weiß, daß ich durch göttliche Schickung oft zu großen Herren und Edlen gefordert worden bin. So denkt er, wenn wir zusammenkommen, dann sitzen wir beieinander und saufen uns voll, wie er bei seiner Gesellschaft pflegt. Aber nein, die Edlen und Gewaltigen, denen mit Vollsaufen gedient ist, die lassen mich nicht zu sich fordern, sondern nur fromme gottesfürchtige Herren, denen ihre Seligkeit ein Ernst ist. Es ist aber beim Herrn Primarius nur eine Mißgunst, und er denkt, es gehe ihm etwas ab. Doch er müßte das eigentlich nicht fürchten, denn diese Leute, welche meiner begehren, die begehren seiner wohl nicht. Es ist ein großer Unterschied zwischen Heucheln und die Wahrheit ins Gesicht sagen. Der Herr Primarius glaube es oder nicht: Es ist nicht meine Gewohnheit, den Reichen um Geschenke und Gaben zu heucheln, wie er meint. Ich glaube fast, daß ihm solche Nachrichten alte Kupplerinnen als neue Märchen zugetragen haben, und der gute Herr hat es wie ein Evangelium geglaubt, mit großem Ernst aufgeschrieben und sich so darüber erzürnt, daß er den armen Schuster ohne ihn anzuhören verdammt. Aber es wird ein seltsames Ansehen haben, wenn man nach dem Grund fragen und die Antwort gegen das Pasquill halten wird. Lieber Herr Primarius, es ist wahrlich ein Großes (Übel) von einem solchen Mann, wie ihr es seid, sich so an der Wahrheit zu vergreifen. Die Stadt Görlitz weiß wohl, daß ich lange Zeit ohne Not in keines Menschen Haus gekommen bin. Die Schankhäuser und Weinkeller haben wohl Frieden vor mir. Denn ihr habt mich so zugerichtet, daß ich nicht gern irgendwohin komme. Wenn ich wirklich in Schankhäuser trinken gehen würde, wie viele hundert eurer Lästerungen müßte ich wohl bekommen, welche ihr in den gemeinen Mann gegossen habt? Welche alle eure Früchte sind, die euch nachfolgen werden. Ihr mögt euch ihrer wohl erfreuen.

Pasquill: Wenn du nun an diesem den Schuster erkennst, wie den Löwen an seinen Klauen, wolltest du dann seine Bücher lesen? Meide solche als Teufelsdreck und grausamen Irrtum, und halte dich einfach an das Wort Gottes! Und hüte dich vor den Schülern des Schusters, sei es Adel oder Doktor, Schneider, Mann oder Frau. Herr Christus, steure (verwirre und zerschmettere) das Werkzeug des Satans und laß ja dein Wort nicht verdunkelt werden! Ja, ja, ja, ach, daß es geschehe! Amen.

66. Antwort: Es ist in diesen Worten wohl zu merken, warum dieses Pasquill geschrieben wurde. Nämlich weil er mich und meine Schriften durch solche entehrende Schmähung zunichte machen und ganz ausrotten will. Denn es ist dem Teufel bange, wenn ihm meine Schriften sein Rauchloch öffnen, und darum malt er mir eine solche Farbe an, damit sie niemand lesen soll. Die Menschen könnten sonst Buße tun, und dann geschähe ihm ein großer Abbruch an seinem Reich.

67. Aber dieser Teufel ist wohl zu grob und geht zu bloß. Die Leute können es merken und ihn erkennen lernen, denn man sieht seine Klauen zu sehr an seiner Neigung und seinem Lästern, daß er ein sehr giftiger Geist ist. Es ist jetzt eine andere Zeit, und man glaubt nicht mehr so schnell, was jemand sagt, sondern will auch Beweise sehen. Warum beweist er es nicht aus dem gedruckten Büchlein, warum er es der Gemeinde verbietet? Solche entehrende Lästerung ist kein Beweis. Man könnte sie auch Kot nennen. Er spricht von den Löwenklauen, daran man den Schuster erkennen soll: Nun ist es wohl wahr, daß man jetzt die Löwenklauen am Schuster freilich sehen wird, wie ihn der antichristliche Löwe mit Verachten und Schmähen angegriffen und zerkratzt hat. Aber das Blut Jesu Christi hat bisher dem Löwen widerstanden, sonst hätte der Löwe den Schuster schon lange zerrissen. Wenn er aber sagt, des Schusters Lehre sei Dreck, damit nennt er Christi Sinn und Geist einen Dreck. Und daß man sich vor des Schusters Schülern hüten solle, dazu sage ich, ich weiß von keinen Schülern, als nur von Christenmenschen, unter denen sich eine Seele mit der anderen erquickt. Ich habe keine neue Lehre, sondern nur die alte, welche in der Bibel und im Reich der Natur zu finden ist. Daß er aber seine Lästerung Gottes Wort nennt, das man allein von ihm hören und auch so lästern soll, wie er es tut, das gebe ich einem christlichen Herzen zu bedenken, wessen Geistes Kind er sei.

Zum dritten Teil des Pasquills, der Zehrpfennig auf den Weg

Pasquill: Die Stadt Görlitz treibt dich, Schuster, dennoch weg und gebietet dir, dahin zu ziehen, wo deine Schriften geachtet werden. Geh nur geschwind und zieh weit weg, du leichtfertiger gotteslästerlicher Mund, oder erfahre, du elender Mensch, was dir für Unglück bereitet ist!

68. Antwort: Herr Primarius, diesen Zehrpfennig behaltet nur für euch selber zu eurer Himmelfahrt, ich begehre nichts von euch. Eure leichtfertige Lästerung wird euch wohl zu einem Zehrpfennig nachfolgen. Laßt euch nicht verlangen! Wer da steht, der sehe zu, daß er nicht falle. Wenn ihr mich auch verfolgt und zu verbannen meint, wer weiß, wer euch in kurzer Zeit auch so verfolgen wird?! Die Signatur ist schon vorhanden, und es ist natürlich, daß ihr zuvor anderen antut, was euch danach zur Strafe geschehen möchte, denn ihr müßt doch euer Maß vollmachen. Und wenn ihr nicht Buße tun werdet, dann dürften euch wohl die bösen Geister auch einmal ein solches Grabliedlein singen und euch gebieten, weit von Gottes Angesicht wegzugehen. Denn was ihr mir jetzt antut, das tut ihr Christus in seinen Gliedern an, und das wird er euch auch antun, wenn ihr nicht bald umkehrt und Buße tut.

Pasquill: Du bist wie der Ödipus (er meint Sphinx), den die Erde verschlungen hat: Hüte dich, daß dir dergleichen nicht auch widerfahre! Dessen Schatten hat den Leuten, die bei ihm standen, sehr geschadet. Aber glaube mir, dein Schatten schadet vielen noch viel mehr und heftiger.

69. Antwort: Auch der Schatten von St. Petrus schadete dem Teufel sehr. So schadet auch mein Schatten nur dem Teufel und dem Antichristen. Ihr meint vielleicht, daß euch mein Schatten an eurem irdischen Leben schaden könnte, weil ich die Nachfolge Christi bekenne. Denn dann würden die Leute, die solche Lehre annehmen, von euch fordern, daß ihr auch wie die Apostel Christi leben und ihrem Beispiel nachfolgen sollt, und das schmeckt euch nicht. Darum sagt ihr, mein Schatten schadet etlichen grausam sehr, nämlich den falschen Geistlichen. Daran mag etwas sein, und es dürfte so geschehen. Ich kenne aber auch viele geistliche Priester, denen es nicht schaden wird, sondern frommen, denn ihnen ist ihr Amt rechter Ernst. Wer kann aber für die Zeit, die alles bringt? Wenn es der Herr Primarius mit seiner Warnung so treulich meinte, dann ließe er das Lästern auf der Kanzel und forderte mich allein zu sich und zeigte mir meinen Irrtum. Wenn ich dann befände, daß er etwas Wahres gegen mich hätte und er mir einen besseren Weg zeigte, oh, wie lieb wollte ich ihn haben und ihm dessen treulich danken. Aber er freut sich, wenn er nur etwas hat, darüber er lästern kann. Ich habe mich zu Anfang nach seiner ersten Lästerung und Verfolgung sechs Jahre lang unterworfen und kein Wort geschrieben. Warum hörte er nicht auf zu lästern? Wer tat ihm etwas? Aber er konnte nicht. Warum? Darum: Gott hatte ihn zum Treibhammer gemacht, der das Werk treiben mußte. Sein Lästern ist meine Stärke und Wachsen gewesen. Durch sein Verfolgen ist mein Perlein gewachsen. Er hat es herausgepreßt und auch selber publiziert. Deswegen wünsche ich ihm Gottes Erbarmen, daß er dessen doch auch genießen möge, weil ihn Gott zu meinem Werkzeug gebraucht hat. Ich wollte viel demütiger ihm gegenüber handeln, wenn er sich davon bekehrte, wie er mir gegenüber getan hat. Er darf nicht denken, daß ich mich vor seinem Angesicht scheue, denn ich habe ein gutes Gewissen und wünsche ihm auch eines. Ein Richten ohne Anhörung gilt in keinem Recht. Ich unterwerfe mich auf solche Weise nicht seinem Gericht, denn mein Herz ist nicht befriedigt mit seinem Urteil. Ich bin dieser Auflagen aller miteinander unschuldig. Alles, was er auf der Kanzel gegen mich geredet hat, ist ganz gegen meine Meinung, denn daran ist kein einziges wahres Wort. Er hat mir alle meine Worte mit fremdem Verstand verdreht. Darum, weil ich jetzt keinen anderen Richter haben kann, der meine Gabe verstehen will, so stelle ich ihn und sein Richten vor das Gericht meines Heilandes Jesu Christi und appelliere, bis ich ordentlich angehört werde. Dann will ich meiner Sache (durch Gottes Gnade) Rechenschaft geben.

Pasquill: Du hast es bisher dem Kerinth nachgemacht, indem du wunderliche Sachen erdacht und gekocht hast und grausame Dinge ausrufst. Dieser Kerinth, als er badete, schmähte den heiligen Christus und wütete mit seinem Geschwätz heftig gegen Gott: Aber das Haus fiel ein und erschlug ihn, und so kam der Lehrmeister mitsamt dem Schüler um.

70. Antwort: Ob Kerinth gegen Christus gewesen ist, das laß ich an seinem Ort. Ich bin mit Christus und bekenne Jesus Christus als meinen Herrn und Gott, und ich habe mich ihm in Gehorsam untergeben, nach seinen Geboten und Willen zu leben. Daß aber der Herr Primarius sagt, ich hätte es dem Kerinth nachgemacht, das bedürfte wohl einen Beweis, oder wird auch nicht wahr sein. Daß er aber von meinen wunderlichen Dingen spricht, dazu sage ich mit Wahrheit, daß ich nichts Wunderliches geschrieben habe. Ich habe nur geschrieben, was die Natur und der Mensch sei. Wenn aber dieses den Herrn Primarius wunderlich deucht, dann liegt es doch allein daran, weil er solches nicht versteht. Was kann ich nun dafür, daß er daran blind ist? Ich habe doch nicht ihm geschrieben, sondern nur jenen, denen es Gott zu verstehen gibt. Bleibe er nur ein Hohepriester und werde kein Philosoph und Naturkundiger, so sind wir geschieden. Er kann mir die alten Sekten nicht aufdrängen, denn ich habe von ihnen keine Schriften gesehen. Es ist nur seine Bosheit.

Pasquill: Dein Dreck, oh Schuster, hat unsere Stadt heftig besudelt.

71. Antwort: Herr Primarius, ihr selbst habt sie so mit Kot der Lästerung wegen des Schusters bespritzt, daß mancher vor Lästerung stinkt. Das ist der Dreck, der ihnen an ihren Seelen schadet, und ihr seid die Ursache dafür, daß es ihnen schadet, daß sie die Lästerung glauben und ins Herz fassen und über die Gabe Gottes lästern.

Pasquill: Ach, daß alle diejenigen mit dir wegmüßten, welche deine Schriften lesen!

72. Antwort: Welch ein christlicher Wunsch ist das vom Hohepriester?! Das dürfte man wohl kaum beim Kaiphas finden, und es dürfte auch nirgends in der Bibel stehen. Doch es wird bald dazu kommen, daß sein guter Wunsch wahr werden wird und daß die Schafe von den Böcken abgesondert und voneinander geschieden werden, damit doch die Böcke in der Hölle Raum haben, weil sie auf Erden niemand um sich dulden können.

Pasquill: Ja, auch Schlesien hast du mit deiner Lehre angesteckt, wo du von vielen empfangen werden wirst, welches ich gewiß weiß. Denn wie diese Leute an Adel viel vornehmer als andere sind, so gehen sie auch anderen mit ihrer Neuheit voran. Aber ihr, seine Gesellen, hütet und wacht, damit ja diese vornehmen Schriften des vornehmen Mannes nicht untergehen!

73. Antwort: Amen, Amen, Amen! Man findet ja jetzt in Schlesien viele trefflich gelehrte und gottesfürchtige Männer, die wohl weiter sehen als der Herr Primarius, denen ihr Christentum wahrhaft Ernst ist und welche auf die Nachfolge Christi gehen. Diese lesen viele gute Bücher, die den rechten Grund ausführen. Sie haben die Nachfolge Christi nicht erst von mir gelernt, sondern vorher gehabt, aber erfreuen sich daran, daß Gott in dieser letzten Zeit so hohe Erkenntnis auch in einfältige Leute ausgießt, welches ja ein Wunder Gottes ist. Aber der Herr Primarius schreibt es dem Teufel zu, wie die Hohepriester Christus täten, deren Adel auch ihr nachfolgt. Aber die Hohen von Adel in Schlesien erkennen ihren Adel in Gott, erkennen die Zeit und sehen, daß Gott etwas Großes vorhat. Ihr aber seid blind daran und seid verstockt, wie auch die Pharisäer zu Christi Zeiten waren. Darum kommt der Tag eurer Strafe von Gott, und ist nahe. Das wißt!

Pasquill: Ei nun, so gehe und komme nicht wieder, damit du elendiglich verdirbst! Und nimm lieber einen Schuh, als eine Feder in die Hand.

74. Antwort: Christus spricht: »Wenn sie euch fluchen, dann segnet sie, denn so seid ihr Kinder des höchsten Gottes.« Weil mir nun der Herr Primarius einen elenden Tod wünscht, so ist sein Wunsch vom Teufel. Denn er läuft ganz gegen Gottes Gebot und Willen, sowie gegen alle ehrliche Vernunft und Redlichkeit. So soll man den Baum an seinen Früchten erkennen, und ein jeder kann wohl bedenken, aus welchem Geist und Gemüt er mich verfolgt. Nämlich daß er solches dem Satan zu Gefallen tue und kein Diener Christi ist.

75. Weil er mich aber verflucht, so segne ich ihn durch das Blut und den Tod unseres Herrn Jesu Christi, im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen! Und wünsche ihm, daß ihn dieser Segen bekleide und zu einem Kind und Erben des ewigen Lebens gebäre, damit er mein Bruder im Leben unseres Herrn Jesu Christi werde und ewig bleibe. Amen! Amen! Amen! Und beschließe mit ganzem Herzen und Willen.

Datum Görlitz, den 10. April, Anno 1624. (1675: 18. April 1624)

Bemerkung (des Herausgebers von 1715): Es ist anzumerken, daß dieser treue Wunsch und Segen auf den Sohn des Herrn Primarius Gregor Richter kam, weil dieser von Gott kräftig zur Buße gerührt und später unter die Zeugen der Wahrheit gezählt wurde. Der auch diese Bücher in Locos Communes (zur Veröffentlichung) gebracht oder registriert hat, die in acht Teilen zu Thoren gedruckt wurden. Siehe Gottfried Arnold, Ketzer-Historie IV. Teil, S777 §158.

Anhang des Pasquills

Pasquill: Kein Irrtum ist so groß und scheußlich, daß er keine Leute habe, die ihm Beifall geben.

76. Antwort: Ein guter Mensch fällt dem Guten zu, und ein böser dem Bösen, wie der Lästerung. Aber denen, die Gott lieben, müssen alle Dinge zum Besten dienen. (Röm. 8.28) Auch wenn sie mitten unter allen Irrtümern steckten, so sind sie doch in Gottes Hand und vor dem Lügner und Lästerer verwahrt. Denn es ist ihnen ein Schrecken und sie hören nicht gern freche Lügen reden und den Nächsten schmähen.

Pasquill: Der Irrtum, der zuerst klein ist, wird letztendlich groß.

77. Antwort: Christus spricht: »Das Reich Gottes ist zuerst klein wie ein Senfkorn, aber danach wächst es so groß, wie ein Baum.«

Pasquill: In der Welt wird immerfort einerlei Komödie gespielt, nur mit veränderter Zeit, Ort und Personen.

78. Antwort: Gott hat seit Ewigkeit gewirkt und wirkt in Ewigkeit, und bleibt doch nur immer derselbe einige Gott. Amen.

Beschluß

Lieber Leser, ich selbst achte wohl das Pasquill keiner Antwort wert, weil nur Unwahrheit und Lästerung darin gefunden werden. Ich habe aber für jene eine Antwort machen wollen, welche es nicht verstehen und mein Büchlein nicht gelesen haben, noch meine Person kennen, sondern allein auf das Ansehen des Primarius schauen und meinen, er verlästere mich aus christlichem Eifer und tue solches um Gottes willen, wegen seines Amtes. Wie dann die meisten Leute so irregeführt werden, daß sie ihm Beifall geben und denken, er tue recht daran und es sei alles wahr, was er auf der Kanzel ausruft, weil er Gottes Namen darin führt und sich damit verhüllt, so daß man sein grimmiges Herz nicht sehen kann, und sich auch auf sein Amt beruft. So glaubt es die Einfalt, die nichts vom Handel weiß, wie boshaft er mich verfolgt und ganz gegen sein Amt handelt, und mich auch niemals in dieser Sache anhören wollte. So will er das hinrichten, was er nicht versteht. Deshalb habe ich eine Antwort gegeben, damit mancher sehend werde und vom Lästern gegen Gottes Gabe abgehe, und bezeuge hiermit vor Gott, daß ich aus keiner anderen Meinung geantwortet habe, als nur rein aus Nächstenliebe, und ermahne den Herrn Primarius, sich eines Besseren zu besinnen, denn er hat keinen Löwen, sondern ein Schäflein Christi vor sich. Oder er wird sehen, in wen er gestochen hat, daß ihm nicht das Schaf im Geist Christi zum Löwen werde und das Schaf den Wolf richte. Und das meine ich herzlich und treulich.

Ende

Schriftliche Verantwortung an den Ehrbaren Rat zu Görlitz

Schriftliche Verantwortung an den Ehrbaren Rat zu Görlitz zu des Primarius Lästerung, Lügen und Verfolgung wegen des gedruckten Büchleins von der Buße.

(Hinweis: Dieses Schreiben entspricht auch dem Sendbrief Nr. 54.)

Geschrieben Anno 1624, den 3. April.

54.1. Edle, ehrenfeste, achtbare, hochgelehrte, großgünstige und wohlweise Herren! Ich erscheine vor meinen Herren, aber jetzt als ein Christ und bin bereit, von meinen Gaben und Erkenntnissen, welche ich einzig und allein von göttlicher Gnade als ein Geschenk empfangen habe, Rechenschaft zu geben.

54.2. Von meiner Person weiß ich nichts anderes zu sagen, als daß ich ein Laie und einfältiger Mann bin und mich als ein Christ mit der Liebe meines Heilandes verliebt habe. Und er hat sich mit mir verliebt und verlobt nach der Innerlichkeit meiner Seele, davon, wenn es von mir gefordert würde, ich Rechenschaft geben wollte.

54.3. Aus solcher Gabe habe ich meine Erkenntnis und Wissenschaft und gar nicht vom Teufel, wie ich zu Unrecht verlästert werde, davon eine ernste Rechenschaft vor dem Gericht Christi gehören wird, wie geschrieben steht: »Wer dem Heiligen Geist lästert, hat keine Vergebung ewiglich.« Dieweil ich doch meinem Widerpart das herzliche Erbarmen Gottes wünsche.

54.4. Mein erstes Buch (Aurora) habe ich in solcher Erkenntnis nur für mich selber zu einer Erinnerung geschrieben, um solches allein bei mir zu behalten und keinem Menschen zu zeigen. Dieses ist mir aber durch göttliche Schickung entzogen und dem Herrn Primarius gegeben worden, wie ein Ehrbarer Rat wohl weiß.

54.5. In diesem Buch wurde ein philosophischer und theosophischer Grund mit solchen Worten beschrieben, wie ich sie zu jener Zeit in meiner Einfalt für mich selbst verstehen konnte. Und ich habe nicht gemeint, daß es jemand anderes lesen sollte. Doch dieses Buch hat mir der Herr Primarius mit ganz fremdem Verstand gegen meine Meinung herangezogen und diese ganze Zeit so verlästert, welches ich um der christlichen Ehre willen in Geduld ertragen habe.

54.6. Als ich mich aber vor dem Ministerium ihm gegenüber verantwortet und meinen Grund angezeigt hatte, ist mir vom Herrn Primarius auferlegt worden, nicht mehr so zu schreiben. Welches ich auch bewilligte, denn den Weg Gottes, was er mit mir tun wolle, habe ich damals noch nicht verstanden. Hingegen hat mir der Herr Primarius samt den anderen Prädikanten zugesagt, zukünftig auf der Kanzel zu schweigen, welches aber nicht geschah, sondern er hat mich die ganze Zeit schmählich verlästert und mir öfters Dinge zugemessen, deren ich gar nicht schuldig war, und so die ganze Stadt lästernd und irre gemacht, daß ich samt meiner Frau und den Kindern ihr Schauspiel, Eule und Narr sein mußte. Ich habe aber weiter all mein Schreiben und Reden von solcher Hoheit und Erkenntnis göttlicher Dinge auf sein Verbot hin viele Jahr bleibenlassen und gehofft, es werde des Schmähens einmal ein Ende sein, welches aber nicht geschah, sondern immerzu ärger wurde.

54.7. Bei diesem hat es der Herr Primarius nicht bleibenlassen, sondern hat mein Buch und die Verantwortung in fremde Orte, Städte und Dörfer ausgeliehen und es selber verbreitet, ganz ohne mein Wissen und Willen, wo es dann nachgeschrieben und oft mit anderen Augen angesehen wurde, als er es sehen konnte. Dadurch ist es auch von einer Stadt zur anderen zu vielen Gelehrten, sowohl Priestern als auch Doktoren und vielen adeligen Personen gekommen, wie dann auch zum Herzog von Liegnitz, welcher es begehrte, aber mir ganz unbewußt und ohne meinen Willen.

54.8. Danach haben sich viele gelehrte Männer von Priestern, Doktoren, wie auch Adelige und Gräfliche, sowie etliche fürstliche Personen mit Schreiben zum Teil sogar persönlich an mich gewandt und von meiner Gabe, Erkenntnis und Bekenntnis noch mehr erbeten. Denen habe ich anfänglich gesagt, ich dürfte es nicht tun, es sei mir vom Herrn Primarius verboten. Sie haben mir aber die (Heilige) Schrift mit ernstlichem Drohen göttlicher Strafe vorgestellt und gezeigt, daß ein jeder bereit sein soll, seiner Gaben und seines Glaubens samt der Hoffnung Rechenschaft zu geben, und daß Gott das Pfund von mir nehmen würde und dem geben, der es anlegt (Luk. 19.11), und auch daß man Gott mehr als Menschen gehorchen müsse. Welches ich betrachtet und zu Gott gefleht habe, wenn solches nicht seinem Namen zur Ehre gereichen würde, daß er es von mir nehmen wollte. So habe ich mich mit Beten zu Ihm und Flehen Tag und Nacht ganz und gar in seinen Willen gegeben, bis mir die göttliche edle Gabe erneuert und mit großem himmlischem Licht angezündet wurde.

54.9. Daraufhin habe ich angefangen, den Herren auf ihre Fragen in göttlicher Erkenntnis zu antworten, und auf Bitte und Begehren etliche Büchlein geschrieben, unter denen auch dieses „Von der Buße“ war, welches jetzt gedruckt wurde.

54.10. Denn in diesem Büchlein ist mein eigener Prozeß aufgezeichnet, durch den ich meine Gabe von Gott erlangt habe, welches auf Bitten hoher und gelehrter Leute geschrieben wurde und etlichen so tief in ihr Herz gefallen ist, daß es ein Vornehmer von Adel aus Liebe drucken ließ.

54.11. Daß aber der Herr Primarius so heftig dagegen donnert und es zum Feuer verurteilt, auch meine Person so schmählich heranzieht und mir die ganze Gemeinde auf den Hals hetzt, sowie vorgibt, ich hätte die ganze Stadt Görlitz samt dem Fürstentum Liegnitz damit vergiftet und es verbreitet, und daß deswegen das große Klagen von den Priestern zu Liegnitz über mich erging, auch daß darum der Ehrbare Rat samt der Stadt Görlitz in Gefahr stünden:

54.12. Darauf gebe ich zur Antwort, daß sich dies mitnichten so verhalte und daß mir solches aus bösartiger Neigung nur von Wenigen und vielleicht auch nur durch des Herrn Primarius eigene Anreizung zugerichtet wurde, damit er verhindert, daß meine Unschuld an den Tag kommen soll.

54.13. Denn erstlich habe ich das Büchlein nicht selber drucken lassen. Zum zweiten habe ich es nicht selber im Fürstentum Liegnitz verbreitet, sondern der Patron, welcher es drucken ließ, hat es seinen Freunden und Bekannten geschickt. Zum dritten weiß ich, daß sein Vorwurf wegen solcher Gefahr, als sollte sich der Herzog zu Liegnitz samt der ganzen Priesterschaft beschweren, sich gar nicht so verhält, denn ich weiß soviel, daß es der Herzog samt etlichen Räten sowie viele der Priester selber lesen und es von vielen Prädikanten sowie etlichen von den hohen Schulen, welche trefflich gelehrte Männer sind, geliebt wird. Auch wird es am kurfürstlichen Hof zu Dresden und Sachsen von vornehmen Herren geliebt, wie dann auch bei etlichen Reichsfürsten und Herren der Reichsstädte, wie ich solches mit vielen Briefen beweisen könnte.

54.14. Und ich halte deswegen gänzlich dafür, daß mir dieses Bad vom Teufel und seinem Reich zugerichtet sei, weil er sieht, daß sein Reich dadurch offenbart und der Mensch zur Buße und zu christlichem Wandel angewiesen wird.

54.15. Weil aber der Herr Primarius mein Büchlein zum Feuer verdammt, so bitte und begehre ich um Gottes Willen, der Ehrbare Rat wolle ihm befehlen, daß er mir meine Irrtümer artikelweise aus diesem Büchlein aufzeichne und mir zur Antwort zukommen lasse oder zu einem mündlichen Gespräch im Beisein etlicher Herren des Rates. Ist es dann, daß er mir einen Irrtum beweist, dann will ich mich herzlich gern weisen lassen und ihm folgen. Wenn aber nicht, dann mag er nur dagegen schreiben, weil es (nun einmal) im Druck ist, wenn es Eurem Ehrbaren Rat gefällt, denn es wird schon gelehrte Leute geben, welche sich meiner annehmen und ihm antworten werden, auch wenn ich es nicht täte.

54.16. Letztlich hat er mich vor der ganzen Gemeinde verleumdet, ich verachte die Kirche und Heiligen Sakramente, und mich mehrfach als einen Ketzer, Schwärmer und Halunken gescholten und an meinem wohl hergebrachten und darin stets wohlerhaltenen Ehren und guten ehrlichen Namen angetastet, auch solche Dinge, welche alle nicht wahr sind, mir angehangen und behauptet, ich besaufe mich stets mit Branntwein sowie anderem Wein und Bier wie ein Schwein, welches mir aber gegen Gott, Ehre, Recht und alle Wahrheit aus lauter bösartigen Affekten zugelegt wird, um mich bei der Gemeinde verhaßt zu machen.

54.17. Denn erstlich verachte ich keine Kirche, denn ich gehe selbst hinein, viel weniger die Heiligen Sakramente, die ich selbst gebrauche, sondern ich bekenne den Tempel Jesus Christus in uns, daß wir Christus in unseren Herzen lehren hören sollten, ganz nach der Lehre von St. Stephani und den Aposteln. So habe ich auch von den Heiligen Sakramenten klarer geschrieben als ich auf der Kanzel von ihm jemals gehört habe, wie solches zu erweisen wäre.

54.18. So bin ich auch kein Lehrer oder Prediger und predige oder lehre nicht, sondern gebe nur Rechenschaft von meiner Gabe und Erkenntnis, wie ich dazu gekommen bin. Und so muß sich meinethalben niemand eines Anhangs (irgendwelcher Lehren) fürchten, denn ich gehe mit meinem Talent nicht mit gemeinen Leuten um, sondern mit Doktoren, Priestern und Edelleuten, welche gelehrt sind.

54.19. Ich bitte deswegen den ehrenfesten und hochweisen Rat, mich wegen solchen entehrenden Schmähungen und unwahrhaftigen Anklagen in gebührlichen Schutz zu nehmen, denn mir geschieht mit solcher Anklage Gewalt und Unrecht, denn ich bin kein Lästerer der Kirche und Sakramente, viel weniger ein Trunkenbold, sondern lebe ganz nüchtern mit Beten und Meditieren in göttlicher Gabe, berufe mich auch auf die ganze Stadt und weiß, daß da kein Mann sein wird, der mich solches bezichtigen kann. Doch diesen trunkenen Mann konnte man wohl schon öfters beim Herrn Primarius finden. Während ich ohne Not fast nie in Menschenhäuser komme, viel weniger in Bierhäuser und Weinkeller, sondern einsam und still lebe, wie dem Ehrbarem Rat wohl bewußt ist. J. B.

Biographie des Oberpfarrers Gregor Richter

(Um das Wesen des damaligen Görlitzer Oberpfarrers oder Primarius besser zu verstehen, möchten wir hier noch eine kurze Lebensbeschreibung anhängen, die vom Historiker Prof. Dr. Richard Jecht (1858-1945) sehr achtsam recherchiert wurde. - Quelle: Richard Jecht, Die Lebensumstände von Jacob Böhme, 1924, ab S32)

Gregor Richter ist am 1. Februar alten Kalenders 1560 zu Görlitz geboren. Seine Mutter, Martin Buschmanns Tochter, starb schon 1561, wonach der Knabe — sein Vater Gregorius Richter zog wohl damals nach Ostritz als Klosterschmied — bei seinen Großeltern erzogen wurde. Er hat die neu gegründete Schule in Görlitz besucht und sich dort hervorragende Kenntnisse erworben, auch wurde er im August 1576 nach Breslau ebenfalls zur Schule geschickt, bei welchem Aufenthalt er bei seinem Wirt, einem Schmied, auch Schmiedearbeit geleistet haben soll. Schon im Sommer des folgenden Jahres ließ er sich in die Matrikel der Universität Frankfurt a.O. einschreiben. Da die Kosten für das Studium für ihn unerschwinglich waren, kam er nach einiger Zeit wieder nach Görlitz und unterrichtete die zwei Söhne Joachim Emmerichs (1517-1597), eines Enkels Wenzel Emmerichs, der ein Stiefbruder des bekannten Georg Emmerich war. Diese Stellung ist dann wohl für alle Zeit für Richter entscheidend gewesen. Denn Joachim Emmerich, der seit 1565 im Rat saß und ein einflußreicher Mann war, bahnte ihm seinen weiteren Lebensweg. 1583 ging er, 23-jährig, noch einmal als Begleiter eines Hyeronymus von Kalkreuth nach Frankfurt auf die Universität. Darauf erhielt er am 29. Oktober 1584 einen Ruf an das Görlitzer Gymnasium, wo er eine Vertrauensstellung bei dem berühmten Rektor Laurentius Ludovicus als Hauslehrer von dessen Kindern und Alumnen einnahm. 1587 wurde er in das Pfarramt Rauscha berufen, kehrte aber zum Schluß des Jahres 1590 in die Stellung des untersten Geistlichen nach seiner Vaterstadt zurück. Als solcher gehörte er zu den Abgeordneten, die 1592 von der Regierungsbehörde wegen des vermeintlichen Crypto-Calvinismus nach Bautzen berufen wurden. 1595 wurde er Archidiakonus, und am 29. Juli 1606 ernannte ihn der Görlitzer Rat zum Nachfolger des frommen Primarius Martin Möller. Bei seiner Bestallung wurde er ermahnt, kürzere Predigten zu halten, sich einer stärkeren und artikulierteren Aussprache zu befleißigen und die „Vorbitten“ besonders vor der Predigt zu mäßigen. Seine Wahl scheint also nicht glatt erfolgt zu sein. Auch im Oktober 1618 erregte er, wie es scheint, wegen einer Predigt Anstoß. Überhaupt brachte er nach der Sitte der Zeit alles auf die Kanzel was die Stadt bewegte und spielte sich dabei als Sittenrichter auf. Der Rektor Dornavius, den er beim Antritt seines Amtes in einem gut stilisierten lateinischen Gedicht um die Wende von 1608 begrüßt hatte, mußte auch bittere Worte von ihm hören, als er sich im Jahre 1612 wegen der Pest nach Sprottau flüchtete. Am 30. Juli 1623 predigte er vor dem Kurfürsten von Sachsen, der als „Kaiserlicher Kommissar“ die Oberlausitz einnahm, zur vollen Zufriedenheit. Am 1. Januar 1624 vergaß er in seinem Eifer, mit dem er für die Leute betete, „die ihm etwas verehrt haben“, den Kirchenzettel abzulesen. Richter war treu und fleißig in seinem Amt. Sein Lebenslauf erzählt, daß er während der 34 Jahre, die er Geistlicher in Görlitz war, nicht weniger als 5893 Predigten gehalten habe (also etwa alle 2 Tage eine Predigt), was einen späteren Oberlausitzer schöngeistigen Schriftsteller 1782 veranlaßte, eine fesselnde kleine Schrift zu schreiben. Ungezählt sind auch seine gewandten lateinischen Gedichte, die er bei jeder Gelegenheit anbrachte, von denen auch zahlreiche an verstreuten Orten gedruckt sind. Der hochveranlagte Mann besaß ein ungeheures Wissen, vornehmlich auf dem Gebiet der Theologie und Geschichte. Neben einer verdienstvollen Görlitzer Chronik in lateinischer Sprache schrieb er und ließ drucken „Axiomata historica ecclesiastica“ und „Axiomata oeconomica“, in denen er, einen allgemeinen Satz aus diesen Gebieten vorausschickend, zahlreiche Beispiel aus der heiligen und profanen Geschichte in lateinischer und manchmal auch in deutscher Sprache vorbrachte. Auch für Musik und gute Unterhaltung hatte er Sinn, wie er dann ein eifriges Mitglied des Convivium musicum gewesen ist, ja es scheint, als ob er selbst die Vertonung zu seinen Kirchenliedern gemacht habe.

Sein Testament vom 29. Juli 1624 atmet eine treue, liebevolle Sorge für die Seinigen, zeigt auch seine gute Vermögenslage, wie er denn auch nach den Geschoßbüchern auf der Reichenbacher Straße drei Gärten besaß. Wir erfahren auch seinen Familienstand: zwei Söhne und eine Tochter überlebten ihn. Der ältere Sohn Gottfried, geboren 1594, war lange Zeit in Görlitz öffentlicher Notar, der jüngere, Gregor, seit Januar 1619 unterster College am Gymnasium, dann Diakonus in Görlitz (geb. 1598, gest. 1633). Daraus geht hervor, daß es eine Fabel ist, ein Sohn sei Kaufmannsdiener in Thorn gewesen und habe im Gegensatz zu seinem Vater die Schriften Jakob Böhmes geliebt und gar einen Auszug aus seinen Werken zum Druck befördert. Ein Auszug ohne Jahr und Ort, die sogenannte Thorner Ausgabe besteht, aber daß sie Gottfried Richter herausgebracht habe, ist unmöglich. Die fanatischen Anhänger Jakob Böhmes wollten eben durch die Behauptung von der Autorschaft den Sohn als Böhmefreund gegen den Vater als Böhmefeind aufspielen. Der jüngere Sohn Gregorius hat allerdings in seinen Schriften eine Verwandtschaft mit den Gedanken des Theosophen.

Der Primarius Richter starb nach einer Krankheit von drei Wochen am 14. August neuen Kalenders 1624. Das Bild, das wir durch das Auftreten des Primarius und durch seine Schriften erhalten, ist das eines heißspornigen, fanatischen, orthodoxen lutherischen Geistlichen, der, stolz auf seine Rechtgläubigkeit und Gelehrsamkeit, sich hocherhaben über die gewöhnliche Masse fühlte und einen gewaltigen Einfluß auf seine Gemeinde ausübte. Solche Gestalten sind ja in diesen Zeiten nicht selten und lassen sich auch aus den unduldsamen theologischen Strömungen erklären. Was uns aber insbesondere gegen Richter einnehmen muß, ist die demagogische Hetze, die er verursachte, und die unleugbar wahrheitswidrigen Anschuldigungen gegen Böhme, vor allem aber der Umstand, daß er, wenn es sich um einen hochgestellten einflußreichen Gesinnungsgenossen des Görlitzer Theosophen handelte, ganz anders vorging:

Der einflußreichste Anhänger unseres Theosophen war der Oberlausitzer Edelmann Karl Ender von Sercha auf Leopoldshain. Schon immer der Schwenkfeldschen Lehre zuneigend, fühlte er, sobald er Jakob Böhme und seine Morgenröte kennenlernte, sich mit ganzem Herzen zu ihm hingezogen. Er war es, der durch Abschriften die Aurora verbreitete. Es waren natürlich auch die ganze Gesinnungsart, die Hinneigung und Verehrung des nahe wohnenden Leopoldshainer Dorfherrn zu dem grüblerischen, einfachen Schuhmacher in ganz Görlitz bekannt, als im Juli 1613 ein Ungewitter über Böhme hereinbrach. Trotzdem widmete der gleisnerische „Hohepriester“ im Mai des folgenden Jahres seine Appendix ad Regulas historicas dem Karl Ender und schrieb eine Vorrede, die an kriecherischer Schmeichelei nichts zu wünschen übrigläßt. Krampfhaft suchte er auch die kleinsten und unbedeutendsten Umstände hervor, aus denen er einen Schluß auf die gute und freundschaftliche Gesinnung Enders für seine Person machen konnte. „Unde, quaeso, congeriem beneficiorum tuorum exoriar? Ubi vero finiam. (Woher, ich bitte dich, soll die Anhäufung deiner Wohltaten kommen? Aber wo soll ich enden?)“ Ein Gericht Fische, das der wohlmeinende und vornehm denkende Mann ihm geschickt hatte, die Freundlichkeit, mit der er ihm als gebildeter Mann begegnet war, die Duldsamkeit, mit der er in den Anfangsmonaten 1614 den Angehörigen Richters im Pfarrhause zu Leopoldshain während der Pestzeit Aufenthalt gewährt hatte, werden herangezogen. Hat sich Richter durch die unerhörten Schmähungen auf der Kanzel und durch die giftigen Pasquille gegen Böhme für alle Zeit bloßgestellt, so wird das üble Bild noch vielmehr verstärkt durch diese Widmung seines Buches, die den reichen und vielgeltenden Gesinnungsgenossen des armen und ohnmächtigen Schuhmachers bis in den Himmel erhob.

Richter ist ferner schuld, daß die Stadt Görlitz in vielen Kreisen in Verruf kam. Auch erhoben sich allmählich Stimmen gegen Richters Auftreten. Es will freilich wenig besagen, wenn ein roher und ungebildeter Barbier den Primarius im September 1621 einen „alten sakramentischen Pfaffen“ schilt, wofür er ins finstre Gewölbe wandern muß, und wenn zwei Diener Caspars von Fürstenau gewaltig auf Richter vor aller Ohren schimpfen. Bezeichnender ist es, daß auch der Rat, dessen Vorgehen wesentlich durch den aufgehetzten Pöbel bestimmt wurde, unsicher und duldsamer gegenüber Böhme wurde. Ganz bedeutsam aber ist eine Äußerung des hochgebildeten Johann Emmerich, eines Urenkels Georg Emmerichs und eines Mannes, der von 1610 bis 1621 im Rat saß und selbst zweimal Bürgermeister war. Er schreibt:
Den Schuster hat Gregor Richter oft und viel geschmäht, welches aber der Schuster genugsam verantwortet hat. Es wäre besser gewesen, der Primarius hätte den Schuster zufriedengelassen, hat wenig Ehre erlangt usw. Wäre freilich viel besser gewesen, denn der gute Mann, der Schuster, von welchem ich niemals etwas Ungebührliches vernommen, würde nicht bedürft haben, um seinen ehrlichen Namen zu retten, eine Apologie gegen desselben Schmähkarten zu schreiben und dessen eigene Schande zu offenbaren. Aber der Primarius hat ihn durch das Mittel der Lästerzungen der Welt bekannt machen und dessen Ehre bei unparteiischen Gemütern mit seinem Nachteil befördern wollen. Wäre ein so duldsamer Primarius, wie Richters Vorgänger Martin Moller, an der Spitze des geistlichen Ministeriums gewesen, dann würde das Leben Jakob Böhmes nach Bekanntwerden seiner Schriften friedhafter gewesen sein. Freilich hätten wir auch von unserem Theosophen viel weniger erfahren, und so hat der Geist des Bösen, personifiziert in Gregor Richter, auch sein Gutes gehabt: Streit bringt Leid, er gibt aber auch einen Einblick in das Wesen der Streitenden.


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